Sie haben die Schulen angesprochen. Allerdings muss man wissen, was man machen will. Wir wollen nicht von der dualen Ausbildung weg. Gerade die berufsbildenden Schulen in diesem Land leisten Erstaunliches.
Jetzt muss man nur sagen, dass man die duale Ausbildung teilweise oder ganz aushebeln will. Dann ist das eine faire Diskussion.
Frau Kollegin Thelen, es wird Ihnen nicht gelingen, es wird auch niemand aufmerksam werden, wenn Sie das hier sagen. Das ist übrigens auch immer nur die halbe Wahrheit.
Sie können sich drehen und wenden, wie Sie wollen, können auch erzählen, was Sie wollen. Tatsache ist, dass Rheinland-Pfalz in der Arbeitsmarktstatistik an drittgünstigster Stelle aller Bundesländer steht.
Das ist der einzig wahre Parameter. Ich lese, was Sie in der Zeitung so alles erzählen. Das glaubt Ihnen auch keiner, aber gut. Das ist die eine Seite.
Übrigens, noch einmal, damit wir wissen, was für eine Diskrepanz zwischen einerseits Arbeitsverwaltung und andererseits Realität besteht. Ich rufe noch einmal in Erinnerung: September 2005 waren bei der Agentur für Arbeit 24.800 gemeldet, es waren tatsächlich abge
schlossen 26.500. – An diesem Beispiel kann man erkennen – 1.700 Unterschied –, dass eine Diskrepanz besteht zwischen der Arbeitsmarktstatistik der Arbeitsverwaltung und andererseits der Realität.
Meine Damen und Herren, mir liegt noch daran, abschließend auf das Beispiel, das ich vorhin sagte, einzugehen. Das hat übrigens mit Beschulung und Schule gar nichts zu tun. Das Verhalten eines Jugendlichen liegt an der sozialen Kompetenz und auch daran, dass Eltern nicht nur ein Recht auf Erziehung haben, sondern die Pflicht zur Erziehung wahrnehmen müssen. Auch damit hat das etwas zu tun. Das hat mit der schulischen Bildung nichts zu tun, nur mit der sozialen Kompetenz. Man muss hinzufügen: da sind auch Ausnahmen.
Damit ist dieser Teil der Aktuellen Stunde beendet. Ich rufe nun das zweite Thema der Aktuellen Stunde auf:
„So genannter ‚Gesprächsleitfaden’ als ‚Gesinnungstest’ für einbürgerungswillige Muslime“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 14/4872 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser südliches Nachbarland bezeichnet sich selbst gern als Musterländle. Die Baden-Württemberger werben selbstironisch mit dem Slogan: Wir können alles, außer Hochdeutsch. –
Der Innenminister des Landes, Heribert Rech – das ist der, der im Herbst mit dem Vorschlag zur Erlaubnis des Wendens auf der Autobahn bundesweit Schlagzeilen machte –, hat in seinem Gesprächsleitfaden ein kontraproduktives Muster zur Integration geliefert und damit zugleich den an sich pfiffigen Werbespruch konterkariert. Zu Recht hat dieser Erlass des Ministeriums in weiten Teilen der Republik Kopfschütteln ausgelöst und zu zahlreichen Protesten geführt.
Neben politisch Verantwortlichen aller Couleur haben insbesondere namhafte Verfassungsrechtler Bedenken über die Rechtmäßigkeit dieses Fragenkatalogs geäußert, widerspricht er doch nach deren Auffassung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie. Mehmet Kilic, der Vorsitzende der Bundesausländerbeiräte, sieht,
wie ich meine, völlig zu Recht darin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Anhand zweier Beispiele wird klar, dass es sich bei einigen der Fragen nicht um die sicher notwendige Loyalitätserklärung zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung handelt, sondern um eine unzulässige Gesinnungsprüfung oder besser Gesinnungsschnüffelei.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich: „Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte mit einem Mann zusammenleben“. Wie reagieren Sie? – Oder: „Hätten Sie bei bestimmten Berufen Schwierigkeiten, eine Frau als Autoritätsperson anzuerkennen? – Was glauben Sie, wie viele unserer Mitbürger ohne Migrationshintergrund durch diesen Test fallen würden, wenn sie nicht schon bereits deutsche Staatsbürger wären?
Besonders diskriminierend müssen Muslime diesen Fragebogen empfinden; denn der Leitfaden ist speziell für Einwanderer aus den 57 Staaten, die der Islamischen Konferenz angehören, konzipiert, wie einige der 30 Fragen verraten. Beispielsweise die Frage Nr. 17: „Ihre volljährige Tochter, ihre Frau möchte sich gern so kleiden wie andere deutsche Mädchen und Frauen auch. Würden Sie versuchen, das zu verhindern?“ –
Trotz aller Dementis seitens des baden-württembergischen Innenministeriums, dass die Gespräche nicht nur mit Muslimen geführt würden, zeigten die genannten und andere Fragen das Gegenteil. Im Interesse einer einheitlichen Handhabung bei der Einbürgerung sollte der so genannte Gesprächsleitfaden der BadenWürttemberger in den Rundordner.
Wenn ich solche Nachrichten lese oder höre wie im vorliegenden Fall des Gesprächsleitfadens, bin ich immer wieder froh, im liberalen Rheinland-Pfalz zu leben.
