Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde die Debatte ganz interessant. Das sehe ich auch an Ihrer Aufmerksamkeit. Ich finde, warum soll man so etwas nicht auch einmal diskutieren.
Herr Kollege Mertes, ich habe mit keinem Satz das Verfahren kritisiert. Ich habe Frau Ahnen auch nicht aufgefordert, das Verfahren aufzuheben. Lesen Sie das nach. Vielleicht bringen Sie das fertig.
Das Verfahren enthebt einen Minister oder eine Ministerin nicht einer bestimmten Verantwortung. Das ist doch ganz klar.
Ich habe vorhin gesagt – nehmen Sie mir das ab –: Wenn ich heute Kultusminister wäre und es würde ein Buch erscheinen, in dem Willy Brandt so behandelt wird, wie das mit Helmut Kohl der Fall ist, würde ich mit dem Verlag Kontakt aufnehmen und sagen, dass das korrigiert werden muss. – Das muss doch auch bei einem solchen Verfahren möglich sein.
Darum geht es mir. Deshalb habe ich in meiner letzten Frage sogar die Tür geöffnet, dass versucht wird, wirklich eine Überarbeitung zu erzielen. Diese tut im Übrigen auch den Damen und Herren in den anderen Bundesländern gut. Die Sätze, die zitiert worden sind, sind das Einzige, was in diesem Buch über Helmut Kohl steht. In dem Buch gibt es eine ganz interessante Geschichte, wie es mit Helmut Kohl umgeht. Bei dem Bild von Helmut Kohl handelt es sich um das einzige Bild, unter dem nicht der Name steht. Das ist doch Absicht. Das spürt man doch. Sie können doch nicht sagen, das sei alles im Rahmen der Bandbreite.
Ich verstehe wirklich, wenn Sie die Genehmigung nicht zurückziehen wollen. Das steht schon in meiner Frage.
Jenseits der Parteiensicht muss es eine gewisse Solidarität geben. Um die habe ich mich in meinem Leben übrigens immer bemüht. Jetzt sage ich auch in Anwesenheit des Ministerpräsidenten: In diesem Raum hat
Helmut Kohl seine politische Tätigkeit als Abgeordneter, als Fraktionsvorsitzender und Ministerpräsident begonnen. Jetzt stelle ich die Frage, ob es wirklich in einem „Kursbuch Geschichte – Rheinland-Pfalz“ zu viel verlangt ist, darauf hinzuweisen, dass dieser Mann vorher in Rheinland-Pfalz Ministerpräsident war? Wo leben wir denn? Das kann man doch wenigstens von einem Verlag erbitten. (Beifall bei der CDU)
Es gibt natürlich keine spezielle rheinland-pfälzische Geschichte. Das weiß ich. Es gibt eine Geschichte der einzelnen Landesteile.
Herr Schiffmann, Sie finden nirgendwo einen Hinweis auf die Besonderheiten der Geschichte dieses Raumes. Deshalb fände ich es auch gut, wenn ein ergänzendes Kapitel hinzugefügt würde und wenn beispielsweise deutlich gemacht würde, was dieses Land einmal bedeutet hat, auch im späten Mittelalter: Vier von sieben Kurfürsten entlang des Rheins, das finden Sie alles nicht. – Was für ein Geschichtsbild –, wenn Menschen in einer Region groß werden sollen. Vor dem Hintergrund – entschuldigen Sie bitte – auch Helmut Kohl, wer ist außer ihm und Marx und Görres in den letzten 250 Jahren gekommen? Da ist Fürst Metternich, 1773 in Koblenz geboren, und da ist, ob es Ihnen passt oder nicht, der Helmut Kohl aus Ludwigshafen.
