Ich muss schon sagen, wenn man einmal zusammenfasst, wo wir uns einig sind, dann haben wir keine Gesprächsgrundlage.
Ich sage noch einmal, wir sind uns alle in dem Bemühen einig, ein hohes Maß an Sicherheit für Umwelt und Menschen herzustellen. Im Unterschied zu Ihnen wissen wir aber, dass solche Dinge wohl abgewogen sein müssen, weil das, was ich vielleicht für den Mittelstand durchzusetzen versuche, so, wie Sie es dargestellt haben, bedeutet, dass ich dann gar keinen Mittelstand mehr vorfinde, weil er ausradiert ist.
Es gibt viele Unternehmen, die können Prüfkosten von 30.000 Euro bis 100.000 Euro in der jetzigen Konjunktursituation einfach nicht verkraften. Das ist dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Dann kann man sagen: Pech gehabt. – Das sagen wir nicht. Wir sehen in dem Zusammenhang auch, dass es nicht eine Vielzahl von einzelnen Firmen ist, um die es geht, die nichts miteinander zu tun haben. Es sind Firmen, die miteinander nicht nur im Wettbewerb, sondern auch in den Produktionsabläufen stehen, Zulieferer, die sich gegenseitig bedienen.
Ich greife das auf, was Herr Kollege Keller gesagt hat. Herr Dr. Braun, selbst wenn es nur 15.000 Arbeitsplätze wären, die wegfallen, und wenn nur ein Teil der Firmen wegfiele, von denen wir sprechen, stoßen Sie Entwicklungen an, die nicht mehr zu stoppen sind.
dass Sie diese 19 Verbesserungspunkte entweder nicht gelesen haben oder in einer gewissermaßen autistischen Art und Weise nicht lesen wollen; denn diese 19 Punkte machen die gemeinsame Erklärung erst zu einer gemeinsamen Erklärung. Da sind die ganzen Punkte aufgenommen, die wir hier präsentiert haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal weise ich darauf hin, dass ich sehr dankbar dafür bin, dass wir heute in der Aktuellen Stunde die Chemikalienpolitik besprechen können; denn es gibt kein Bundesland, in dem das Thema eine so große Rolle spielt wie in unserem Bundesland.
Meine Damen und Herren, ich weise gleich zu Beginn darauf hin, dass es nicht um die Frage geht, ob der Verbraucherschutz den höchsten Stellenwert hat. Es geht übrigens auch nicht um die Frage, inwieweit Transparenz einen hohen Stellenwert hat, sondern man steht vor der Frage, wenn man die Gesamtproblematik diskutiert, dass man einerseits dafür zu sorgen hat, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt, und andererseits dafür zu sorgen hat, dass der Verbraucherschutz eine entsprechend angemessene Rolle spielt.
Herr Braun, exakt an der Ecke wird ein Schuh daraus, wenn Sie heute behaupten, dass, nachdem der Ministerpräsident dieses Landes beim Bundeskanzler interveniert habe, der wiederum in Brüssel interveniert habe. Herr Umweltminister Trittin hätte in der Zwischenzeit genügend Zeit gehabt, das Gleiche zu tun. Der Bundeskanzler hat erst dann interveniert, als er intervenieren musste, weil Herr Trittin offensichtlich die Dinge so hat treiben lassen, wie die Dinge getrieben sind. Zur Redlichkeit gehört dazu, das heute in aller Klarheit zu sagen.
Im Übrigen gibt es in der Landesregierung darüber überhaupt keinen Dissens, auch nicht zwischen Frau Conrad und mir. Wir waren neulich gemeinsam in Brüssel und haben dort die Gesamtproblematik gemeinsam mit den betroffenen Akteuren diskutiert. Ich musste feststellen, dass es an der Zeit ist, eine entsprechende Information von der Seite zu betreiben, und dass es wichtig ist, die Gesamtproblematik auf den Tisch zu legen, auch die Dinge, die schlecht handhabbar oder gar nicht handhabbar sind. Eine Verordnung muss handhabbar sein. Das ist das Problem, vor dem wir derzeit stehen.
Lassen Sie mich zu Beginn die überragende Bedeutung der Chemischen Industrie für die Wirtschaftsstruktur von Rheinland-Pfalz an einigen aussagekräftigen Zahlen verdeutlichen. Die Chemische Industrie ist seit Jahrzehnten die Nummer 1 unter allen Industriezweigen. Mehr als 61.000 Menschen – das sind rund 20 % aller Industriebeschäftigten – arbeiten in diesem Bundesland in diesem Bereich. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7,5 %.
