Protocol of the Session on January 22, 2020

Insbesondere wir in Nordrhein-Westfalen, im Herzen Europas, dürfen uns der Verantwortung nicht entziehen, den friedlichen Integrationsprozess voranzutreiben. Die antragstellenden Fraktionen sehen diese Notwendigkeit und legen mit Nachdruck ein klares Bekenntnis zum Aachener Vertrag ab. Dieser Haltung und tiefen Überzeugung verleihen wir mit den zehn Forderungen des vorliegenden Antrags besonderen Ausdruck.

Als ich die Berichterstattung im Vorfeld des Aachener Vertrags vor genau einem Jahr verfolgte, war sofort klar, aus welcher Richtung Kritik kam. Allein die Tatsache, dass sich beispielsweise Marine Le Pen lautstark gegen die Ratifizierung in Aachen aussprach, sollte Grund genug sein, den Vertrag auf der anderen

Seite – auf der demokratischen Seite – vehement zu verteidigen.

Wir bekennen uns zur Förderung der Zweisprachigkeit in unseren Grenzgebieten und zum Ausbau unserer Jugendprogramme.

Wir verstehen Städtepartnerschaften als wichtigen Baustein der deutsch-französischen Freundschaft.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind für einen bedeutenden Beitrag Europas zum Klimaschutz.

Wir sind für ein Europa der Innovationen.

Wir begreifen, dass Nordrhein-Westfalen einen elementaren Beitrag zur europäischen Integration leistet und leisten wird.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass Frankreich seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat nicht an Berlin abtritt. Auch diese Ängste wurden von der französischen Rechten geschürt. Den Geist und den Inhalt des Aachener Vertrags dürfen wir auch in seiner Deutung nicht rechten Verschwörungstheoretikern überlassen, meine Damen und Herren.

Seit 1963 haben 8,4 Millionen Jugendliche an den Austauschmöglichkeiten im Rahmen des DeutschFranzösischen Jugendwerks teilgenommen. Ich behaupte, dass insbesondere diese Programme und die jungen Menschen maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich Frankreich und Deutschland zu einer vertraglichen Erneuerung des Élysée-Vertrags entschieden haben.

Die jungen Leute waren damals und sind heute Trägerinnen der Werte, die wir alle teilen. Ich wünsche mir, dass wir diesen Vertrag weiterhin als Mahnung, Erinnerung und Aufgabe begreifen. Er ist Ausdruck von Zuversicht und Hoffnung für eine lebenswerte Zukunft unserer Gesellschaft.

Wir antragstellende Fraktion stellen uns geschlossen hinter die im Aachener Vertrag niedergeschriebenen Vorhaben und bekräftigen damit, weiterhin für Frieden, Versöhnung und Austausch im Rahmen dieses lebendigen Vertrags zu arbeiten.

Wie definieren wir Freundschaft? Diese Frage wird jeder Mensch sehr persönlich für sich beantworten. Für mich bedeutet Freundschaft Verlässlichkeit, Loyalität, tiefes Vertrauen und eine gemeinsame Zukunftsperspektive, die sich aus geteilten Werten ergibt.

Der 1963 geschlossene Vertrag war ein historischer, ein tief bewegender Ausdruck von Hoffnung und Zuversicht. Dass sich zwischen zwei ehemaligen sogenannten Erbfeinden auf einem kriegszerrissenen und traumatisierten Kontinent eine Freundschaft entwickelt, war so nicht zu erwarten.

Doch dieser Versuch und der Glaube an eine bessere Zukunft entwickelten sich zu einer Perspektive, zu einem Stabilisator für starke wirtschaftliche Beziehungen, für ein friedliches Zusammenrücken der europäischen Völker.

Der Glaube daran, dass aus Feinden Partner und sogar Freunde werden können, liegt diesem Vertrag ursprünglich zugrunde. Darin liegen die Stärke und der wahre Gehalt des Aachener Vertrags. Eine gefestigte Freundschaft ermöglicht es, tatkräftiger auch die aktuell schwierigen ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Aus diesem Grund nimmt die Umsetzung des Aachener Vertrags uns Politikerinnen und Politiker in die Pflicht und erinnert uns an unsere Verantwortlichkeiten als gewählte Mandatsträgerinnen und -träger. Wir sind aufgefordert, uns klar verantwortlich zu zeigen und uns für die Erfüllung dieses Vertrags einzusetzen.

Also: Lassen Sie uns weiterhin die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit fördern und die Fortschritte verteidigen, die französische und deutsche Menschen gemeinsam in den letzten Jahrzehnten bewirkt haben.

Die Redezeit.

Dieser Verantwortung wollen und dürfen sich die antragstellenden Fraktionen nicht entziehen.

Meine Damen und Herren, es ist doch so: Gemeinsam sind wir stark. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Nückel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verträge gibt es viele. Sie werden geschlossen, nicht selten hinterher verschieden interpretiert, manchmal halbherzig umgesetzt oder gar schnell gebrochen. Allzu oft leben Staaten ihre Unterschiede und lassen sich gegenseitig gepflegte Vorurteile auch nicht wegargumentieren.

