Und, Herr Rock, so leid es mir tut, Sie sagen einfach: Wir wollen nicht nach hinten schauen. – Doch, wir müssen nach hinten schauen, weil dort die Ursache der Misere liegt.
Nicht die fehlende Lehrerbedarfsprognose der Vorgängerregierung ist verantwortlich für den heutigen Lehrermangel. Sie alle, die Sie hier sitzen, haben die heutige Bildungsmisere mitverursacht. Es muss Ihnen doch zu denken geben, dass ausgerechnet an den Schulformen, die in besonderer Weise von den Veränderungen der letzten zehn Jahre betroffen
sind, Lehrkräfte fehlen. Seit den 90er-Jahren prasseln herabwürdigende Meldungen und Einschätzungen gerade auf die Hauptschule ein,
sodass Eltern für ihre Kinder diese Schulform nicht mehr wählen, aber auch junge Leute, die auf Lehramt studieren wollen, das Lehramt für diese Schulform meiden. Welches Unrecht den Hauptschulen, ihren Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften damit widerfahren ist, kann jeder beurteilen, der Hauptschulen aus eigener Anschauung kennt.
Wir bräuchten heute dringender als jemals zuvor Hauptschullehrkräfte und Hauptschulen, um auch den Kindern einen guten Schulabschluss zu ermöglichen, deren Begabungen im handwerklich-praktischen Bereich liegen.
Mit der Herabwürdigung der Hauptschule ging eine öffentliche Verherrlichung des Gymnasiums als Königsweg der Bildung einher. Kein Wunder, dass nicht nur die Eltern ihre Kinder aufs Gymnasium schicken wollen, sondern auch die jungen Leute lieber das Lehramt am Gymnasium anstreben als ein Lehramt an anderen Schulformen
Und dann: Nach der öffentlichen Herabwürdigung der nicht gymnasialen Schulformen haben Sie den größten Missgriff getan. Um das Lehramt aufzuwerten, haben Sie die herkömmliche Lehrerausbildung aus den Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen herausgelöst und die Lehramtsausbildung zeitlich gestreckt, um im Rahmen des BolognaProzesses eine Einheitslehrerausbildung zu kreieren. Solch ein Unfug!
Was Sie damit angerichtet haben, sehen Sie jetzt: Warum soll ein junger Mann oder eine junge Frau das Studium des Lehramts an Grundschulen oder an der Sekundarstufe I aufnehmen, wenn er oder sie keine zeitlichen Vorteile im Studium und dazu später noch finanzielle Nachteile hat? Die gesamte Umstellung der Lehrerausbildung weg vom Staatsexamen hin zum Bologna-System hat ein einziges Fiasko im Lehrerbereich hinterlassen.
Zur Attraktivitätsminderung kommen die hohen Hürden für die Grundschullehrkräfte hinzu, die sie überwinden müssen, um einen Studienplatz zu erlangen oder das Studium zu bewältigen. Die Situation an den Schulen, die wegen Inklusion und Integration bald nicht mehr zu bewältigen ist, tut ein Übriges, um potenzielle Lehramtsstudenten von diesem Studium abzuschrecken.
Stellen Sie wieder geordnete Verhältnisse an den Schulen her, und machen Sie Werbung für das Lehramt, nicht mit der zum Teil peinlichen Anmache junger, intelligenter Leute durch coole Dummsprüche, …
… sondern mit dem Hinweis darauf, dass der Beruf des Lehrers bzw. der Lehrerin ein wunderbarer, verantwortungsvoller und sehr wichtiger Beruf für jeden Einzelnen und die Gesellschaft gleichermaßen ist! Ihr Dank an die Lehrer wird erst glaubhaft, wenn Sie die Situation an den Schulen verbessern. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Seifen. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Gebauer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich für den Antrag der CDU und der FDP dankbar bin, der uns in unserem Tun und Handeln in meinem Ministerium unterstützt und auch die Maßnahmen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, in entscheidender Form wertschätzt und unterstützt.
Lieber Herr Kollege Ott, Sie haben in Ihren Ausführungen zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP gesagt, allzu viel sollte man sich nicht vornehmen. Ich kann dazu nur sagen: Doch, ich als Ministerin für Schule und Bildung muss mir leider ganz besonders viel vornehmen, weil ich feststellen musste, dass die Lücken, die die Vorgängerregierung gerade bei der Lehrerversorgung hinterlassen hat, immens groß sind und schnellstmöglich geschlossen werden müssen.
