Protocol of the Session on May 22, 2001

Es spricht nun der Fraktionsvorsitzende der SPDFraktion Joachim Mertes.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Böhr, hoffentlich ist das Gefühl der Behaglichkeit am Ende meiner Rede bei Ihnen weit verbreitet; denn wahr ist, dass Sie eine zum Nachdenken anregende Rede gehalten haben. Ich habe überhaupt keine Schwierigkeiten damit, das differenzierend zu sehen.

Allerdings hätte ich doch erwartet, dass Sie nicht im Grundsätzlichen eine Entschuldigung formulieren, die Sie sehr genau und persönlich gemeint haben. So viel Größe hätten Sie zeigen können. Wer einen anderen aus diesem Hause einen notorischen Lügner und Betrüger nennt, der sollte dem anderen auch sagen, dass es ihm Leid tut. Das wäre ein Stück mehr gewesen.

(Beifall der SPD)

Man muss sagen: Okay, er hat den Versuch gemacht, das auszuräumen. – Das wurde auch in Ihrer Rede deutlich. Es ist, wenn man anderen Maßstäbe gibt, ganz gut, wenn man sich an den eigenen Maßstäben messen lässt.

(Jullien, CDU: Das gilt auch für Herrn Mertes!)

Das will ich gern tun.

Sie sagen, das ist eine Regierungserklärung, die nicht aufhorchen lässt. Das wäre schon zehn Jahre so. Ich muss zehn Jahre lang etwas an den Ohren haben.

Wir haben gegen Ihren Widerstand Konversionspolitik machen und Fachhochschulen neu einrichten müssen. Wir wurden zu einem Modellland in der Frage der Haushaltspolitik. Hier fragen uns andere.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Wir haben eine Verwaltungsreform nur gegen Sie gemacht. Sie standen bei den Grölenden und Pfeifenden.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gegen alle im Land!)

Meine Damen und Herren, das nennen Sie kein Profil. Ich möchte Ihnen das Profil von Rheinland-Pfalz sagen.

(Bracht, CDU: Chaos produziert!)

Das nennen Sie Chaos. Das ist mir klar; denn Sie sind einer aus der öffentlichen Verwaltung, für den die Bewegung möglicherweise eine Herausforderung darstellt, die er überhaupt nicht nachvollziehen kann.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich werde im Laufe der Rede auf die Anregungen eingehen, die man meines Erachtens aufnehmen sollte.

(Zurufe von der CDU)

Ich weiß gar nicht, was Ihre Unruhe provoziert. Sie waren gerade bei Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden so zurückhaltend. Was ist das für ein Zeichen?

Der Kollege Böhr begann damit, dass er sagte, die Landesregierung hat die Wahl gewonnen. Ministerpräsident Beck hat in der Tat einen überwältigenden Vertrauensbeweis durch die Wählerinnen und Wähler bekommen. Unser Gewicht ist auch nicht gesunken, sondern ein wenig gestiegen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr Gewicht?)

Mein persönliches ist gesunken. Das gestehe ich hiermit ein. Darüber bin ich froh.

Frau Grützmacher, die GRÜNEN und die CDU müssen sich beim Wähler mit einem abnehmenden Vertrauen abfinden. Das sollten Sie sich selbstkritisch eingestehen.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Herr Keller, wissen Sie, das ist alles okay. In der Landespolitik spielt hier die Musik. Hier ist bei Ihnen einiges abhanden gekommen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das war eine landespolitische Wahl.

