Protocol of the Session on February 17, 2006

(Schmitt, CDU: Das gehört auch nur an diese Stelle!)

Da gehört es auch hin.

Wie gesagt, wir sind jetzt zum ersten Mal damit beschäftigt worden, weil eine Pressenachfrage bei uns eingegangen ist. Sie können der Presse nicht sagen: Wir wissen von nichts.

Wir haben uns dann erkundigt, was los sei und um was es gehe. Dann kam das Gespräch.

Ich will ganz klar sagen, dass ich seit gestern eigentlich intensiver mit dem Fall beschäftigt bin, weil der Erste Beigeordnete ein Bediensteter des Innenministeriums ist, was ich bis gestern nicht wusste.

(Schweitzer, SPD: Sie haben aber auch ein Pech!)

Der Erste Beigeordnete ist bei mir im Büro erschienen und hat gesagt, er wolle mir das mitteilen, und erklärt, er trete von seinem Amt wegen dieser Angelegenheit zurück.

(Schweitzer, SPD: Ah ja!)

Ich habe ihn gebeten, er solle nicht zurücktreten, er solle das Amt weiter ausüben, weil ich den Mitarbeiter kenne, der ein sehr fähiger und loyaler Mitarbeiter ist und seit über drei Perioden in diesem Haus beschäftigt ist.

Er hat mir gesagt, er halte das im Endeffekt nicht aus, weil er jetzt eine Entscheidung treffen solle, dass das Organ Gemeinderat nicht damit zu beschäftigen ist. Er hat sich diese Rechtslage mittlerweile vermitteln lassen.

Er muss dann entsprechend tätig werden. Er sagt, der Druck sei im Gemeinderat zu groß, eine Entscheidung zu treffen, die nicht nach Recht und Gesetz wäre.

Ich sage nachher noch etwas zu der Analogie dieser Mitteilung, die wir von uns gegeben haben. Nur deswegen kenne ich die Beschlussvorlage des Gemeinderats. Ich möchte Ihnen diese Beschlussvorlage vorlesen. Sie hat folgenden Wortlaut:

„Übernahme der Rechtsanwaltskosten im so genannten ‚Niersteiner Laternenstreit’

Beschlussvorlage für den Gemeinderat Nierstein

Der Gemeinderat der Gemeinde Nierstein stimmt der Übernahme der Anwaltskosten im so genannten ‚Niersteiner Laternenstreit’ unter Berücksichtigung des Beschlusses des Landgerichts Mainz vom 11.01.2006 wegen Geringfügigkeit des Schuldvorwurfs gemäß der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport vom 15. Dezember 2004 zu. Der Bürgermeister hat 10 % der angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen.

Der Gemeinderat Nierstein stimmt der Ausgabe zu. Die Mittel werden im Haushalt bereitgestellt. Sollten die Mittel nicht zur Verfügung stehen, sind diese gemäß § 100 Gemeindeordnung sicherzustellen.“

Dem Beschlussvorschlag ist folgende Begründung angefügt:

„Aus der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde liegt das Recht der Entscheidung unmittelbar bei der Gemeinde Nierstein. Dies ist verfassungsgemäß so auch garantiert. Gemäß § 87 in Verbindung mit § 181 Landesbeamtengesetz liegt die dienstrechtliche Entscheidung beim unmittelbaren Vorgesetzten, somit also beim direkten Vertreter des Bürgermeisters. Unabhängig davon hat aus dem Verständnis der Kommunalverfassung heraus hierzu auch das Organ Gemeinderat mitzuwirken. Dieser Beschluss wird sich zu Eigen gemacht und in die Entscheidung einfließen.“

Vor diesem Hintergrund war für uns die Frage nach der Rechtslage zu beurteilen, Herr Abgeordneter Schweitzer. Sofern der Ortsgemeinderat der Beschlussempfehlung folgen solle, unterläge der Beschluss der Aussetzung gemäß § 42 der Gemeindeordnung wegen formeller und materieller Rechtswidrigkeit. Ausgenommen hiervon sind die letzten beiden Sätze des Beschlussvorschlags über die Bereitstellung der Haushaltsmittel.

