Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mag mich nicht an dem nicht so edlen Wettstreit über die Zahlen, die die Frau Ministerin der Öffentlichkeit präsentiert hat, beteiligen.
Ich mag mich auch nicht daran beteiligen, die Zahlen zu feiern oder zu bezweifeln; denn ich will auf etwas anderes hinaus. Ich will darauf hinaus, worum es eigentlich geht. Wenn wir über Sozialhilfe sprechen, sprechen wir über Armut. Ich möchte darüber reden, inwiefern die vorgelegten Zahlen Aussagen darüber treffen, ob die Armut in unserem Land zurückgegangen, gestiegen oder gleich geblieben ist und welche Qualität das Ganze hat.
Wenn man solche Zahlen vorlegt, ist in diesem Zusammenhang letztlich doch nur interessant zu wissen, wie viele Menschen arm sind, wie viele es geblieben sind, wie vielen es besser geht und durch welche Politik das unter Umständen bedingt worden ist.
Herr Kollege Rösch, es gibt relativ eindeutige Definitionen von Armut, über die man aber diskutieren kann. Sie sind zum Beispiel im Sozialhilferecht verankert.
Ich will Sie nicht auch noch mit Zahlen traktieren, aber eine ist wichtig in diesem Zusammenhang, um diesen Gesamtkomplex bewerten zu können. Wir gehen davon aus – das ist unbestritten –, dass es in Rheinland-Pfalz neben den ungefähr 100.000 Sozialhilfeempfängern eine versteckte Armut in der gleichen Größenordnung gibt. Das heißt, die Instrumente der Armutspolitik erreichen nicht alle.
Lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen dazu machen, wie mit diesen Menschen umgegangen wird und wie die Bekämpfung der Armut aussehen kann. Aus einer Studie, die die Landesregierung in Auftrag gegeben hat, wissen wir, dass sich die allermeisten Sozialhilfeempfänger in großem Maß bemühen, aus der Sozialhilfe herauszukommen. Diese Eigeninitiative muss man anerkennen, die jede Diskussion über Drückebergerei oder Faulenzertum in erheblichem Maß relativiert.
Zweitens muss man feststellen, dass die Angebote und Programme des Bundes, des Landes und der Kommunen – ich will das überhaupt nicht verschweigen – in der Arbeitsmarktpolitik natürlich Erfolge zeigen. Herr Kollege Dr. Schmitz, das zeigt, dass Menschen, wenn ihnen Angebote gemacht werden, diese auch annehmen und Angebote allemal mehr bringen als Druck.
Drittens zeigt die bundesweite Entwicklung, die im Wesentlichen vom Bund zu verantworten ist und wofür man sich in Rheinland-Pfalz wenig feiern lassen kann, dass seit dem Jahr 1998 der Anteil der Langzeitarbeitslosen, der älteren Arbeitslosen und der behinderten Arbeitslosen bzw. Sozialhilfeempfänger in der Folge mit mehr als 100.000 in erheblichem Maß gesunken ist.
Viertens – ich kann es nur wiederholen, aber es ist halt richtig – sehen wir an den aktuellen Zahlen für das Jahr 2001, dass der Anteil der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt bei den Alleinerziehenden mit über 28 % überaus groß ist. Wir wissen auch, weshalb das so ist. Wir wissen, dass die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren in diesem Land derart mangelhaft geregelt ist, dass vielen Alleinerziehenden in diesem Bereich nichts anderes übrig bleibt, als auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Das ist ein Skandal und eine Möglichkeit landespolitischen Handelns.
Fünftens steigt der Anteil der Sozialhilfeempängerinnen – rechnet man sie quer durch alle Bevölkerungsgruppen – rapide an, wenn man sie nach den Bildungsabschlüssen sortiert. Diejenigen, die noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss haben, sind in großem Maß unter den Sozialhilfeempfängern vertreten. Ich kann es zwar fast selbst schon nicht mehr hören, aber auch an dieser Stelle läßt PISA grüßen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die PISA-Studie belegt eindeutig, dass uns die Förderung von Schwachen und die Förderung von Gruppen, die bisher eine solche Förderung nicht erhalten haben, weiterbringt. Wenn wir diese Leute qualifizieren, können sie Eigeninitiative entwickeln. Dann werden sie in der Lage sein, sich in stärkerem Maß selbst zu helfen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Herren und Damen! Natürlich können wir froh darüber sein, dass die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Rheinland-Pfalz zurückgegangen ist. Das muss erst einmal festgestellt werden. Das ist vom Grundsatz her eine sehr gute Entwicklung, weil es eine Fortsetzung des Rückgangs in den vergangenen Jahren ist. Das zeigt, dass wir in Rheinland-Pfalz natürlich auf dem richtigen Weg sind.
Ich möchte zu Beginn zwei Themen kurz kommentieren. Herr Kramer, wir reden heute nicht über die Eingliederungshilfe. Das ist natürlich ein wichtiges Thema, das wir natürlich nicht ignorieren. Die Zeit ist aber knapp. Deshalb möchte ich mich auf das konzentrieren, was im Kern der Debatte steht.
