denn sonst ist das eine Sache, die ins Bodenlose führt. Ich glaube, dass wir unabhängig von den Ergeb
nissen, zu denen wir kommen, an dieser Überzeugung festhalten müssen, dass es zu dem Rechtsgut des Lebens, der Würde und der Unantastbarkeit kein Konkurrenzverhältnis zu einem anderen Rechtsgut gibt.
Herr Böhr, vielen Dank für Ihre Einführung in die Kommunikationstechniken. Es tut mir Leid, ich kann Sie nicht so einfach herauslassen.
Frau Kollegin Thomas, um der Gefahr zu entgehen, falsch oder nur im Detail zitiert zu haben, was Sie unterstellen, darf ich mit Ihrer Erlaubnis den ganzen Passus vorlesen, den Sie geschrieben haben und den Herrn Dr. Böhr gut findet.
Angesichts der in der Stammzellenforschung noch offenen Fragen bezüglich der Geeignetheit, der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und dem therapeutischen Nutzen sind die ethisch weniger problematischen Mittel, wie die Forschung an adulten Stammzellen aus Nabelschnurblut, aus embryonalen Keimzellen von Föten nach induziertem oder spontanem Abort oder tierischen Zellen vorzuziehen. Muss ich dazu noch mehr sagen?
(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es ging doch nicht um das Zitat! Das habe ich doch geschrieben! Es ging um Ihre Interpretation, Herr Schmitz!)
Herr Dr. Böhr, auf den Kern Ihrer Argumentation eingehend, halte ich es nicht für akzeptabel, sich in einer Diskussion um konkurrierende Güter auf eines dieser konkurrierenden Güter in der Art und Weise zurückzuziehen, wie Sie es tun. Ich habe es schon gesagt. Es ist für diese eine Frage konsequent und richtig. Es ist nicht sachgerecht, was die Gesamtproblematik angeht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die Landesre
gierung die sehr sachliche Debatte sowohl in der heutigen Sitzung als auch in der letzten Beratung im Parlament begrüßen, die nicht nur im Landtag, sondern auch im Bundestag und darüber hinaus gesamtgesellschaftlich in den Medien und in verschiedenen anderen Gremien geführt worden ist. Sie hat damit den Vorteil mit sich gebracht, dass innerhalb der gesamten Gesellschaft über dieses Problem der Stammzellenforschung und alles, was damit zusammenhängt, diskutiert worden ist.
Damit ist der breiten Öffentlichkeit überhaupt erst bewusst geworden, was innerhalb der Forschung derzeit gedacht und unternommen wird. Damit konnte die große Öffentlichkeit an diesen Bestrebungen teilnehmen und sich ein Bild davon m achen.
Ich habe in der Debatte häufig festgestellt, dass durchaus eine große Unsicherheit darüber besteht, was der eine oder andere Begriff bedeutet. Auch das war sicherlich ein Gewinn dieser Debatte, dass jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bewusst ist, was man eigentlich mit der Stammzellenforschung bezweckt und mit einem Kürzel wie PID ausdrücken und unter therapeutischem Klonen verstehen will, wobei dieser Begriff schon sehr schillernd ist und es vielleicht lohnend wäre, sich mit ihm näher auseinander zu setzen.
Frau Kollegin Thomas, man wird sicherlich schnell einig sein, wenn man sagt, therapeutisches Klonen ist bedenklich, wenn zielgerichtet hierfür Embryonen erzeugt werden sollen. Es sind auch andere Formen von therapeutischem Klonen denkbar. Insofern wäre es vielleicht zu kurz gegriffen, wenn man es einfach vom Tisch wischen würde.
Frau Kollegin Thomas, Sie haben zu Recht betont, dass es Einigkeit darüber gibt, dass Embryonen Lebensschutz genießen sollten, auch verfassungsrechtlich abgesicherten Lebensschutz.
Herr Kollege Böhr, ich bin nicht dafür, mich auf die Diskussion einzulassen, wie Sie es auch andeuteten, dass man plötzlich beginnt, den Beginn des Lebens in verschiedenen Stufen zu definieren. Das teile ich nicht. Ich meine, dass die Embryonen Lebensschutz genießen, und bin auch einer Meinung mit den Mitgliedern der Bioethik-Kommission des Landes.