Im Jahr 2004 sind in unserem Bundesland 6.564 Frauen und Männer eingebürgert worden. Die Zahlen des Jahres 2005 lagen noch nicht vor. Dabei hat sich die Praxis in den zurückliegenden sechs Jahren seit der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes bewährt. So lautet die Stellungnahme des Innenministeriums zu den Meldungen aus Stuttgart. So ist es selbstverständlich, dass deshalb auch keine Änderungen beabsichtigt sind.
Wer deutscher Staatsbürger werden will, muss die Gewähr bieten, dass er die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Fundament für das friedliche Zusammenleben der Menschen in unserem Staat akzeptiert und sich dazu bekennt. In einem Informationsblatt sind die Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes aufgeführt und ausführlich erläutert. Wer sich hierzu im Einzelnen bekennt: Achtung der Menschenrechte, vor allem das Recht jedes Menschen auf Leben und freie Entfal
tung und Gleichbehandlung (hierzu zählt auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau) – so in dem Informationsblatt –, die Souveränität des Volkes, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte und das Mehrheitsprinzip und die Chancengleichheit für alle Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition, erfüllt aus unserer Sicht die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft.
An dieser Stelle zitiere ich gern Bülent Arslan, den Vorsitzenden des deutsch-türkischen Forums DTF in der CDU, der über den Leitfaden aus Baden-Württemberg sagte – ich zitiere –: „Ein Fragebogen, in dem nur negativ ausgeschlossen wird, was mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist, zeigt, welches unnormale Verhältnis viele Deutsche zur nationalen Identität haben.“
In dem Zusammenhang spricht er auch von einer Ausgrenzung durch Generalverdacht. Das gilt Gott sei Dank nicht für Rheinland-Pfalz. Das ist gut so. Diese Landesregierung bietet auch die Gewähr dafür, dass dies weiterhin so bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein bisschen war das jetzt wieder Don Quichotte. Er kämpft gegen Windmühlenflügel. Ich weiß zwar nicht, gegen wen Sie hier im rheinland-pfälzischen Landtag gekämpft haben, Herr Kollege. Ich glaube, wir sind in Mainz und nicht in Stuttgart. Das war schon ein bisschen eine merkwürdige Rede, die Sie hier gehalten haben.
Außerdem – das muss ich Ihnen auch sagen – sind Sie nicht auf der Höhe der Zeit. Sie sind nicht mit einem Wort darauf eingegangen, dass die Diskussion inzwischen weitergegangen ist, und zwar in eine, wie ich finde, doch sehr gute Richtung. Ich sage Ihnen auch – wir sind das von der SPD ein Stück weit gewöhnt –, ich muss noch ein Beispiel am Anfang bringen, das juckt mich jetzt einfach zu sehr.
Als Christoph Böhr vor zweieinhalb bis drei Jahren einmal gesagt hat, es kann nicht sein, dass ein Kind in Rheinland-Pfalz und in Deutschland eingeschult wird, das die deutsche Sprache nicht versteht, da war die Republik bald zu klein vor lauter Protesten, landauf, landab,
was wir für ein Verständnis von der Integration und dem Zusammenleben mit ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen haben. So wird es Ihnen auch bei dieser Geschichte gehen, wenn Sie nicht auf den Grund dessen, was hier zu diskutieren ist, kommen. Man kann gegen den Leitfaden mit ganz großen Worten reagieren. Das ist Ihnen unbenommen. Aber, lieber Herr Kollege, ich hätte schon erwartet, dass die SPD nicht nur sagt, was sie nicht will, sondern auch ein Stück weit sagt, was sie denn in diesen Fragen will.
Nein, das hat er nicht gesagt. Er hat nur darauf gepocht, dass derjenige, der hier eingebürgert werden soll, anhand des Leitfadens, den Sie jetzt genannt haben, sich auch zu unserem Staat und zu unserer Kultur und zu allem bekennen soll. Meine Damen und Herren, aber wie Sie das überprüfen wollen, das haben Sie hier nicht gesagt.
Jetzt sage ich Ihnen, wenn Sie die Presse und Verlautbarungen weitergelesen hätten, dann wüssten Sie, dass inzwischen in Deutschland eine Diskussion geführt wird, wie wir das, was im Staatsbürgerschaftsgesetz und bei der Einbürgerung derzeit Praxis ist, weiterentwickeln.
Diesbezüglich sind Menschen zu nennen, selbst Menschen, die aus der türkischen Kultur kommen und in Deutschland leben, aber auch Ausländerbeauftragte und andere, die etwas von der Materie verstehen, die sagen, das, was wir derzeit an Rechtslage hätten, sei zu wenig; denn nur mit der Unterschrift zu bezeugen, dass man für diese Grundordnung in Deutschland einstehe, sei eindeutig zu wenig.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann darf ich an dieser Stelle auf unser rheinland-pfälzisches Oberverwaltungsgericht in Koblenz verweisen, das unlängst, und zwar am 25. Januar 2005, in einem Urteil, in dem es um die Einbürgerung gegangen ist, gesagt hat, dass, wenn jemand eingebürgert werden will, er sich mit unseren Werten und unserer Grundordnung zu beschäftigen hat, damit er sich auch dazu bekennen kann.
Dazu gehört – das war Inhalt des Urteils –, die deutsche Sprache auch so weit zu verstehen, dass man sich damit beschäftigen kann.
Verstehen Sie, das wäre das, was Sie hätten sagen können und was uns in Rheinland-Pfalz berührt. Sie haben gesagt: „Nein, wir machen alles richtig. Es geht nicht weiter. Wir brauchen auch nicht mehr.“