Deshalb finde ich, dass man eine gewisse Solidarität praktizieren sollte, das deutlich machen sollte. Ich finde, ohne dass ich das Verfahren in Frage stelle: Man muss doch wirklich über so etwas auch diskutieren können. – Im Sinne der Freiheit, die Herr Staatssekretär Rüter heute Morgen so in Anspruch genommen hat, darf doch auch ein Kultusminister eines Landes und Mitglied dieses Hauses sagen: Können wir nicht einmal über bestimmte Gemeinsamkeiten eines demokratischen Verständnisses und in der Art und Weise, wie man mit früheren Ministerpräsidenten umgeht, in diesem Land ganz offen reden. –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist natürlich vollkommen klar, dass Herr Kollege Gölter das Verfahren, das er selbst eingeführt hat, nicht kritisieren kann. (Zurufe von der CDU)
Für wie naiv halten wir uns gegenseitig. Wenn er das Verfahren aber so ernst nimmt, dann ist in seiner Frage 4 eine interessante Formulierung zu finden: „Ist die Landesregierung bereit, die erteilte Genehmigung des Buches zurück zu nehmen?“ Dann kommt das Türchen. Ist sie also bereit, sie zurückzunehmen, heißt, das Verfahren nicht mehr ernst zu nehmen; denn, meine Damen und Herren, die Ministerin hat klar ausgeführt, dass von drei prüfenden Damen und Herren zwei gesagt haben: Gut geeignet. – Eine Person hat kritische Anmerkungen gemacht, die sich aber nicht auf das beziehen, was Dr. Gölter kritisiert. Was hätten Sie gesagt, wenn Sie in Erfahrung gebracht hätten, dass die Ministerin, nachdem drei Leute dieses Buch nach dem „Verfahren Gölter“ geprüft und für gut befunden haben, sagen würde: Nein, ich finde es nicht gut. – Dann hätten Sie gesagt: Das ist Zensur. – Das hätten Sie gesagt. Sie hätten natürlich zuerst eine Presseerklärung gemacht, in der Sie das beschrieben hätten. Selbstverständlich wäre es so gewesen.
Meine Damen und Herren, das steht in diesem Satz drin. Es reicht auch nicht, Dinge schriftlich – – – Beim Schreiben ist das so eine Sache. Dabei hat man Zeit, dann kann man formulieren, dann kann man, wenn man auch bereit ist, von anderen Rat anzunehmen, jemandem den Rat geben und sagen: Schau dir den einmal an. Ist der Okay? – Beim Reden ist das manchmal anders. Das gebe ich zu. Aber in diesem Text steht: „Ist die Landesregierung bereit, die erteilte Genehmigung zurückzunehmen?“, also weg von dem Verfahren. Insofern war es vollkommen klar, musste von unserer Seite die Frage des Verfahrens in den Mittelpunkt gestellt werden, auch weil wir der Meinung sind, die Politik sollte sich aus der Geschichtsschreibung heraushalten.
(Beifall bei SPD und FDP – Lelle, CDU: Lesen Sie einmal ein bisschen weiter vor, dann kommt nämlich noch ein Satz!)
Ich komme jetzt auch dorthin. Die Ministerin hat auf den zweiten Teil des Satzes, ob man mit dem Verlag vereinbaren könnte, in der zweiten Auflage das in Rede stehende Kapitel zu überarbeiten, gesagt, dass man den Verlag über die geäußerte Kritik informiert und dann eine typisch diplomatische Umschreibung eines Hauses erhalten hat. Er hat bei einer Neuauflage eine sorgfältige Prüfung zugesagt. Wenn dort gestanden hätte „Sie will, dass es geändert wird“, wären wir im Grunde bei dem gleichen Verfahren, dass wir anordnen, was kommt. Das durfte nicht sein, meine Damen und Herren.
Ich gehe gern auf Ihren Affront ein. Wenn ich das Buch lese, kommen mir auch Fragen. Aber wenn wir ein Verfahren wählen und wenn Sie es selbst ausgewählt haben, müssen wir uns fragen, ob wir uns daran festhalten oder ob wir etwas Neues erfinden. Das Neue wäre, dass die jeweils aktuelle Landesregierung die Geschichtsschreibung in den Geschichtsbüchern ihrer Schulen mitformuliert. Wer das will, der wird viel Freude haben.
Ich gebe zu, ich bin nicht so lang wie Sie zur Schule gegangen. Aber Bücher lese ich auch. Wenn Sie jetzt ein bestimmtes Buch aus der Oberstufe herausnehmen, wo es 30 Bücher gibt, die Lehrer und Eltern auswählen, zeigt das, wie viele Möglichkeiten wir haben. Wenn Sie rhetorisch unterschlagen, dass es vor der Oberstufe in der Schule etwas anderes gegeben haben muss, wo möglicherweise diese Sachverhalte vom Lehrplan her alle gemacht worden sind, dann kann es gut sein, dass in der Gesamtsicht der Schule diese ganzen Themen längst bearbeitet sind. Nur in einem ganz bestimmten Buch von 30 anderen Geschichtsbüchern steht es nicht in der Ausführlichkeit, wie Dr. Gölter als alter Freund von Helmut Kohl es erwartet. Das ist die ganze Tatsache. Darüber diskutieren wir hier.