Warum formelle Rechtswidrigkeit?

Sowohl aus dem Beschlussvorschlag als auch aus seiner Begründung geht hervor, dass dem Ortsgemeinderat für die beamtenrechtliche Entscheidung über den Antrag des Ortsbürgermeisters eine Mitentscheidungsbefugnis bzw. ein Mitwirkungsrecht zustehe. Dies ist unzutreffend, da die beamtenrechtliche Entscheidung allein dem Ersten Beigeordneten der Ortsgemeinde obliegt. Rechtsgrundlagen hierfür sind § 181 des Landesbeamtengesetzes und §§ 50 Abs. 2, 47 Abs. 2 Gemeindeordnung.

Eine Mitwirkung bei der beamtenrechtlichen Entscheidung ist in § 47 Abs. 2 Gemeindeordnung nicht vorgesehen, sodass ein Beschluss des Ortsgemeinderates, der in Wahrnehmung eines vermeintlichen Mitwirkungs- bzw. Mitentscheidungsrechts ergeht, die Organkompetenz des Ortsgemeinderates verletzt. Dies gilt umso mehr, als der Ortsgemeinderat auch noch darüber befinden soll, welche Übernahmequote – 90 % – angemessen sei.

Ein solcher Beschluss wäre auch nach den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen und beamtenrechtlichen Grundsätzen unvereinbar, da eine Ausgabe beschlossen werden soll, für die keine Rechtsgrundlage besteht. In der Sache wäre es eine unzulässige Sonderzahlung der Gemeinde an den Ortsbürgermeister. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die für Landesbeamte geltende Verwaltungsvorschrift zu § 87 des Landesbeamtengesetzes in wesentlichen Teilen im kommunalen Bereich analog anwendbar ist. Sie ist in dieser Beschlussvorlage benannt. Wenn der Bürgermeister Landesbeamter wäre, müsste sein Antrag vom Dienstvorgesetzten abschlägig beschieden werden.

Gibt es weitere Fragen? – Frau Abgeordnete MangoldWegner hat das Wort.

Herr Minister, teilen Sie meine Einschätzung, dass Herr Günther mit seinem Verhalten und seiner unglaublichen Presseoffensive in eigener Sache das Ansehen und das Amt des ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters massivst beschädigt?

Das Verhalten ist ungewöhnlich. Als ehemaliger Stadtbürgermeister im Ehrenamt sage ich Ihnen, es ist keine gute Empfehlung, so vorzugehen.

Herr Abgeordneter Bischel hat das Wort für eine Zusatzfrage.

Herr Staatsminister, Sie haben eben gesagt, wenn es sich um einen Landesbeamten handeln würde, müsste der Antrag auf Erstattung der Anwaltsgebühren abgelehnt werden. Sie haben aber nicht dazugesagt, aus welchen Gründen dies geschehen müsste.

Herr Staatsminister, daher frage ich Sie:

Ist es überhaupt zulässig, dass ein Mitglied einer Fraktion wie beispielsweise Herr Kollege Schweitzer, von dem in erster Instanz Verurteilten spricht? Verurteilt ist jemand, wenn ein Urteil rechtskräftig ist. Vorher ist er nicht verurteilt. Dieses angeblich erstinstanzliche Urteil ist nie rechtskräftig geworden. Deswegen frage ich Sie: Hat Herr Schweitzer das Recht, sich so zu äußern?

Herr Staatsminister, des Weiteren frage ich Sie: Ist Ihre Verwaltungsvorschrift, die mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, bei Kenntnis dieser Situation überhaupt noch zutreffend? Offensichtlich – das vermute ich zumindest – legen Sie § 153 StPO so

aus, dass Sie ihn in der Entscheidung über die Einstellung interpretieren. Davon steht in Ihrer Verwaltungsvorschrift nichts drin. Demzufolge sind nach meiner Auffassung alle Fälle, die nach § 153 StPO eingestellt werden, auch entsprechend Ihrer Verwaltungsvorschrift dann gegebenenfalls für die Anwaltsgebühren erstattungsfähig. Teilen Sie diese Auffassung, oder teilen Sie sie nicht?

