Man könnte jetzt sagen, auf den Autobahnen werden höhere Geschwindigkeiten gefahren und mehr Kilometer abgerissen. Ja, aber auf eine Milliarde gefahrene Verkehrskilometer verzeichnen wir 4,1 Verkehrstote. In unserem Nachbarland Österreich sind es 5,1, und in den USA sind es sogar 7,3, obwohl Österreich und die USA – diese nur als Beispiele – Tempolimits haben.
Gut, man bedient sich auch gerne des europäischen Vergleichs. Dort liegen wir aber im guten Mittelfeld, nämlich auf Platz acht, und wenn wir noch bedenken, dass Deutschland im Gegensatz zu Schweden oder England beispielsweise ein absolutes Transitland ist, dann brauchen wir uns auch international überhaupt nicht zu verstecken.
CO2-Emissionen. Wenn wir uns die Studien zu Gemüte führen, dann können wir davon ausgehen, sofern diese überhaupt noch richtig sind, dass ein Tempolimit beim gesamtdeutschen CO2-Ausstoß zu einer Ersparnis von 0,5 % führen würde. Aber da gerade Karneval ist, gucken wir uns die Studien mal ein bisschen genauer an. Diese Studien sind von 1999 mit
einer Datenlage von 1996. Neue Studien oder valide Daten gibt es nicht. Also, seriöse Politik geht etwas anders.
Stausituation. Hier gilt dasselbe: Wir haben keine validen Daten, wir haben keine Berechnungen darüber. Es wird angenommen, dass bei unterschiedlichen Verkehrsgeschwindigkeiten der Rückstau etwas maßgeblicher ins Gewicht fällt. Aber das sind Hypothesen, und auf diese können wir uns nicht verlassen.
Aber, meine Damen und Herren, wir sollten uns gewiss sein, dass es Idioten im Straßenverkehr gibt, und zwar in allen Verkehrssituationen.
Ich erwähne beispielhaft Autofahrer, die sich in Städten wie rasende Wildsäue verhalten oder sogar illegale Straßenrennen veranstalten. Manchmal bin ich auch auf der Landstraße unterwegs und denke mir: Mein Gott! Was ist das für ein Überholmanöver kurz vor der Kurve? – Aber auch auf einer vollen Autobahn sehe ich auf der linken Spur immer wieder Autofahrer, die drängeln, die rasen, die nötigen. Es gibt immer mehr illegale Hochzeitskorsos auf unseren Autobahnen. Es gibt Gaffer, Handyfilmer und Leute, die Rettungsgassen blockieren und Rettungssanitäter aktiv behindern. Dort müssen wir ansetzen und gesellschaftlich oder juristisch dagegen vorgehen.
Meine Damen und Herren, die Richtgeschwindigkeit in Deutschland liegt bei 130 Stundenkilometern. Man muss das Verkehrsgeschehen jedoch situativ erfassen und seine Fahrleistungen daran anpassen. Das bedeutet, selbst wenn man jemandem bei Unwetter, Dunkelheit, Regen, schlechten Lichtverhältnissen oder starkem Verkehr mit 130 Stundenkilometern hinten draufknallt, hat man hinterher ein Riesenproblem vor Gericht und auch mit der Versicherung. Es geht vielmehr darum, situativ zu fahren – eine Sache, die hier seit Jahrzehnten hervorragend funktioniert.
Aber, wie gerade schon angedeutet, Ihre Philosophie ist nach wie vor, den Bürger wie ein kleines Kind zu behandeln: immer mehr Reglementierungen, immer mehr Repressionen, immer mehr Verbote, immer mehr Gesetze.
Wir sehen das ganz anders. Wir sehen im Bürger bzw. im Verkehrsteilnehmer einen Partner auf Augenhöhe. Wir nehmen die guten Verkehrsteilnehmer, die dafür sorgen, dass wir hier die sichersten Autobahnen haben, für diese Dinge nicht in Regress. Dementsprechend werden wir auch das Tempolimit ablehnen.
Im Entschließungsantrag sind gute Punkte enthalten, was die Verkehrsleitung angeht. Aber leider sprechen Sie sich auch wieder für ein Tempolimit aus. Daher müssen wir auch diesen Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Wüst das Wort. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den Antrag und die lebhafte Debatte, zu der ich gerne mit ein paar hinweisenden Argumenten für die Landesregierung Stellung nehmen möchte.
Einer Aufforderung, gegenüber dem Bund aktiv zu werden – das ist schon gesagt worden –, bedarf es eigentlich nicht. Vielleicht haben die Verfasser das übersehen. Im Bundesrat beschäftigt man sich gerade mit dem Thema. Es läuft also, und die Positionierung der Landesregierung ist hier auch bereits vorgetragen worden.
Ja, es sind immer wieder die gleichen Argumente, die auch hier schon gegeneinander abgewogen worden sind. Nach landläufiger Meinung bedeutet eine höhere Geschwindigkeit mehr Unfälle und höhere CO2-Emissionen.
