Ist unsere Demokratie auch angreifbar? – Ja. Warum ist sie angreifbar? – Weil wir freiheitlich leben, weil wir eine der freiheitlichsten Grundordnungen haben, die die Staaten auf dieser Welt kennen. Diese Freiheit bedeutet, dass man angreifbar ist. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Bundesrepublik Deutschland ist mit das stabilste und sicherste Land auf der gesamten Welt.
Dass es Kräfte gibt, die ein Interesse daran haben, Gesellschaften gerade in diesen stabilen und sicheren Zeiten zu destabilisieren, wissen wir.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Demokratie, die demokratischen Vertreter und Repräsentanten, egal ob im ehrenamtlichen kommunalpolitischen Mandat oder in den hauptamtlichen Mandaten und Funktionen, wehrhaft sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Grunde nach fängt doch alles mit der Sprache an; das wissen wir. Wir haben auch bereits in der letzten Legislaturperiode 2014, 2015, 2016 immer wieder Debatten geführt, die – egal von wem – eingeleitet wurden mit: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen. – Es gibt aber Dinge, die man nicht sagen darf, weil man damit die Grenzen in der Sprache verschiebt. Wir alle gewöhnen uns bereits zunehmend an bestimmte Begrifflichkeiten, die vor zehn Jahren nicht einmal aussprechbar waren, weil die Grenzen
Ich habe mich sehr gefreut, dass das Landgericht Berlin gestern eine frühere Entscheidung gegen die Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, in der Frage, was denn eigentlich Beleidigung ist und was man im Internet sagen darf, teilweise zurückgenommen hat. Es ist – offen gesagt – schade, dass das so lange gedauert hat.
Kein Repräsentant, keine Repräsentantin dieses Staates hat sich im Internet oder sonst wo von wem auch immer beleidigen zu lassen; denn unser Grundgesetz beginnt – ich betone das immer wieder; das kennen Sie – mit der Würde des Menschen. Und die Würde des Menschen findet Ausdruck in Respekt und Achtung vor der anderen und vor dem anderen.
Deswegen ist auch der Ansatz des Innenministers, die Frage zu stellen, wie wir an die Daten derer kommen, die so etwas im Internet veröffentlichen, der richtige. Und deswegen ist aus meiner persönlichen Sicht auch der Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin Lambrecht richtig. Niemand in der analogen Welt würde es durchgehen lassen, wenn wir uns gegenseitig beleidigten – niemand! Aber im Digitalen soll es erlaubt sein, rauszukübeln, was man gerade will?
Es gibt ganz viele – die kennen wir ja alle –, die in dieser Hinsicht nachtaktiv sind. Das ist immer spannend, wenn man morgens seinen E-Mail-Account öffnet und sieht, wie viele Menschen nachts offensichtlich nicht schlafen können.
Deswegen ist die Sprache – wie wir miteinander umgehen, der Respekt in der Sprache – aus meiner Sicht der entscheidende Schlüssel.
Die Frage ist aber auch, wie viel Raum – auch das hat der Innenminister angesprochen – Menschen bekommen sollen, die Repräsentanten dieses Staates angreifen. Wir wissen doch, dass man Nachahmerinnen und Nachahmer herausfordert, wenn mehr Raum eingeräumt wird. Maß und Mitte sollten auch im Hinblick auf den Umgang damit in der Öffentlichkeit gelten.
Diese Sprache, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Mostofizadeh, führt dazu – und da sind wir beide und auch viele andere hier uns sehr einig –, dass viele Bürgerinnen und Bürger fragen: Warum soll ich mir das antun? Warum soll ich mich, wenn ich mich jeden Tag für meine Stadt, für mein Dorf einsetze, von Leuten beleidigen lassen, denen irgendetwas nicht passt und die gar nicht die Diskussion oder den Diskurs suchen, sondern nur rumpöbeln wollen?
Diese Landesregierung wird im April bzw. Mai eine Respektkampagne starten. Wir nehmen die Videos gerade auf – auch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der verschiedenen Parteien –, um das deutlich zu machen.