(Zurufe von der SPD)

Ich habe extra aufgehört, weil ich nicht wollte, dass wir verstärkt in eine Beurteilungsfrage über das Verhalten desjenigen, der zur Debatte steht, einsteigen. Es war bisher nie Übung in diesem hohen Hause, so vorzugehen. Aber jetzt zwingen Sie mich dazu, dies zu sagen.

Ich habe bei dem Satz aufgehört: Wenn der Ortsbürgermeister Landesbeamter wäre, müsste sein Antrag vom Dienstvorgesetzten abschlägig beschieden werden. Sie können fragen, warum.

Wir haben unterstellt: Selbst bei der Annahme des noch zu prüfenden notwendigen dienstlichen Zusammenhangs der Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflicht zur Aussage als Zeuge mit dem Amt des Ortsbürgermeisters von Nierstein liegen die Voraussetzungen nach Satz 2, Nr. 2 der Verwaltungsvorschrift nicht vor. Danach kann – Ermessensspielraum des Dienstherrn – auch bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO eine Erstattung zu einem angemessenen Teil erfolgen, sofern ein geringes Verschulden vorliegt. Bei Vorsatztaten wie bei einer falschen uneidlichen Aussage geht auch bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO ein gesteigertes Verschulden voraus, bei dem es an der Unterstützungswürdigkeit des Beamten fehlt und die gesteigerte Fürsorgepflicht zurücktritt.

Aber auch ein geringes Verschulden unterstellt halte ich jede Ermessensentscheidung wie die Ablehnung für ermessensfehlerhaft. Zieht man das Verhalten und das Auftreten des Beamten bei der Ausübung seiner staatsbürgerlichen Pflichten als Zeuge und im Laufe des Ermittlungs- und Strafverfahrens heran, wird eine nur eingeschränkte Mitwirkungsbereitschaft erkennbar, die eine Fürsorgemaßnahme durch seinen Dienstherrn als widersinnig erscheinen lässt. Gerade von unseren Beamtinnen und Beamten wird eine vorbildliche Pflichterfüllung im Amt und bei der Ausübung staatsbürgerlicher Pflichten verlangt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dabei erkennbar ist, dass andere Amtsträger nicht bereit sind, beispielsweise die Strafverfolgungsbehörden zu unterstützen, können sie nicht zusätzlich freiwillige Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen. Dann muss der jeweilige Amtsträger die entstandenen Kosten selbst tragen. Dies ist unsere Rechtsauffassung zu § 153 a StPO in diesem besonderen Fall und in den Fällen, wenn es um solche Straftaten geht, wie ich sie beschrieben habe und die zur Debatte stehen.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe nicht die Absicht, das Verhalten von Abgeordneten von dieser Stelle aus zu würdigen. Dies steht mir nicht zu.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dieter Schmitt.

Herr Minister, nachdem Sie richtigerweise dargestellt haben, wo diese Diskussion und die Entscheidung hingehört, möchte ich ausführen, das, was formal zu beanstanden war, war die Vorlage, die in dem Gemeinderat vorgelegen hat. Diese Vorlage stammt sicherlich nicht aus den eigenen Gremien. Wer hat diese Vorlage, die üblicherweise von der Verwaltung kommt, in den Gemeinde- oder Stadtrat eingebracht? – Sie muss entweder von der Verbandsgemeindeverwaltung oder von einer anderen Stelle als Vorlage erstellt worden sein, die Sie formal für rechtswidrig halten.

Ich nehme an, dass sie den normalen Weg gegangen ist.

Ich kann es nicht sagen, ich weiß es nicht.

(Zuruf des Abg. Lewentz, SPD)

Nein, nein, langsam! Jeder von uns weiß, wie die Vorlagen sind und welche Wege sie gehen. Also ist sie von der Verbandsgemeinde geprüft und auf den Weg gebracht worden.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Sie ist geprüft und auf den Weg gebracht worden.

Herr Abgeordneter Schmitt, Sie haben ein Fragerecht. Wenn Sie eine Frage – – –

Also, Entschuldigung!