Ein in Österreich durchgeführter Versuch, der jetzt aus politischen Gründen beendet worden ist, macht ein bisschen nachdenklich. Man hat dort, in einem Land mit einem generellen Tempolimit von 130 km/h, auf zwei Autobahnabschnitten ein Tempolimit von 140 km/h eingeführt, und die einfache Rechnung „mehr Tempo gleich mehr Unfälle“ – siehe da! – wurde deutlich widerlegt. Die Unfallzahlen haben sich halbiert. Daraus jetzt im Umkehrschluss zu formulieren „mehr Tempo gleich weniger Unfälle“, wäre natürlich Humbug. Aber es sollte uns ein bisschen zum Nachdenken bringen, dass die Gleichungen vielleicht doch nicht so einfach sind, wie man auf den ersten Blick meinen könnte und wie es hier auch als Grund für die Beantragung vorgetragen wird.
Der Blick über Österreich hinaus ins Ausland zeigt: Deutschland ist das einzige EU-Land ohne generelles Tempolimit. Somit müsste Deutschland, einfach gedacht, die schlechteste Unfallstatistik haben. Es ist aber nicht so. Deutschland ist, was die Unfallstatistik angeht, im unteren Mittelfeld, was nach der einfachen Argumentation völlig unerklärlich ist. Aber wir haben ja eine zweite Runde. Vielleicht finden wir dann den Grund dafür.
Auf knapp 40 % unserer Autobahnen in NordrheinWestfalen gibt es Geschwindigkeitsbeschränkungen. Es ist also nicht so, als ob man hier die Philosophie „freie Fahrt für freie Bürger“ verfolgen würde. Auf 40 % der Autobahnen gilt schon ein Tempolimit, dort, wo es die Situation erfordert, wo das Unfallrisiko zu hoch ist – die Unfallkommissionen schauen sich
Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, dass nicht auf den Straßen, auf denen das höchste Tempo gefahren wird, sprich den Autobahnen, die meisten Unfälle passieren, sondern es sind die Landesstraßen. Das hat natürlich mit den verkehrlichen Bedingungen zu tun: kreuzende Verkehre, häufig rechts und links Bäume, enge Kurven, direkter Begegnungsverkehr, unübersichtliche Sichtverhältnisse. Das ist alles etwas anders als auf den Autobahnen.
Wollte man also wirklich an Tempo und Unfallzahlen drehen, müsste man darüber diskutieren, ob man nicht auf den Landstraßen das Tempo reduziert. Aber Sie kommen mit dem Thema, das viel mehr Aufmerksamkeit verspricht, und machen es sich ein bisschen einfach.
Ein Drittel der Gesamtfahrleistung auf deutschen Straßen findet auf Autobahnen statt, aber nur 7 % der Unfälle und nur 13 % der Unfälle mit Todesfolge ereignen sich dort. Das bedeutet also, 87 % der Unfälle mit Todesfolge ereignen sich im nachgeordneten Netz. Unsere Autobahnen sind nicht nur die sichersten in Europa, sondern auch die sichersten Straßen im deutschen Netz.
Betrachtet man das Thema Unfälle generell, erkennt man, dass die Unfallzahlen in einem ganz anderen Segment steigen, nämlich bei den Fahrradfahrern, und zwar um 16,5 %. Das liegt natürlich daran, dass wir mehr Fahrradverkehr haben und auch mehr Fahrradverkehr wollen.
Was ist unsere Antwort darauf? Wie lautet unsere gemeinsame Antwort, wenn ich die Debatten zum Thema „Fahrradverkehr“ richtig einordne? Wir wollen möglichst Protected Bike Lanes, bessere Radwege, Radschnellwege usw. Beim Thema „Fahrrad“ akzeptieren wir also den Zusammenhang zwischen eigener ordentlicher Infrastruktur und Verkehrssicherheit. Das würde hier niemand leugnen. Aber bei Autobahnen, bei denen der Zusammenhang ebenso evident ist, was alle Zahlen belegen, wollen wir ihn nicht wahrnehmen und sagen: Dort müssen wir noch mit einem anderen Instrument, nämlich mit dem Tempolimit, regulieren.
Zum Thema „Emissionen“. Es ist bereits gesagt worden, und es steht auch im Antrag: 2 Millionen Tonnen CO2 könnten bei einem Tempolimit von 130 km/h eingespart werden. Da denkt man: Potzblitz, das ist aber eine Riesenzahl! Bei über 160 Millionen t CO2-Emissionen im gesamten Verkehrssektor relativiert sich das Ganze jedoch auf 1,2 %. Das ist nicht nichts, aber wir haben in den letzten Monaten in Deutschland ganz andere Stellschrauben definiert, die mehr bewirken.