Ausdruck dieser Politik ist beispielsweise auch die Kampagne „Das schönste Rathaus“. Es geht darum, Menschen in diese Strukturen mitzunehmen und deutlich zu machen: Hier sitzen Bürgerinnen und Bürger und machen Politik für Bürgerinnen und Bürger. Nirgendwo ist Politik unmittelbarer als in Städten und Gemeinden. Nirgendwo erfährt man unmittelbarer, wie Zukunft gestaltet, gedacht und miteinander diskutiert wird. Das darf und das muss im Respekt voreinander letztendlich auch geschehen.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen – und das hat der Innenminister in der Innenausschusssitzung am 16. Januar 2020 sehr eindrücklich und nachlesbar dargelegt – hat in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen ergriffen, um für den Schutz sowohl von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern genauso wie von Bediensteten einzutreten. Hinzu kommt, dass die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime seit Anfang 2018 zwei Staatsanwälte hat, die sich ausschließlich mit Hass und Hetze in sozialen Medien beschäftigen. Ausdrücklich haben wir gesagt, dass wir das öffnen werden und zugänglich sind auch für die Hinweise aus der Politik, also von denen, die diesen Staat repräsentieren.
Ich persönlich gehe davon aus – und ich hoffe es auch –, dass der Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin durchkommt. Wir müssen die Daten haben, denn niemand darf sich im Internet mit seinen Angriffen gegen Repräsentanten dieses Staates verstecken dürfen – niemand! Das Internet darf in diesem Sinne kein dunkler Raum sein.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Zusammenhalt der Demokraten. Ich weiß, dass wir immer wieder rauf und runter über Datenschutz miteinander debattieren, ob wir dieses oder jenes wollen oder nicht wollen. Aber die Frage ist doch, ob die Errungenschaften aus der analogen Welt in die digitale Welt übertragen werden sollen oder ob wir dahin gehend alles noch einmal neu diskutieren wollen. Grundrechte sind aber nicht neu zu diskutieren. Sie sind erprobt und verteidigt.
Vor diesem Hintergrund gestatten Sie mir zum Abschluss eine Frage. Ihnen allen wurde in Ihrem Leben sicherlich schon die Frage gestellt: Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? – Ich wandele diese Frage einmal ab: Was tragen Sie in Ihrem Herzen? – Wenn Sie in Ihrem Herzen ein Stück Platz für diese Demokratie haben, die seit sieben Jahrzehnten von vielen Menschen aufgebaut wurde, die uns in der heutigen Generation anvertraut ist, dann
mache ich mir um die demokratischen Strukturen weder in Nordrhein-Westfalen noch in der Bundesrepublik Deutschland Sorgen. Denn diese Demokratie – wir alle miteinander – ist wehrhaft gegenüber denjenigen, die sie angreifen und sie – das sage ich ausdrücklich – vergehen lassen wollen. Dagegen stellen wir uns früh und entschieden. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen zum Tagesordnungspunkt 1 nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache zur Aktuellen Stunde.
Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/8411
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Schmitz das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die deutsch-französische Aussöhnung und Freundschaft sind ein Glücksfall der Geschichte – ein Glücksfall, aber eben kein Zufall. Das ist das Ergebnis von harter Arbeit und großem persönlichen Einsatz vieler Menschen aus beiden Ländern.
Zuallererst verdanken wir Konrad Adenauer und Charles de Gaulle die Überwindung dieser schrecklichen Vorstellung einer deutsch-französischen Erbfeindschaft. Ihre persönliche Freundschaft hat den Élysée-Vertrag im Jahre 1963 erst möglich gemacht. Ein Jahr vorher hatte Adenauer in kleiner Runde erklärt, was er sich von diesem Vertrag erhofft, nämlich – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
„Wenn ich von Frankreich und Deutschland spreche, meine ich nicht nur die politische Gemeinschaft, ich meine auch wirklich die menschliche Gemeinschaft dieser beiden Völker.“
In jeder Generation, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind diese Aussöhnung und Freundschaft von politischen Persönlichkeiten aus allen demokratischen Parteien mit Leidenschaft und Überzeugung
fortgeführt worden. In unserem fraktionsübergreifenden Antrag nennen wir ihre Namen. Ihnen allen verdanken wir diese beispiellose europäische Erfolgsgeschichte.
Durch den heute vor genau einem Jahr unterzeichneten Aachener Vertrag haben Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel Mut und Weitsicht bewiesen, indem sie diese Erfolgsgeschichte auf eine neue Stufe gehoben haben. Der Aachener Vertrag soll die politische und eben auch die menschliche Gemeinschaft beider Völker intensivieren und verstärken, die sich Adenauer so sehr wünschte.