Daher sind wir ganz besonders betroffen. Natürlich – in dieser Hinsicht gebe ich Herrn Kollegen Ramsauer Recht – ist es normal, dass sich der Landtag damit beschäftigen muss, und zwar im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie im Interesse der Verbraucher.
Es ist nicht so, dass wir so tun könnten, dass das alles für uns kein Problem wäre. Ihre wahre Geisteshaltung belegen Sie doch immer wieder bei der Frage der Chlorchemie, die natürlich auch besprochen werden muss, und zwar nicht nur unter Sicherheitsaspekten, sondern auch unter Arbeitsplatzaspekten.
Herr Dr. Braun, dass Sie das nicht gern hören, ist mir klar. Aber wir müssen es Ihnen sagen, damit wir redlich miteinander umgehen können und jeder dem anderen die Wahrheit sagen kann. So ist es nämlich. Ich will nicht so weit gehen und davon reden, dass Sie vom Schüren der Ängste der Menschen leben würden. Das versuchen Sie doch immer wieder.
Natürlich ist das ein Problem: Wenn man das Wort „Chemie“ hört, hat man eine bestimmte Assoziation, die man bei anderen Industriezweigen nicht in der Form hat. Es muss aber doch möglich sein, sich darüber redlich
auseinander zu setzen und festzustellen, dass die Chemie auch gute Seiten hat. Was wären wir denn ohne Chemie? Wie weit wäre denn der Fortschritt in diesem Staat ohne Chemie?
Meine Damen und Herren, noch deutlicher wird die Bedeutung bei der Betrachtung des Wertschöpfungsanteils in diesem Bundesland. 30,5 % des Umsatzes im verarbeitenden Gewerbe des Landes Rheinland-Pfalz erwirtschaftet die Chemieindustrie. Damit liegt der Anteil dreimal höher als im Bundesdurchschnitt. Der hohe Exportanteil von Rheinland-Pfalz – damit sind wir Spitzenreiter unter den Bundesländern in der Exportquote – wird maßgeblich von der Chemieindustrie getragen. Noch ein weiteres Kriterium für die Bedeutung liegt in der hohen Innovationskraft der Chemieindustrie. Diese Innovationskraft ist für die Zukunftssicherung des Industriezweigs ausschlaggebend. Darüber hinaus ist er ausschlaggebend für die Innovationskraft einer gesamten Volkswirtschaft. Diese Zahlen belegen sehr deutlich die Bedeutung der Chemischen Industrie für unser Bundesland.
Die EU-Kommission hat mit ihrem Weißbuch zur Strategie für eine künftige Chemikalienpolitik den Anstoß zu einer grundlegenden Neuordnung der gesamteuropäischen Chemikaliengesetzgebung gegeben. Wer die Unübersichtlichkeit und die Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen auf diesem Gebiet kennt, kann dieses Vorhaben im Prinzip nur begrüßen. Es besteht kein Zweifel, dass auch die Landesregierung eine Neuordnung des Chemikalienrechts befürwortet, das die Sicherheit von Mensch und Umwelt erhöhen und den Verbraucherschutz verbessern soll.
Die wesentlichen Ziele, wie die Erhöhung der Transparenz in den Bewertungsverfahren, die Angleichung der Voraussetzungen an Zulassungs- und Bewertungsverfahren für Alt- und Neustoffe sowie die höhere Verantwortung des Herstellers, sind Ziele, die in aller Klarheit die Unterstützung der Chemischen Industrie finden; denn die Chem ische Industrie verweigert sich nicht.
Die bisherigen Beratungen des Weißbuchs im Europäischen Parlament, das wesentliche Anforderungen nachhaltig verschärft hat, und die ersten Umsetzungsarbeiten lassen aber befürchten, dass die unterstützenswerten Ziele durch die Ausgestaltung komplizierter und umfangreicher Verfahren unterlaufen werden. Darin liegt in Wahrheit ein Problem.
Es ist zu befürchten, dass die konkrete Ausgestaltung der Bewertungsverfahren, die nur an die Eigenschaften der Stoffe anknüpfen, den Nutzen der Stoffe oder die Möglichkeiten, durch Schutzmaßnahmen einen sicheren Umgang zu gewährleisten, weitgehend außer Acht gelassen wird. Dieser Verzicht auf die Risikobetrachtung bindet unnötige Ressourcen und verursacht Kosten, ohne dass mit den gewonnenen Daten tatsächlich mehr Sicherheit erreicht werden kann. Es droht die Entstehung von Datenfriedhöfen, die die verantwortlichen Behörden lahm legen werden und damit zur Entscheidungsunfähigkeit und Innovationsblockade beitragen werden.