Auch wir haben uns hier mit der ÖPNV-Offensive, mit mehr Bahnreaktivierungen und mit Elektrifizierung
auf den Weg gemacht, um an anderen Stellschrauben zu drehen, die viel, viel mehr fürs Klima und gleichzeitig noch bessere Mobilität bringen.
Deswegen sind die flotten Behauptungen „Tempolimit gleich weniger Unfälle“ oder „Tempolimit gleich besser fürs Klima“ in der Klarheit und so undifferenziert nicht anzunehmen.
Deswegen sollten wir gemeinsam sehr detailliert hinschauen. Ich bedauere auch, dass wir über diesen Antrag heute sofort beschließen. Herr Löcker hat es gesagt: Im Ausschuss darüber zu diskutieren, wie man mit besserer Leittechnik etc. noch mehr rausholen kann, wäre klug gewesen. Aber es hindert uns ja nichts daran, uns aus anderem Anlass dazu im Ausschuss auszutauschen.
Ich bin sehr für die differenzierte Herangehensweise, wie sie die SPD jetzt im Entschließungsantrag nachgeliefert hat. Eigentlich wäre das eine schöne Punktation, die die SPD beschließen lassen möchte, wenn nicht der erste Punkt dort stünde. Es macht wenig Sinn, das ganze nordrhein-westfälische Netz mit dWiSta-Tafeln auszustatten, durch die man flexibel die Geschwindigkeit regulieren kann, wenn man gleichzeitig sagt: Wir wollen aber ein generelles Tempolimit. – An der Stelle, finde ich, ist der Antrag nicht hundertprozentig schlüssig, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.
Ich bin sehr dafür, dass wir die dWiSta-Tafeln, also die elektronischen, digital gesteuerten Schilderbrücken, ausbauen. 55 davon werden allein im westlichen Ruhrgebiet/Niederrhein ausgebaut. Sie wurden mit einem Schlag freundlicherweise vom Bund genehmigt. Das geschieht überall da, wo es die Situation zusätzlich zu den schon vorhandenen Tempolimits erfordert: weil das Verkehrsaufkommen besonders hoch ist, weil es die Witterungsverhältnisse erfordern oder weil andere Gründe vorliegen. – Damit kann man ganz gezielt bei Nebel, Glätte und viel Verkehr steuern. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz.
Es ist im Übrigen ein Ansatz, der zur höheren Befolgung führt. Die Menschen befolgen den Befehl einer elektronischen Tafel leichter. Vielleicht akzeptieren sie es mehr, wenn sie das Gefühl haben, hier kommt nicht die generelle Gesetzeskeule, sondern hier kommt etwas gut Begründetes im Einzelfall. Jedenfalls zeigt eine Umfrage von Emnid im Auftrag des BMVI, dass der Befolgungsgrad bei den elektronisch gesteuerten Tafeln höher ist als bei generellen Tempolimits. Ich finde, das ist ein Argument, das man nicht vom Tisch wischen sollte.
Wir wollen, dass die Autofahrer Limits akzeptieren und befolgen. Lassen Sie uns die Potenziale besser nutzen, die uns die Digitalisierung und ein modernes, Telematik-gestütztes Verkehrssystem im 21. Jahrhundert bieten. – Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir heute verkehrspolitisch von CDU und FDP hier gehört haben – insbesondere von Herrn Lehne mit seinem Porsche –, ist alles andere als vernünftige Verkehrspolitik.
Wir reden über viele Tote und Schwerverletzte auf unseren Autobahnen wegen der hohen Geschwindigkeit. Dann einfach darüber hinwegzugehen, ist schwierig. Ich weise darauf hin: Im Jahr 2018 starben auf deutschen Autobahnen 424 Menschen. Das sind drei Todesfälle pro 100 km. Wenn man die Zahlen von 2017 nimmt, kann man davon ausgehen, dass bei 44 %, vielleicht sogar bei mehr, die hohe Geschwindigkeit Ursache gewesen ist.
Wir haben in der Faktensammlung „Wirkung eines Tempolimits von 130 auf Autobahnen“ für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat nachgeschaut. Dort ist eindeutig nachgewiesen, dass die Anzahl der tödlich Verunglückten auf Straßen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zwischen 2011 und 2016 deutlich höher war.
Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass bei diesen 44 % aller tödlichen Unfälle auf Autobahnen, die auf zu hohe Geschwindigkeit zurückzuführen sind, eine deutliche Steigerung erkennbar ist. Wir haben in den letzten Jahren immer mehr Unfälle gehabt, die durch erhöhte Geschwindigkeit entstanden sind.
Weil hier gesagt wurde, das sei noch nie untersucht worden, will ich nur darauf hinweisen, dass auf der A24 in Brandenburg ein solcher Versuch stattgefunden hat. Daran kann man sehen, dass sich die Anzahl der tödlich Verunglückten und Schwerverletzten halbiert hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind auch Fakten, die man zur Kenntnis nehmen muss.