Ich teile aber Ihrer beider Auffassung nicht, wenn Sie sagen, dass Embryonen und der sich daraus ergebende Lebensschutz einen umfassenden und nie tangierten Lebensschutz genießen. Insoweit teile ich zum Beispiel die Meinung des Verfassungsrechtlers Roman Herzog, des ehemaligen Bundespräsidenten, der auch darauf hingewiesen hat, dass das Grundgesetz selbst im Artikel 2 eine Öffnung vorhält.
Ich meine, wenn man in dieser Debatte abwägt, wo und an welcher Stelle vielleicht, ohne die Würde des Embryos zu tangieren, der Lebensschutz zurückgenommen werden könnte, ist das der Zeitpunkt, bei dem wir bereits heute entscheiden, dass der Lebensschutz sein Ende findet, weil wir die Kühlkette abschalten.
Wenn die Kühlkette abgeschaltet wird, weil es nämlich nicht mehr zur Implantation kommen soll, und damit die
Embryonen auf jeden Fall absterben werden, meine ich, dass zu der Verfolgung hochrangiger Ziele, wie der Erforschung eventueller Heilungsmöglichkeiten für andere, eine Stammzelllinie zur Forschung gewonnen werden kann, bevor es zum vollständigen Absterben kommt.
Herr Kollege Böhr, ich meine, dass dieser Zeitpunkt sehr wohl definiert werden kann und zu diesem Zeitpunkt die Würde des Embryos nicht mehr angetastet wird. Man lässt den Embryo nicht absterben, sondern gewinnt zunächst einmal eine Stammzelle, um daraus Heilungserkenntnisse für andere Krankheiten zu gewinnen.
Frau Kollegin Thomas, Wissenschaftler, die wir angehört haben, haben uns gesagt, dass mit adulten Stammzellen nicht unbedingt die gleichen Ergebnisse erzielt werden können. Um das feststellen zu können, sollte auf jeden Fall eine vergleichende Forschung möglich sein, sodass von daher zumindest vorübergehend die Forschung ermöglicht werden sollte.
Dies ist aber eine Frage, die heute nicht mehr entschieden werden muss, weil im Bundestag ein Gesetz auf den Weg gebracht worden ist, mit welchem die Stammzellenforschung auch in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht wird, weil wir erlauben, dass Stammzellen, die woanders auf dieser Welt gewonnen wurden, eingeführt werden. Das müssen wir auch tun – Frau Kollegin Thomas, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen –, weil diese Stammzellen keinen Grundrechtsschutz mehr genießen und damit für uns nicht begründbar wäre, diesen Import letztlich zu verbieten.
Ich bin nicht der Meinung, dass wir mit diesem Gesetz am Ende der Debatte sein werden; denn die Stammzellenforschung wird zu irgendwelchen Ergebnissen führen. Diese Ergebnisse werden es unter Umständen notwendig machen, dass wir uns erneut mit der Frage befassen, ob wir die Erkenntnisse, die gewonnen wurden, auch tatsächlich im Einzelfall anwenden können.
So, wie das Gesetz konstruiert worden ist, hat es aus meiner Sicht an der einen oder anderen Stelle durchaus auch Schwachstellen. Es ist nicht ganz einfach, die strafrechtliche Regelung nachzuvollziehen. Danach soll ein deutscher Forscher, der in den USA nach dort erlaubten, aber bei uns verbotenen Regeln forscht, straffrei bleiben. Derjenige, der von hier aus grenzüberschreitend mit denen kooperiert, macht sich strafbar. Das ist für mich nicht transparent. Insofern wird es sicherlich notwendig sein, auch in Zukunft über diese Dinge zu sprechen und sich mit ihnen im Einzelnen auseinander zu setzen.
Ich meine, dass der gefundene Kompromiss im Bundestag eine geeignete Grundlage ist, um in den nächsten Jahren die Forschung auf diesem Gebiet zu betreiben. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich die Landesregierung am nächsten Dienstag mit diesem Gesetz im Hinblick auf die Beratung im Bundesrat befassen und letztendlich zu dem Ergebnis kommen wird, dass wir dem Gesetz zustimmen werden, weil damit die Forschung ermöglicht wird, aber auch die Bedenken, die von vielen argumentiert werden, in diesem Gesetz be
rücksichtigt werden. Damit werden wir auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens in der Bundesrepublik Deutschland die Forschung ermöglichen.