Dass aber zwei über Jahrhunderte verfeindete Länder nach zwei grausamen Weltkriegen ihre Differenzen und Unterschiede überwinden können und dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg mutige Menschen dafür eingesetzt haben, dass eine tiefe Freundschaft zu Frankreich entstehen kann, darauf, glaube ich, können wir in beiden Ländern stolz sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Heute sind wir vertraute Partner, enge Nachbarn, die nicht nur aus historischer Sicht am richtigen Ort – in Aachen – eine Verbindung bekräftigt und vertieft haben. Die ursprünglich geschlossene Partnerschaft ging 1963 als Élysée-Vertrag in die Geschichte ein. Eine solche Verbindung in dieser friedlichen Dimension wurde noch nie zuvor in Europa zwischen zwei Staaten vereinbart und – was noch bedeutender ist – auch gelebt. Dafür gibt es viele Beispiele.

Wir wissen, dass die Wurzel für Völkerfreundschaft in der gegenseitigen Begegnung, im Kennenlernen liegt – von Jugend an. Begegnungen sind das A und O. Das belegen die imposanten Zahlen, die meine Vorredner genannt haben. Beispielsweise haben sich im letzten Jahr fast 30.000 junge Menschen in NRW an Schüleraustauschprogrammen mit Frankreich beteiligt; eine weitere starke Säule sind die 266 Städtepartnerschaften.

Im Rahmen des Aachener Vertrags wollen wir einen neuen gemeinsamen Bürgerfonds einrichten, der auch Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften in NRW unterstützen wird. Als Kultur- und Medienpolitiker schaue ich gerne auf die Projektförderungen, die es schon gab – die sogar noch verstärkt werden –, die NRW-Künstlern und -Kultureinrichtungen Auftritte in Frankreich ermöglicht haben und natürlich auch umgekehrt.

Die durch das Land geförderte GmbH unter dem Namen „european centre for creative economy“ unterhält beispielsweise schon seit 2015 Kooperationen zwischen Akteuren aus NRW und Frankreich – gerade im Bereich der digitalen Künste. Nicht zuletzt krönen fünf französische Kulturinstitute in NRW unser Verhältnis.

Man könnte hier noch viele weitere Beispiele anführen. Die Überschrift für diese Partnerschaft möchte ich in drei Worten zusammenfassen: ziemlich beste Freunde.

Doch der Aachener Vertrag ist kein schnödes Auffrischen eines alten Schulterschlusses, die Bekräftigung eines Eheversprechens, wie eine Aachener Zeitung ulkte. Nein, es gab in Aachen eine Aufbruchstimmung gegen dumpfen Nationalismus.

Um Frieden und Wohlstand dauerhaft zu bewahren, braucht es den Mut und die Bereitschaft, für Europa einzutreten. Der Ministerpräsident hat recht, wenn er die enge deutsch-französische Kooperation als Gegenmodell zu „mein Land first“ adelt.

Die Breite der aufgezeigten politischen Kooperationen im Aachener Vertrag ist beachtlich und modernisiert, glaube ich, die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern.

Die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen und das Engagement bei der Wettbewerbsfähigkeit beider

Länder im Industriebereich sichern beiden Ländern auch Wohlstand.

Die Zusammenarbeit bei der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz, der Energiewende, beim Klimaschutz, bei der Batteriezellenforschung macht uns zusammen international konkurrenzfähig.

Auch die Verstärkung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität wird für mehr Sicherheit sorgen.

Die außerschulische Jugendarbeit zeichnet sich durch zahlreiche Kooperationen aus. Aber auch hier wollen wir die Mobilität und Vernetzung von Kompetenzen deutlich stärken.

Darum war und ist es richtig, dass wir fraktionsübergreifend diese Handlungsfelder im Aachener Vertrag identifiziert und für NRW benannt haben. Denn wir sind uns unserer Verantwortung für Europa bewusst und sehen auch die Chance für eine noch vertieftere Partnerschaft mit Frankreich – für NRW, für Deutschland und für Europa.

Der Aachener Vertrag ist ein Bekenntnis zu einem starken, zukunftsfähigen und souveränen Europa und Grundstein für eine neue Dynamik.

Ich möchte mit dem Wunsch schließen: auf dass wir noch viele Jahre ziemlich beste Freunde bleiben!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Remmel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr, am 22. Januar 2019, waren im Krönungssaal des Aachener Rathauses große Worte zu hören: Freundschaft, mehr Gemeinsamkeit, mehr Zusammenarbeit, mehr Integration, um die Einheit, die Leistungsfähigkeit und den Zusammenhalt Europas zu fördern. Ja, sogar von Konvergenz der Volkswirtschaften und der Sozialmodelle war die Rede.

Von den Kolleginnen und Kollegen ist klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden – ich kann mich dem nur anschließen –: Die enge Partnerschaft mit Frankreich ist und bleibt die Grundlage deutscher Außenpolitik. – Das wurde in Aachen bekräftigt und mit neuen Perspektiven versehen.

Deshalb ist es gut und richtig, dass wir hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen nach einem Jahr an diesen Vertrag erinnern und ihn zum Gegenstand eines gemeinsamen Beschlusses des Landtags machen. Es ist ein deutliches, ein großes Zeichen, dass ein Landesparlament nach einem Jahr einen solchen Beschluss fasst.

Aber – ich zitiere die „Aachener Nachrichten“ von heute –:

„‘Ja, da war doch was …‘ Wer heute über den Aachener Vertrag spricht, schaut eher in fragende als in strahlende Gesichter. Sie müssten strahlen, damit es der Europäischen Union besser geht, damit die internationale Politik vorankommt bei den großen Herausforderungen: Schutz der Demokratie und Menschenrechte, Erhalt von Frieden und Multilateralismus, Klima- und Flüchtlingspolitik. Alle das erfordert enge vertrauensvolle Kooperation zwischen Paris und Berlin. Doch hat sich die deutsch-französische Freundschaft

selbst“