Es geht nicht allein um eine politische, eine strategische, sondern um eine wirklich menschliche Gemeinschaft. Dazu tragen heute viele Menschen in Nordrhein-Westfalen bei: durch rund 500 Schulpartnerschaften, durch 266 Städtepartnerschaften zwischen Frankreich und unserem Bundesland, durch die Teilnahme von 9 Millionen jungen Menschen an den Austauschprogrammen des Deutsch-Französischen Jugendwerks und dem Erasmus-Programm, letztendlich durch das Lernen und das Lehren der Sprache des anderen. Sie alle wirken dabei am Ziel einer gemeinsamen deutsch-französischen Öffentlichkeit mit.
Für diese gemeinsame Öffentlichkeit braucht es auch so etwas wie den gemeinsamen deutsch-französischen Kultur- und Medienraum, wie er in Art. 9 des Aachener Vertrages angedacht und von uns im Antrag ausformuliert wird.
Unser Ministerpräsident hat als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter wesentliche Initiativen und Impulse in diese Richtung angeregt. Das zeigt den hohen Stellenwert dieser Freundschaft. Er hat zum Beispiel die Idee einer digitalen Plattform der öffentlich-rechtlichen Sender beider Länder initiiert. Er hat die Idee der so wichtigen Frage der Bündelung der Kompetenzen zur Erforschung Künstlicher Intelligenz in die Öffentlichkeit gebracht. Dafür bin ich sehr dankbar.
So entsteht grenzüberschreitende gemeinsame Öffentlichkeit. Der Blick über den Tellerrand wird letztendlich zu einer Selbstverständlichkeit. Denn die Herausforderungen der Globalisierung werden wir nicht durch Abschottung, sondern nur im europäischen Miteinander erfolgreich gestalten.
Dabei dürfen wir uns nie darauf verlassen, dass Aussöhnung und Freundschaft, wenn sie einmal erreicht sind, selbstverständlich bleiben. Das Gegenteil ist doch richtig. Die deutsch-französische Freundschaft bleibt Auftrag und Aufgabe jeder neuen Generation junger Franzosen und junger Deutscher. Jede Generation – und das ist das Entscheidende – muss diese
Freundschaft aufs Neue mit Leben füllen. Jede Generation muss den Mut und die Weitsicht haben, immer einen Schritt mehr aufeinander zuzugehen.
Dieser Mut und diese Weitsicht sind vor einem Jahr in Aachen bewiesen und besiegelt worden. Allein vor dem Hintergrund des Brexits, der Ende dieses Monats wieder Grenzen in Europa sichtbarer und spürbarer werden lässt, ist der Aachener Vertrag von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung.
Der Aachener Vertrag würdigt eine beeindruckende historische Leistung, aber er weist zugleich den Blick in die Zukunft. Es ist ein starkes Zeichen aus der Mitte des Landtags, dass wir den Vertragsschluss heute mit einem fraktionsübergreifenden Antrag würdigen. Ich freue mich, dass wir das tun. – Vielen Dank.
‚Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Charles de Gaulle sagte anlässlich der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags 1963 unter anderem – ich zitiere –:
„Die Zukunft unserer beiden Länder, der Grundstein, auf dem die Einheit Europas gebaut werden kann und muss, und der höchste Trumpf für die Freiheit bleiben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk.“
Nicht selten kann man feststellen, dass in der Vergangenheit geäußerte Worte bis in unsere Gegenwart nachhallen und uns erneut zu einem starken Bekenntnis ihrer Bedeutung für das Jetzt und unsere Zukunft auffordern. Genau das passiert mit diesem Antrag.
Insbesondere wir in Nordrhein-Westfalen, im Herzen Europas, dürfen uns der Verantwortung nicht entziehen, den friedlichen Integrationsprozess voranzutreiben. Die antragstellenden Fraktionen sehen diese Notwendigkeit und legen mit Nachdruck ein klares Bekenntnis zum Aachener Vertrag ab. Dieser Haltung und tiefen Überzeugung verleihen wir mit den zehn Forderungen des vorliegenden Antrags besonderen Ausdruck.