Herr Keller, ich finde es gut, dass Sie sich einmal freuen. Ich erkenne Sie fast gar nicht wieder. Meistens schauen Sie etwas verkniffen. Freuen Sie sich! Das ist ein Wechsel zwischen Schmerz und Freude. Diesen kennen wir auch. Das ist keine Frage. Wenn Sie in den landespolitischen Fragen immer nur darauf hinweisen können, dass Sie da und dort eine Wahl gewonnen haben und der Kollege Böhr nur im Grundsatz diskutiert, aber keine Lösung bietet, ist das viel zu wenig.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es war eine landespolitische Auseinandersetzung. Es ist der Opposition nicht gelungen, die Stimmung für einen Wechsel zu organisieren. Wir haben in allen Problemfeldern rheinland-pfälzischer Politik – diese gibt es – bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Kompetenzlösung, die uns selber ein bisschen Angst macht, weil es Verantwortung bedeutet. Es bedeutet nämlich, etwas einzulösen. Das, was Sie nur mit Worten sagen, müssen wir mit Taten belegen. Wir werden dies tun.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir haben die Wahl wegen des guten Spitzenkandidaten, nämlich des Ministerpräsidenten, erfreulich abgeschlossen. Es gehört auch zur rheinland-pfälzischen SPD, eine geschlossene Mannschafts- und Teamleistung zu erbringen. Das werden wir auch in Zukunft tun. Wir werden intern diskutieren und nach außen diejenigen sein, die gemeinsam mit dem Koalitionspartner – es war übrigens bei den Bürgerinnen und Bürgern die meistgewählte Koalitionsvariante – in den nächsten fünf Jahren das weiterführen, was wir in den letzten zehn

Jahren erfolgreich getan haben, nämlich Rheinland-Pfalz entscheidend nach vorn zu bringen.

(Beifall der SPD und der FDP – Jullien, CDU: Bei den Schulden!)

Meine Damen und Herren, ich komme auf das zurück, was ich mitgeschrieben habe, nämlich das Kulturlose, und dass wir im Bundesrat dem einen oder anderen nachgeben.

Meine Damen und Herren, ohne die rheinland-pfälzische Landesregierung hätte es bestimmte Dinge in der Bundesrepublik gar nicht gegeben, zum Beispiel die Neuregelung des Staatsbürgerrechts. Wissen Sie noch, welchen Streit wir darüber gehabt haben, zum Beispiel die Steuerreform, die Sie hier immer noch – zugegebenermaßen jetzt in einem Punkt nur noch auf den Mittelstand bezogen – kritisieren? Das hätte es ohne diese Regierung nicht gegeben. Denken Sie an die Rentenreform. Diese hätte es in der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben.

Meine Damen und Herren, das ist eine hart erarbeitete Arbeit. Das ist keine Frage.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das war nicht immer einfach. Es muss doch den einen oder anderen bei Ihnen geben, der auch noch Koalition im Sinn hat.

Er weiß, wie schwierig es ist, sich mit Koalitionen auseinander zu setzen. Aber wir haben es geschafft. Meine Damen und Herren, es ist entscheidend, nicht nur den Mund zu spitzen, sondern am Ende auch zu pfeifen. Wir konnten es für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen, und darauf bin ich sehr stolz.

(Beifall der SPD und der FDP)

Diese zehnjährige, unverbindliche Politik, die nur Harmonie über alles gießt, hat dazu geführt, dass wir das Problem Mühlheim-Kärlich, das Sie in den Sand gesetzt haben und uns mit Schadensersatzforderungen an den Hals gehängt haben, gelöst haben.

(Beifall der SPD und der FDP – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer? Sie?)

Was hätten Sie mit schlauen Worten viel über Finanzpolitik reden können, wenn wir am Ende 7 Milliarden DM hätten bezahlen müssen? Dann hätten wir all die Projekte nicht durchführen können, die wir vorhaben.

Reden wir einmal weiter über die Frage unverbindlicher Politik. Meine Damen und Herren, Ihnen in der Opposition ist das Wort eines Ganztagsangebots doch nicht einmal über die Lippen gekommen, und heute ist es konturenlos! (Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU – Zuruf der der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Herr Lelle, Sie sind ein ehrenwerter Mann, der sich allerdings nur mit einem Thema befasst, nämlich ob an der Schule X, Y, Z eine Lehrerin oder ein Lehrer gerade einmal krank ist und deshalb die Statistik der Landesregierung nicht stimmt.

(Abg. Kramer, CDU: So nennen Sie das!)

Das ist die ganze Bildungspolitik, die wir von Ihnen geboten bekommen. Mehr ist das nicht.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Ich meine, ich habe den Begriff der unverbindlichen, scheinbaren Politik nicht gewählt, die nur Harmonie und Gemütlichkeit sucht. Meine Damen und Herren, wie gemütlich war es für die Landesregierung, das Mainzer Modell für diejenigen Menschen auf den Weg zu bringen, die bescheidenere Qualifikationen aufweisen und sich fragen, ob es sich eigentlich lohnt, arbeiten zu gehen, wenn die Steuern und Soziallasten einfach zu hoch sind?