Niemand hat die Moral für sich gepachtet, wie es der Ethiker Maio vor kurzem in der „Deutschen Medizini
schen Wochenschrift“ in einem Aufsatz zum Thema „Welchen Respekt schulden wir dem Embryo“ formuliert hat. Ich darf zitieren: „Die Frage des Umgangs mit Embryonen kann nicht als eine Frage nach der einen Wahrheit betrachtet werden. Auf der Grundlage der unterschiedlichen Begründungsmuster stehen sich auch unterschiedliche Wahrheiten gegenüber.“
Als den Auftrag der Politik hat er dabei herausgearbeitet, darüber nachzudenken und dann zu entscheiden, „auf welche Inhalte sich eine Gesellschaft verständigen kann, auch wenn sie über kein einheitliches konsensfähiges Begründungsmodell verfügt.“ Er fragt: „Worin liegt die gemeinsame Basis, die Schnittmenge, die von beiden Wahrheitszugängen akzeptiert werden kann?“
Konkret für uns: Die Aufgabe des verantwortlichen Gesetzgebers im Fall der Forschung an embryonalen Stammzellen ist es, zwischen dem gebotenen Respekt vor dem Embryo, auch dem In-vitro-erzeugten und schließlich als überzählig tiefgefroren gelagerten bzw. dann „verwaisten“ Embryo auf der einen Seite und dem möglichen, auch mittelbaren Einsatz der daraus gewonnenen Zelllinien zur Heilung von schwerstkranken Patienten auf der anderen Seite abzuwägen.
Es gibt nicht nur den grundrechtlichen Lebensschutz und die grundrechtliche Menschenwürde des Embryos, sondern auch die Menschenwürde und den Lebensschutz schwerstkranker Menschen.
Nicht zuletzt gibt es auch die theoretisch unbeschränkte Freiheit von Forschung und Wissenschaft, die grundgesetzlich garantiert ist. Alle bisherigen Forschungen mit humanembryonalen Stammzellen haben das große Potenzial dieser pluripotenten Variante der Stammzellen gezeigt. Darüber besteht in der Wissenschaft weitgehend Einigkeit. Mithilfe der pluripotenten Stammzellen könnten tatsächlich neue therapeutische Wege für bislang noch nicht oder schwer heilbare Krankheiten beschritten werden. Das Spektrum dieser Krankheiten umfasst neben Parkinson, Alzheimer und Diabetes unter anderem chronische Herz-, Nieren- und Lebererkrankungen, aber auch Rückenmarksverletzungen oder multiple Sklerose.
Dieses Potenzial haben die nur noch multipotenten, also die erwachsenen, die fetalen und die natalen Stammzellen aus sich heraus nicht in gleichem Maße, weil Vermehrbarkeit und Differenzierungsfähigkeit dieser Stammzellen mit fortschreitender Entwicklung des Embryos zunehmend eingeschränkt werden.
Erst mit der notwendigen Grundlagenforschung an allen Arten der Stammzellen können die molekularbiologischen Rahmenbedingungen und Faktoren für Vermehrbarkeit und vor allem für die Differenzierungsprozesse ausreichend verstanden werden. Damit kann unter Umständen dann irgendwann auch auf embryonale Stammzellen verzichtet werden, weil dann adulte Stammzellen in derselben Weise gezielt manipuliert werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Debatte des letzten Jahres ist immer wieder als zentraler Punkt auf die Schließung der Regelungslücke im deutschen Embryonenschutzgesetz hingewiesen worden, das zwar jede Gewinnung von Stammzellen aus der totipotenten frühembryonalen Plastozyste verbietet, weil sie mit dem Absterben des Embryos verbunden ist, aber andererseits bis dato den Import der nur noch pluripotenten, also nicht zu Menschen entwicklungsfähigen embryonalen Stammzellen nicht geregelt hat. Das sind Zellen und Zelllinien, aus denen sich kein vollständiger Mensch, sondern nur noch differenziertes Zellgewebe entwickeln kann. Die deutschen Forscher und die deutschen Forschungseinrichtungen haben diese Lücke nicht ausgenutzt, sondern aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung heraus geduldig die Entscheidung des Gesetzgebers abgewartet.
Es ist jetzt erst vier Jahre her, dass es dem amerikanischen Forscher Thomson und seinen Mitarbeitern, 18 Jahre nach der erstmaligen Gewinnung von Stammzellen aus Mausembryonen, gelungen ist, pluripotente Stammzellen aus der inneren Zellmasse der Plastozyste zu isolieren und zu vermehren. Damit erhielt die Forschung mit menschlichen Stammzellen aus dem erwachsenen Körper, mit Stammzellen aus fetalen Keimzellen und aus Nabelschnurblut einen vorher kaum für möglich gehaltenen Auftrieb.