Das gleiche gilt für Herrn Marz. Natürlich muss man solche Fragen letztlich auch inhaltlich und grundsätzlich hinterfragen, aber im Moment geht es um die Tatsache, dass es aufgrund bestimmter Instrumentarien gelungen ist, die Zahl der Sozialhilfeempfänger zu senken. Darüber möchte ich heute gern reden. Natürlich kann man in diesem Zusammenhang die Armutsfrage stellen. Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass jeder Mensch, der es schafft, aus der Sozialhilfe herauszukommen, mit Sicherheit die Möglichkeit hat, seine Lebenssituation im positiven Sinne zu verändern. Darum geht es in dieser Debatte.
Da bereits einige Zahlen genannt worden sind, erspare ich Ihnen das von meiner Seite aus. Eine Zahl scheint mir jedoch sehr wichtig zu sein. In Deutschland waren am 31. Dezember 2001 rund 41,8 % aller Hilfeempfänger im Alter von 15 bis 64 Jahren arbeitslos. In Rheinland-Pfalz beträgt diese Quote „nur“ 35,1 %. Das scheint mir eine wichtige Zahl zu sein, weil sie für mich ein Stück weit die Erklärung dafür ist, weshalb sich RheinlandPfalz ziemlich weit vorn im Vergleich der Bundesländer bewegt.
Es geht darum, dass wir Mittel und Instrumentarien gemeinsam mit den Kommunen und Arbeitsämtern entwickelt haben, um das Thema „Arbeitslosigkeit im Bereich der Hilfeempfänger“ aufzugreifen und konstruktiv zu bewältigen.
Natürlich wird die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt überwiegend von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe erbracht. Ich kann mich dem Lob des Herrn Abgeordneten Rösch nur anschließen. Es haben in der Zwischenzeit wirklich sehr viele Kommunen gepackt, innovativ und mit sehr viel Ehrgeiz in diesem Bereich voranzukommen. Darüber freue ich mich. Der Sozialhilfebericht, den wir vor kurzem vorgelegt haben, hat aber gezeigt, dass wir noch besser werden können. Es gibt immer noch Kommunen, die nicht ganz so gut wie andere sind. Vom Grundsatz her gilt aber uneingeschränkt das Lob, dass die Kommunen sehr gute Arbeit leisten.
Ich weiß aber genauso gut auch aus eigener Erfahrung, dass eine erfolgreiche Arbeit in diesem Bereich nur im Zusammenspiel mit allen betroffenen Stellen möglich ist. Daher ist die günstige Entwicklung in Rheinland-Pfalz ganz sicherlich auch ein Ergebnis der jahrelangen erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Kommune, Arbeitsverwaltung und dem Land selbst.
Die meisten Maßnahmen, die die Qualifizierung von Sozialhilfeempfängern oder ihre Reintegration in den Arbeitsmarkt betreffen, werden erheblich kofinanziert durch die Arbeitsverwaltung, das Land und den ESF. Ohne dieses gemeinsame Vorgehen wären die Kommunen allein schon finanziell nicht in der Lage, solche Maßnahmen, die auch Wirkung zeigen, zu ergreifen.
Ich nenne nur beispielhaft das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“, aber auch die Einführung des Qualitätsbonus und die Finanzierung von Koordinierungsstellen. Insgesamt erreicht das Land mit diesen Maßnahmen gemeinsam mit den Kommunen mindestens 5.000 Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger im Jahr. Immerhin investieren das Land und der ESF 25,6 Millionen Euro in diesen Bereich.
Herr Kramer fordert „Fördern und Fordern“ ein und kündigt einen Antrag der CDU-Fraktion an. Wir freuen uns auf diesen Antrag.
Selbstverständlich ist das Thema „Fördern und Fordern“ eigentlich für die Kommunen und auch für das Land ein altes Thema. Ich nehme einfach für uns in Anspruch, dass wir im Bereich der Arbeitsmarktentwicklung schon weit über den Punkt „Fördern und Fordern“ hinaus sind. Wir können meiner Meinung nach gerade glänzen durch innovative Projekte im Arbeitsmarktbereich.
Während Hessen beispielsweise mit unheimlich viel Tamtam vor einigen Wochen noch vier Job-Center in Hessen angekündigt hat, kann ich wirklich nur ganz locker sagen, dass es in Rheinland-Pfalz schon etliche Job-Center in dieser Form gibt. Viele Kommunen arbeiten in Job-Centern mit Arbeitsämtern und Sozialhilfeträgern zusammen und machen seit langem vor, dass dies genau der richtige Weg ist.
Aus meiner Sicht wäre es deshalb auch wichtig und richtig, wenn die Vorschläge von Hartz zur Umsetzung kämen. Sie werden ganz viel im Bereich der Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe verändern. Es wird ein Kernpunkt aufgegriffen, den sich eigentlich alle für den Arbeitsmarkt immer gewünscht haben, nämlich das CaseManagement aus einer Hand, eine Zuständigkeit für alle Arbeitslosen in unserem Land und keine unterschiedlichen Zuständigkeiten.