Weshalb nutzt man nicht die erfolgreichen und praktikablen Verfahren, beispielsweise aus den USA oder Japan, wo der Anfang der Prüfungs- und Kontrollverfahren viel stärker von der konkreten Risikobetrachtung abhängt als von bloßen Stoffeigenschaften? Sie hängen stärker von der Risikobetrachtung ab.
Zwischenprodukte, mit denen nur wenige erfahrene Chemiearbeiter umgehen, lösen beispielsweise deutlich weniger Risiken aus, auch wenn sie hochgefährlichere Stoffe enthalten, als Endprodukte in den Händen von unerfahrenen Verbrauchern.
Auch die möglichen Stoffverbote gefährden Wirtschaftszweige, einzelne Unternehmen und deren Arbeitsplätze, ohne nachhaltigen Schutz vor den Gefahren der Chem ikalien gewährleisten zu können. Insbesondere werden die im Weißbuch geforderten Zulassungsverfahren für jede vorgesehene Anwendung erhebliche Probleme verursachen, da sie alle Weiterverwender betreffen. Dies sind im Regelfall kleine und mittlere Unternehmen, die nur begrenzt in der Lage sein werden, für ihre oft kleinen Mengen aufwendige und kostenintensive Betrachtungen durchführen zu können.
Unklar ist für mich das Verhältnis zwischen den Herstellern von Chemikalien und Anwendern unter den vielen kleinen und mittleren Betrieben der Chemischen Industrie. Sie benutzen Chemikalien des Herstellers und bauen darauf ihren Geschäftszweck auf. Jetzt laufen sie Gefahr, dass der Hersteller dieses Stoffes wegen der hohen mit den Zulassungsverfahren verbundenen Kosten die Produktion der Chemikalien eher aufgibt, als diesen Aufwand zu tragen. Damit wird den nachfolgenden Weiterverarbeitern quasi die Geschäftsbasis entzogen.
Allein dieses Beispiel zeigt, wie viel Unklarheiten und Gefahren für die europäische Chemische Industrie in dem künftigen Regelwerk stecken und wie wichtig es ist, mit Akribie alle Auswirkungen zu überdenken.
Wir haben heute einen hohen Stand der Globalisierung erreicht, der es ermöglicht, jedes Produkt und jeden Stoff in jedem Teil der Welt gleichermaßen herzustellen und in Verkehr zu bringen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Die großen Unternehmen der Chemischen Industrie haben heute Produktionsmöglichkeiten nahezu in allen Teilen der Welt.
Die Entscheidung darüber, wo welches Unternehmen was herstellt, wird in der heutigen Welt eines umfassenden Wettbewerbs im Wesentlichen unter Kostengesichtspunkten getroffen – ob es Ihnen passt oder nicht.
Konzerne wie BASF, Bayer oder andere können heute einen Stoff, dessen Zulassung in Europa durch die bestehenden Gefahren zu teuer wird, ohne Schwierigkeiten in einer Produktionsstätte in Asien oder in Amerika produzieren. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Wer das außer Acht lässt und einseitige kostenintensive Anforderungen an den eigenen Industriezweig stellt, der
wird damit nicht nur die Gefahrenlage verbessern und die Sicherheit erhöhen, sondern er wird letztlich den Industriezweig Chemie, insbesondere für die Großunternehmen, zu Standortverlagerungen drängen.
Meine Damen und Herren, je aufwendiger die Zulassungsverfahren gestaltet werden, umso mehr werden Kosten-Nutzen-Überlegungen zu Betriebsstilllegungen, Produktaufgaben und Innovationsbeschränkungen führen müssen. Die großen Betriebe haben damit weniger zu tun.
Die Arbeitsmarktzahlen sind genannt worden. Es gibt einmal die Bewertung von Brüssel. Zum Zweiten gibt es die Ergebnisse der Chemischen Industrie selbst. Die Chemische Industrie ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass bis zu 20.000 Arbeitsplätze im Bereich der Chemischen Industrie gefährdet werden könnten, wenn innerhalb der EU die vorgesehenen Neuordnungspläne für die Chemische Industrie in der stringenten Form und die Regelung über die Einführung von Emissionszertifikaten zum Tragen kommen.
Meine Damen und Herren, das bedeutet, dass nahezu jeder dritte Arbeitsplatz in Rheinland-Pfalz in diesem Bereich gefährdet ist. Auch das muss man sich einmal zu Gemüte führen.
Während die EU-Kommission selbst von vergleichsweise beherrschbaren Kosten in Höhe von rund 2 Milliarden Euro über zehn Jahre ausgeht, haben die Untersuchungen der Industrie selbst Kosten von mehr als 8 Milliarden Euro ergeben. Allein die BASF rechnet mit rund 500 Millionen Euro Kosten in den nächsten zehn Jahren bei der Erfüllung dieser Anforderungen.