Als das Embryonenschutzgesetz Ende der 80er-Jahre konzipiert wurde, waren viele Fortschritte, viele neue Techniken der Biomedizin und insbesondere der Fortpflanzungsmedizin noch gar nicht absehbar. In welch riesigem Umfang sich die wissenschaftlichen und technisch praktischen Möglichkeiten der so genannten Reproduktionsmedizin in den zweieinhalb Jahrzehnten auch im Bezug auf den Menschen und nicht nur in der Tierzucht entwickelt haben und in welchem Umfang ihre Anwendung schon alltäglich geworden ist, wie sehr sie jetzt schon und in der Zukunft in Verbindung mit der Genforschung in den wohlhabenden Ländern kollektive Lebensplanungen und Biographien verändern wird, war am Anfang so auch nicht zu erkennen.
Ebenfalls nicht vollständig abzuschätzen für die Väter und Mütter des Embryonenschutzgesetzes war auch die Frage des internationalen Forschungsverbunds in diesen Disziplinen und seine Auswirkung auf das Handeln bzw. die Handlungsmöglichkeiten deutscher Forscher. Wie wäre es denn überhaupt denkbar, die deutsche Forschung und in letzter Konsequenz die medizinische Therapie in Deutschland von dem riesigen Strom von Erkenntnissen der internationalen Forschung an embryonalen Stammzellen abzuschotten? Wer wollte in einigen Jahren beispielsweise einem deutschen Parkinsonpatienten das unter Umständen aus embryonalen Stammzellen gewonnene Zellpräparat verweigern, das seine Krankheit zu lindern, aufzuhalten oder zu heilen vermag?
Aus all dem folgt für uns die ganz grundsätzliche Erwägung: Jede gesetzliche Regelung kann nur eine Regelung auf Zeit, auf dem gegenwärtigen bzw. gegenwärtig absehbaren Erkenntnisstand sein. Mit jeder grundsätz
lich neuen Forschungserkenntnis stellen sich neue ethische, rechtliche und politische Fragen. Die Abwägung unterschiedlicher Rechtsgüter, die heute noch zu vernünftigen Ergebnissen führt, kann übermorgen schon nicht mehr haltbar sein. In jede gesetzliche Regelung sollte deshalb nach unserer Sicht von vornherein eine Überprüfung bzw., wie jetzt im Stammzellgesetz vorgesehen, eine Berichtspflicht eingebaut werden. Entscheidungen von heute müssen so angelegt sein, dass sie auch morgen noch rückholbar sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es, wie eingangs betont, „die“ einzige Wahrheit in diesen ethischen Fragen nicht gibt, folgt für uns konkret daraus, dass es bei aller christlichen Fundierung unserer Verfassungsordnung nicht unsere Aufgabe sein kann, den gegenwärtigen Stand der theologischen Auffassung vom Menschsein des Embryos von Beginn, also von der Verschmelzung von Ei und Samenzelle in aller Unbedingtheit zur Grundlage des rechtlichen Embryonenschutzes zu machen. Schließlich hat sich die Auffassung der Kirchen vom Beginn des Lebens über die Jahrhunderte erst allmählich von dem Moment der Geburt, über den 40. Tag nach der Empfängnis und die Einnistung des Embryos hin zu der Festlegung auf den Moment der Befruchtung zurück verlagert.
Dass dem Embryo nach herrschender Rechtsmeinung von Beginn an Menschenwürde und Lebensschutz zukommt, bedeutet nicht, dass dieser Schutz uneingeschränkt gegenüber anderen Grundrechten gilt. So erfährt auch schon bisher im normalen Strafrecht der Lebensschutz des eingenisteten Embryos Einschränkungen durch den Lebensschutz der Mutter. Der Lebensschutz und die Menschenwürde des lebenden Menschen, des sterbenden, des hirntoten und des toten Menschen finden gewisse gesetzliche Einschränkungen.