Es ist klar, dass sich die Landespolitik ein Stück weit auch daran orientieren wird, was sich in der nächsten Zeit auf Bundesebene bewegen wird.
Ein letztes Wort noch zum Thema „Grundsicherung“: Natürlich wird sich das Grundsicherungsgesetz auch ganz entscheidend auf die Empfänger und die Ausgabenstatistik der Sozialhilfe auswirken. Gott sei Dank
sage ich, weil wir dadurch eine eigenständige soziale Leistung für über 65-Jährige haben werden, die wir eigentlich auch immer gewollt haben. Es ist nur ein Nebeneffekt, dass sich dadurch auch ein Stück weit die Statistik bereinigen wird. Natürlich wird das Land die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung weitergeben. Wir befinden uns im Übrigen im engen Kontakt mit den kommunalen Spitzen, um die Umsetzung vor Ort möglichst reibungslos hinzubekommen.
Eine Ergänzung ist vielleicht auch noch wichtig: Die Kommunen sparen in Zukunft für einen bestimmten Personenkreis die Sozialhilfe und auch den Arbeitsaufwand, der im Rahmen der Sozialhilfe für diese Menschen geleistet werden muss. Insofern sehe ich sehr optimistisch in die Zukunft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Punkt möchte ich berichtigen: Ich habe die Originalpressemeldung herausgesucht. Bei den Bruttoausgaben heißt es 1,026 Milliarden Euro. Es hat sich nicht um einen Punkt, sondern um ein Komma gehandelt. Ich entschuldige mich.
Meine Damen und Herren, noch einmal zur Grundsicherung, weil gerade auch die Kommunen sagen, dass sie Bedenken haben, ob sie die neuen Lasten schultern können. Es heißt, die Weitergabe beläuft sich auf rund 409 Euro. Die betroffenen Kreise und kreisfreien Städte haben Bedenken, ob dieser Finanzausgleich ausreicht. Im politischen Bereich stellt sich auch die Frage, ob durch dieses Gesetz nicht ein Durchgriff von der Bundesregierung in die Kommunen stattfindet. Daher muss das rechtlich geklärt werden. Eventuell wird dazu sogar vom Landkreistag oder vom Städte- und Gemeindebund eine Klage anstehen.
Ich möchte noch kurz auf den Bereich Job-Center eingehen. Vom Herrn Kollegen Rösch wurde auch das Angebot aus Hessen angesprochen, das den Bereich der Job-Center zum Mittelpunkt hat. In diesem Fall wird der Versuch unternommen, die Menschen zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen. Das von der Landesregierung in Hessen eingebrachte Offensivgesetz beinhaltet ein Ziel, das meiner Meinung nach zu unterstreichen ist. Wir wollen durch optimales Fördern und Fordern die Menschen aus der Sozialhilfefalle befreien und ihnen mithilfe Sinn stiftender Arbeit aus dem gesellschaftlichen Abseits heraushelfen. Dies ist auch Auftrag der CDU in Rheinland-Pfalz.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kramer, das ist wirklich das, was wir alle wollen - fördern, fordern, Menschen aus der Sozialhilfefalle wieder herausbringen und denen, die das nicht schaffen, besser helfen, als das jetzt der Fall ist. Im Ziel sind wir uns nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Plenum einig.
Ich nenne einen anderen Bereich, nämlich Sozialhilfe als Kredit. Das ist ein Bereich, der noch vertieft werden müsste. Es gibt Kommunen, die das schon hervorragend machen, und es gibt andere Kommunen, die das noch nicht so gut können.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn die Bundesländer untereinander in diesem hochsensiblen Sozialbereich in einen Wettbewerb treten. Herr Kramer, ich finde das gut. Ich schließe mich aber der Einschätzung meines Kollegen von der SPD an. Das, was Herr Koch mit Riesengedöns gefordert hat - Wisconsin II usw. -, waren zum Teil Dinge, die längst selbstverständlich sind und die bei uns längst umgesetzt sind. Er hätte also nicht bis in die USA fliegen müssen, sondern er kann das nächste Mal nach Rheinland-Pfalz kommen. Die Zahlen entsprechen dem.
Einen Punkt sollten wir mit hoher Sensibilität in der Zukunft in den Fokus der Aufmerksamkeit stellen. Das ist die Relation zwischen Aufwand der Sozialhilfeverwaltung und dem Ergebnis. Wir sehen derzeit, dass der Aufwand für die Sozialhilfeverwaltung zunimmt. Das ist ganz klar. Wenn man eine gute Arbeit leisten will, geht das nicht ohne qualifizierte Mitarbeiter. In Zukunft werden wir aber auch im „Best-practise-Sinne“ darauf achten müssen, wie viel Prozent der Sozialausgaben einer Kommune bei den wirklich Bedürftigen ankommen.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang resümiere ich: Vieles ist erreicht, aber es ist noch mehr drin. Es ist noch mehr drin im Bereich der Kontrolle, der Einsparung, aber auch der treffsicheren Unterstützung und der zielgerichteteren Zuwendung.