Damit das, weil Sie das auch gemacht haben, klar ist, was die Geistesfreiheit, die Meinungsfreiheit angeht: Eben noch hörten wir aus Ihrer Fraktion, wie viele Möglichkeiten der Staat noch erfinden muss, um festzustellen, wer, wann, wie, wo seine persönliche private Meinung äußert und eventuell im Staatsdienst etwas macht. Gilt eigentlich die Meinungsfreiheit von Autoren und Verlagen nichts in Deutschland? Ist das kein Gut?
Gibt es keine Wissenschaftsfreiheit, ehemaliger Herr Wissenschaftsminister? Gibt es nicht die Freiheit zu schreiben, was man für richtig hält?
Es ist klar, immer wenn es passt, dann ist es richtig, dann ist man liberal, und wenn es nicht passt, dann ist man plötzlich konservativ, dann spielt man sozusagen den Staat als Wächter. Ich kann nur eines sagen – darin sind wir konsequent –: Wir haben Ihr Verfahren übernommen. Wir hielten es und halten es für richtig, auch für die Zukunft. Das, was die Frau Ministerin gesagt hat – wenn Sie wirklich so sensibel sind, wie Sie hier gesprochen haben –, hätte Ihnen auch ein Hinweis sein müssen, dass diese Fragen neu aufgebracht werden und – wie hier steht – sorgfältig geprüft werden. Mehr ist nicht unsere Aufgabe.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Mayen und Soldaten der Bundeswehr Mainz. Herzlich willkommen im Landtag!
Meine Damen und Herren! Herr Gölter, wir bewegen uns in dieser Diskussion auf sehr schwierigem Eis, und zwar aus zwei Gründen. Das eine ist: Je näher man in der Geschichte an die Gegenwart herankommt, desto sub
jektiver wird natürlich der Blick des Einzelnen und der Einzelnen, wie er selbst, wie die einzelnen Gruppen oder die einzelnen Parteien die Geschichte beurteilen. Dann gibt es – das hat auch mein Vorredner, Herr Wiechmann, deutlich gesagt – auch in der Beurteilung der Rolle von Helmut Kohl unterschiedliche Aussagen. Ich will nicht sagen, diese eine Aussage sei richtig, die andere sei falsch, aber es ist sehr problematisch, wenn eine Partei sagt: So, wie ein Parteikollege in einem Geschichtsbuch behandelt wurde, das ist nicht fair. – Gut, das ist ihre Meinung und man kann natürlich darüber diskutieren. Ich möchte nur sagen, dass das natürlich eine ganz problematische Geschichte ist. Je näher man an die Gegenwart herankommt, umso schwieriger sind wir in der Lage, bestimmte Dinge auch objektiv zu behandeln und zu betrachten.
Der zweite Punkt, weshalb wir uns auf ein sehr glattes Eis begeben, ist die Einwirkung, die man auf die redaktionelle Freiheit von Verlagen ausübt. Ich finde, bezüglich dieser Einflussnahme auf ein Geschichtsbuch muss insbesondere die Landesregierung äußerste Zurückhaltung bewahren. Es müssen schon sehr gravierende Punkte vorliegen, bevor man anfängt, auf die redaktionelle Freiheit einzuwirken. Auch dies halte ich für ein sehr schwieriges Kapitel.
Beide Punkte haben Sie in Ihre Mündliche Anfrage und in diese Aussprache aufgenommen. Dies geschah mit Blick auf Ihren Gesichtspunkt natürlich mit einer gewissen Rechtfertigung. Sie haben Beispiele angeführt, bei denen Ihrer Meinung nach Inhalte oder geschichtliche Fakten nicht richtig dargestellt wurden.
Herr Dr. Gölter, aber ich muss Ihnen sagen, wenn Sie dies für wichtig halten und vor allem eine sachliche Diskussion darüber führen wollen, so ist der von Ihnen gewählte Weg bestimmt der falsche.
Eine Mündliche Anfrage, die teilweise, insbesondere die dritte Frage, mit Polemik behaftet ist, eine Presseerklärung, die Sie nun wieder zurückgenommen haben,
und die Aussprache über eine Mündliche Anfrage sind parlamentarische Gepflogenheiten, bei denen die Auseinandersetzung und insbesondere die Polarisierung stark ist. Wenn Sie wirklich eine sachliche Diskussion zu diesem Thema hätten führen wollen und sich auch mit anderen über die Inhalte hätten auseinander setzen wollen, so wäre ein Brief oder ein Gespräch das richtige Instrument, also etwas, das nicht in einer öffentlichen Darstellung ausartet. Dann hätte ich Ihnen geglaubt, dass Sie wirklich eine sachliche Auseinandersetzung wollen, Herr Dr. Gölter.