Diese Frage ist im Stammzellengesetz gar nicht zu entscheiden bzw. zu entscheiden gewesen, weil Grundlage und Ziel des Gesetzes ist, dass für die embryonale Stammzellenforschung in Deutschland keine Embryonen getötet werden dürfen. Das ist auch unsere Auffassung. Aber noch einmal: Stammzellen sind keine Embryonen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach über einem Jahr intensivster Debatte, ausgelöst durch den Antrag der Bonner Forscher Brüstle und Wistler, die humane, embryonale Stammzelllinien aus Israel für ihre Forschungsvorhaben importieren wollten, hat der Deutsche Bundestag am 25. April mit deutlicher Mehrheit das Stammzellengesetz verabschiedet. Dieses Gesetz verbietet grundsätzlich den Import solcher Stammzellen. Es geht dabei vom Grundsatz aus, dass die Gewinnung solcher menschlicher embryonaler Stammzellen in Deutschland selbst durch das Embryonenschutzgesetz bisher schon verboten ist und für die deutsche Stammzellenforschung auch im Ausland keine weiteren Embryonen verbraucht werden sollen. Es lässt den Import nur unter ganz strengen Vorbedingungen zu, insbesondere einer Stichtagsregelung für die Herstellung der Stammzelllinien und nach einem Genehmigungsverfahren, an dem auch eine zentrale Ethikkommission beteiligt ist.
Diese gesetzliche Nein-Aber-Regelung, die der Regelung beim Schwangerschaftsabbruch nachempfunden ist, steht Ende Mai im Deutschen Bundesrat zur Mitentscheidung an, wenn auch als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz.
Auch in unserer Fraktion und in der Koalition haben wir viele offene und intensive Debatten über diese Fragen geführt und uns in einem völlig offenen Diskussionsprozess anhand unterschiedlich weitgehender bzw. restriktiver Positionspapiere nahezu einmütig auf die Unterstützung der Position der Bundestagsmehrheit verständigt. Das gilt umso mehr, als die allermeisten Reaktionen auf diese Nein-Aber-Regelung des Bundestags sowohl aus der Forschung, der Rechtswissenschaft, der Ethik und der Politik darauf hindeuten, dass die in einem nachvollziehbaren Abwägungsprozess getroffene Entscheidung der Politik geeignet ist, erstens Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen und zweitens einen tragfähigen Rahmen für die Grundlagen von Forschung abzugeben.
Nach einer ganzen Reihe von vorausgegangenen zum Teil völlig gegensätzlichen Entscheidungen, Empfehlungen zum Beispiel der Bundestagsenquetekommission und des nationalen Ethikrats, unterschiedlicher Ausschüsse des Deutschen Bundestags, der rheinlandpfälzischen Bioethikkommission, aber auch zum Beispiel der Gremien der Spitzenforschung oder der Bundesärztekammer wäre mit dieser Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden schon sehr viel gewonnen. Dazu sollten wir mit unserer Entscheidung beitragen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, das war eine sehr gute Debatte, die wir in den letzten Monaten zu dieser Frage der Bioethik, der Forschungsfreiheit, des Embryonenschutzes erlebt haben. Ich füge dieser Bemerkung eine zweite hinzu. Das ist eine sehr persönliche Bemerkung. Sie gibt auch das Meinungsbild der großen Mehrheit meiner Fraktion wider. Ich finde, das Ergebnis, das eine große parteiübergreifende Mehrheit im Deutschen Bundestag beschlossen hat, ist ein ausgesprochen reflektiertes und gutes Ergebnis.
Diese Debatte ist meines Erachtens auch deswegen ermutigend, weil sie gezeigt hat, dass solche Diskussionen in unserer Gesellschaft etwas bewegen können. Das Bewusstsein für die Probleme und auch die Schwierigkeiten, mit denen wir es hier zu tun haben, ist nach meinem Eindruck durch diese Diskussion geschärft worden. Gleichzeitig hat diese Diskussion keinesfalls bewirkt, dass die Positionen, die es in der Gesellschaft
gibt und die natürlich unterschiedliche Positionen in einer pluralistischen Gesellschaft sind, sozusagen immer unversöhnlicher gegeneinander stehen, sondern sie hat nach meinem Eindruck genau das Gegenteil bewirkt, dass diese parteiübergreifende Mehrheit – beispielsweise in der gesetzgebenden Körperschaft, im Deutschen Bundestag – größer geworden ist. Von daher meine ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich finde, das muss man bei der Gelegenheit auch einmal sagen.
Frau Kollegin Thomas hat sicher Recht, wenn sie eben bemerkt hat, dass wir keinesfalls am Ende dieser Diskussion stehen, sondern dass wir uns mitten in einer Debatte befinden unabhängig von der Frage – Herr Kollege Dr. Schiffmann, das gehört zu den Dingen, bei denen wir uns im Ergebnis dann doch unterscheiden und sicher auch in Zukunft unterscheiden werden –, dass ich nicht glaube, dass sozusagen der Gesetzgeber in diesen sehr elementaren, geradezu existenziellen Fragen der Entwicklung immer hinterher laufen muss. Ich glaube, dass es Fragen gibt, die man schon mehr oder weniger ein für allemal entscheiden und damit auch beschließen kann und beschließen muss.