Ich gehe jedoch davon aus, dass mit diesem Gesetz die Debatte nicht beendet sein wird, sondern wir uns in immer kürzeren Zeitabständen mit den Ergebnissen der Forschung beschäftigen müssen und insoweit dieses nur ein wichtiger Zwischenschritt gewesen ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Gedanken zu dieser Debatte zum Stammzellengesetz sagen. Das Stammzellengesetz ist meiner Ansicht nach ein sehr guter Kompromiss. Es achtet die Würde des Menschen und den Schutz des Lebens, erkennt die Freiheit der Wissenschaft und den Nutzen wissenschaftlicher Arbeit an. Das Stammzellengesetz sagt ganz klar, dass es keine verbrauchende Embryonenforschung geben wird. Es ist für mich auch keineswegs der Wegbereiter für einen Dammbruch, sondern es ist ein Bollwerk, eine weitere Verfestigung eines Damms. Es regelt einen neuen Raum und ist eine gute Ergänzung zum Embryonenschutzgesetz.
Auch das Embryonenschutzgesetz ist für mich ein gutes Beispiel, dass es sehr wohl möglich ist, Kontrolle auszuüben und dafür zu sorgen, dass man ethisch hoch sensible Bereiche schützen kann. Das hat uns das Embryonenschutzgesetz meiner Ansicht nach gezeigt.
Ich möchte noch etwas zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anmerken. Mir ist aufgefallen, dass Sie in Ihrer Sprache zur wissenschaftlichen Arbeit gern mit Vokabeln und Begriffen arbeiten wie „scheinbare Euphorie“ oder „schnelle Erfolge“. Ich denke, dass das nicht ganz richtig ist. Mit diesen Attributen, die eigentlich über wenig fundiertes Vorgehen der Wissenschaft Aussage treffen würden, werden sie der Wissenschaft nicht gerecht. Gerade die deutsche Forschungslandschaft hat es nicht verdient. Es war die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die ihren Antrag von der Entscheidung des Bundestags abhängig gemacht hat. Ich finde, es ist wirklich an der Zeit, von dieser Stelle aus der deutschen Forschung dafür zu danken, dass sie sich zurückgenommen hat und wartet, bis der Bundesrat entscheidet.
Dann möchte ich noch etwas zu den Anträgen der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anmerken. Wir konnten in der Vergangenheit bei der gentechnischen Debatte beobachten, dass die einzelnen Themenbereiche, Biomedizin und Stammzellen
forschung, PID und auch therapeutisches Klonen eigenständig behandelt worden sind. Sie haben vorhin gesagt: Im Ausland ist das anders. – Aber in Deutschland ist das so der Fall. Es war auch so auf Bundesebene. Ich persönlich meine, hier fließt sicherlich die Erkenntnis ein, dass die einzelnen Themenbereiche schon so vielschichtig und komplex sind, dass wir sie einzeln behandeln sollten. Ich finde es nicht richtig, dass sie versuchen, in dem Antrag Stammzellenforschung und PID gemeinsam zu verabschieden.
Es sind Themenfelder, die wir eigenständig betrachten, diskutieren und abwägen sollten. Das haben auch die von diesen Themenbereichen Betroffenen durchaus verdient. Es wird auch auf Bundesebene so gehandhabt. Im Übrigen haben wir auch hier im Parlament durch die Entscheidung für die Anhörung zur PID eigentlich auch schon eine andere Weichenstellung getroffen. Ich denke, dieser Weichenstellung sollten wir treu bleiben und PID und Stammzellenforschung voneinander trennen.
Ich finde, der von den Fraktionen SPD und FDP vorgelegte Antrag setzt sich in der gebotenen Ausführlichkeit mit der Stammzellenforschung auseinander. Er orientiert sich in wesentlichen Punkten am deutschen Stammzellengesetz, er respektiert die Würde des Menschen und das Embryonenschutzgesetz, er verbindet den Schutz des Lebens, die Ethik des Heilens und die Freiheit der Forschung.
Die SPD hat in den vergangenen Wochen das Gespräch mit den anderen Fraktionen gesucht. Dieses konsensorientierte Vorgehen werden wir auch bei einer etwaigen Beratung in den Ausschüssen fortsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zu zwei Punkten noch einmal kurz reagieren und Stellung nehmen.