Das entspricht im Übrigen auch meinem schlichten Verständnis unserer Verfassung, die auch einen Teil umfängt – am Anfang jedenfalls –, der nicht der politischen Disposition anheim gestellt ist. Über diesen Teil reden wir im Zusammenhang dieser Fragestellungen der Bioethik, des Embryonenschutzes, des Lebensschutzes im Allgemeinen und der Forschungsfreiheit im Besonderen.
Ich will zunächst eine Bemerkung machen, weil heute die Diskussion auch so eine Art Würdigung dieser Debatte der letzten Wochen und Monate ist. Wir haben heute nicht zu entscheiden. Wir haben übrigens auch nach Beratung in den Ausschüssen in der Sache so gut wie nichts zu entscheiden. Es ist aber nicht nur unser gutes Recht, sondern schon eine vornehme Aufgabe auch dieses Parlaments, ein so wichtiges Thema gleichsam in einer Nachbereitung noch einmal zu reflektieren. Ich will also erstens eine Bemerkung zu einer Argumentation machen, die weite Strecken dieser Diskussion geprägt hat. Diese Diskussion lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es wird zum Ausdruck gebracht, als wenn es vermeintlich im Kern darum ginge, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Darum geht es natürlich auch. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube aber, dass es im Kern dieser Diskussion nicht um eine Abwägung von Chancen und Risiken geht, sondern um etwas anderes, nämlich dass es im Kern darum geht, dass wir uns klar machen müssen, welchem Bild vom Menschen wir in unseren politischen Entscheidungen folgen.
Damit bin ich übrigens bei dem Teil unserer Verfassung, der der so genannten Ewigkeitsgarantie unterliegt und der uns nicht sozusagen zur politischen Entscheidung täglich an die Hand gegeben ist. Welchem Bild vom Menschen folgen wir in dem, was wir politisch für richtig halten, und in dem, was wir politisch entscheiden? Ich glaube überhaupt – das knüpft übrigens an die Diskussion von eben an –, dass wir uns wieder neu vor Augen
führen müssen, dass das vielleicht die höchste kulturelle Leistung ist, die eine Gesellschaft erbringen kann, dass sie ein solches übereinstimmungsfähiges Bild vom Menschen hat. Das braucht sie übrigens auch. Herr Kollege Dr. Schiffmann, deswegen ist das mit der einen Wahrheit oder der Infragestellung der einen Wahrheit nicht ganz so einfach, sondern schon ein Problem. Eine Gesellschaft, die sich nicht mehr in einem gemeinsamen Bild vom Menschen wiederfindet, läuft sehr schnell Gefahr, sich sozusagen als Gesellschaft aufzugeben. Deswegen stelle ich das auch bewusst an den Anfang meiner Überlegungen, die sozusagen im Nachhinein ein Stück Nachbetrachtung der Diskussion der letzten Wochen und Monate sind; denn von dieser Frage, welchem Bild vom Menschen wir als einer grundlegenden und zugleich übereinstimmenden Beschreibung unseres gemeinsamen Standpunkts folgen, hängt entscheidend ab, welche Schutzwürdigkeit unserer Meinung nach der Mensch beanspruchen kann und damit besitzt.
An dieser Frage entscheidet sich bei diesem Thema meines Erachtens alles. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es in unserer Gesellschaft auf diese Frage unterschiedliche Antworten gibt. Sie wird nicht einheitlich beantwortet, und sie wird schon gar nicht übereinstimmend beantwortet. Ich finde aber, es führt kein Weg an dieser Frage vorbei, welchen Rang, welche Schutzwürdigkeit das menschliche Leben hat entsprechend der Antwort, die wir auf diese Antwort nach dem Rang des menschlichen Lebens finden, und zwar gerade dann, wenn es von der so genannten Norm abweicht – Sie haben die Fälle genannt, die jeder von uns in dieser Diskussion nennt –, also von der Norm abweicht in dem Sinn, dass wir von Formen des menschlichen Lebens reden, die beispielsweise nicht das Bewusstsein oder gar das Selbstbewusstsein haben wie ein Mensch, der gesund mitten im Leben steht.
Das ist die Phase ganz am Anfang. Aber das sind natürlich auch verschiedene mögliche und in jedem Krankenhaus zu beobachtende Phasen am Ende des Lebens. Es sind bestimmte Erkrankungen, die dazu führen. Es sind komatöse Zustände, was auch immer. Ich bin kein Mediziner. Ich nehme an, dass gleich Herr Peter Schmitz reden wird, der davon sehr viel mehr versteht als ich. Ich will nur sagen, daran entscheidet sich unsere Antwort auf diese Frage, weil eines nicht geht, dass wir unterschiedliche Erscheinungsformen des einen und gleichen menschlichen Lebens unterschiedlich in seiner Schutzwürdigkeit beurteilen. Das geht nicht. Das ist der Punkt.
Deswegen ist diese Frage von einer so zentralen Bedeutung. Sie muss diesen Phasen ganz am Anfang des menschlichen Lebens und ganz am Ende des menschlichen Lebens standhalten. Nun hat der Gesetzgeber kürzlich mit einer großen und überwältigenden Mehrheit eine sehr klare Anwort auf diese Frage gegeben. Diese Antwort, die auch meine ist, lautet: Menschliches Leben ist ohne jede Abstufung, egal in welcher Phase seiner Entwicklung es sich befindet, und damit hat menschliches Leben unabhängig von der Frage, in welcher Pha
Das ist die Antwort, die unsere Anwort ist. Von dieser Antwort hängt dann alles ab. Wie begründen wir das? Sie haben auf die Schwierigkeit hingewiesen, das zu begründen. Wir begründen es natürlich durch unsere Überzeugung. Diese Überzeugung ist im Kern eine religiöse Überzeugung. Es hat überhaupt keinen Sinn, das sozusagen irgendwie vergessen machen zu wollen. Die Überzeugung, die uns zu dieser klaren Antwort führt, ist im Kern eine religiöse Überzeugung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sie ist natürlich aber weit mehr. Sie ist eben nicht nur eine religiöse Überzeugung in dem Sinn, dass man da ein Privatbekenntnis für irgendeine religiöse Neigung, die man in sich verspürt, ablegt; denn die Alternative, die man betrachten muss, ist ausgesprochen aufschlussreich. Die Alternative zeigt, dass es sich eben um weit mehr als „nur“ um eine religiöse Überzeugung handelt. Wenn menschliches Leben nicht von Anfang an in seiner unverminderten und unantastbaren Schutzwürdigkeit besteht, sondern entsprechend diesem Phasenmodell, an das Sie erinnert haben, das es aus der Geschichte und in der aktuellen zeitgenössischen Diskussion gibt, dann muss es natürlich irgendjemand geben, der mit letzter Autorität entscheidet, wann welche Phase beginnt. Das können nur Menschen sein. Da es nur Menschen sein können, die beispielsweise sagen „ab dem Zeitpunkt der Nidation“, bin ich mir übrigens sicher, dass uns irgendwann die Forschung eine andere Antwort anbietet und sagt, der Zeitpunkt der Nidation ist eigentlich gar nicht der, den wir bisher sozusagen in seiner Bedeutung immer gesehen haben, wir nehmen einen anderen Zeitpunkt der biologischen Entwicklung des Menschen an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich auf diesen Weg begibt, kommt nicht umhin, sich selbst eingestehen zu müssen, dass wir über die Frage, wann das menschliche Leben beginnt und wann seine Schutzwürdigkeit beginnt, in dem Sinn entscheiden, dass Menschen über das Leben Dritter entscheiden. Ich halte das nun wirklich für eine – zu Ende gedacht – geradezu abenteuerliche Vorstellung; denn wohin das führt, muss ich in diesem Zusammenhang nicht erläutern. Diese Vorstellung ist keineswegs neu. Ich will nur sagen, dieses Denken führt nach meiner festen Überzeugung in die Irre. Es ist uns nicht gegeben, als Menschen über das Leben und die Existenz Dritter zu entscheiden. Diese Frage im Sinn einer in unsere Disposition gestellte Frage eine Antwort zu finden, ist keine Missachtung der Rechte und der Hoffnungen zum Beispiel kranker Menschen. Die Äußerung des Kollegen Dr. Schiffmann ist eben auch wieder mit großem Beifall bedacht worden. Ich kann dieses Denken sehr gut nachvollziehen nach dem Motto: „Was wäre, wenn?“
Ich will jetzt einmal davon absehen, dass es wirklich ein Argument der Natur „Was wäre, wenn?“ ist. Kein erns thafter Wissenschaftler gibt Ihnen heute eine begründete Aussicht, dass sich diese Hoffnung erfüllt, dass durch die Forschung an embryonalen Stammzellen das Medikament gegen Parkinson gefunden wird. Es ist aber ein