Wir haben in diesem Zusammenhang seit dem Sommer 2017 zwei große Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht und versuchen, massiv gegenzusteuern, um die freien Stellen, die wir leider zuhauf haben, besser besetzen zu können.
Aber um es hier einmal ganz deutlich auf den Punkt zu bringen: Das Ganze hat eine Ursache. Es hat nämlich die Ursache, dass in der Vergangenheit bei uns in Nordrhein-Westfalen schlicht und ergreifend zu wenige Studienplätze für Lehramtsstudenten zur Verfügung gestellt worden sind. Deshalb hat die Landesregierung zum Wintersemester 2018/2019 zusätzliche Studienplätze für Anfänger von Bachelorstudiengängen bereitgestellt, natürlich in Absprache
mit dem Wissenschaftsministerium: 339 für das Studium für das Lehramt an Grundschulen und für das Lehramt der Sonderpädagogik 250 weitere Studienplätze.
Auf der Grundlage unserer aktuellen, bereits mehrfach angesprochenen lehramtsspezifischen Lehrerbedarfsprognose und einer Analyse der vorhandenen Ausbildungsplätze und des Lehramtsstudiums selbst werden wir weitere Schritte dahin gehend machen müssen, dass wir bei uns in Nordrhein-Westfalen zusätzliche Ausbildungsplätze in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen, dass wir diese – auch das ist wichtig – regional klug verteilen und dass wir sie treffsicher auf die konkreten Mangelfächer ausrichten. Auch dazu dient natürlich unsere Lehrerbedarfsprognose.
Der vorliegende Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP schafft dafür eine wichtige Grundlage. Um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, ist wichtig – so heißt es in dem Antrag; mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus –:
„Die lehrerausbildenden Hochschulen müssen ebenso wie die Studienseminare in die Lage versetzt werden, Kapazitätsveränderungen für eine ausreichende Lehrerversorgung bei den Lehramtsstudiengängen vornehmen zu können.“
Die Lehrerbedarfsprognose, von der in der Vergangenheit schon so viel gesprochen worden ist, wird künftig alle zwei Jahre aktualisiert. Das ist zukünftig – auch das ist neu; das ist auch auf das Bestreben aus unserem Hause zurückzuführen – neuer KMKStandard. Das gab es vorher nicht.
Zum Abschluss möchte ich noch einige Zahlen als Beispiele für unsere bisherigen Maßnahmenpakete nennen:
Wir konnten über 200 Oberstufenlehrkräfte für die Grundschulen gewinnen. Die Zahl steigt weiterhin an; das freut mich sehr. Über den Seiteneinstieg stehen den Grundschulen inzwischen sogar 552 zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung. Im vorgezogenen Listenverfahren konnten zum Einstellungsdatum 1. Mai bereits insgesamt 762 Anwärterinnen und Anwärter gewonnen werden. Die Website zu unserer Lehrerwerbekampagne – aber es ist nicht nur eine Werbekampagne, sondern auch eine Lehrerinformationskampagne – ist inzwischen über 650.000-mal aufgerufen worden.
Das alles sind sicherlich erfreuliche Zahlen, und es sind auch gute Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben. Wir wissen aber genau, dass weitere Maßnahmen folgen werden. Mithilfe all derer werden
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt eine weitere Wortmeldung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Kollegin Beer wird jetzt noch einmal sprechen.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Wir unterstützen voll die Bemühungen, die jetzt weitergeführt werden. Wir haben es aber in unserem Antrag, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass wir mit der Legende aufräumen müssen, in den letzten sieben Jahren sei nichts passiert.
Bei der Frage, wie jetzt die Maßnahmen fortgeführt werden und wie man auch eine Ausweitung hinkriegen kann, haben Sie uns sehr an Ihrer Seite. Denn egal, in welcher Kombination welche Regierung diese Frage zu beantworten hat, stellen sich die gleichen Herausforderungen. Ihr Maßnahmenpaket führt ja auch das fort, was wir schon begonnen hatten. Also volle Unterstützung dafür.
Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Wir müssen uns die Studienabbrecherinnenzahlen noch einmal sehr genau anschauen und mit den Hochschulen auch darüber reden und, wie gesagt, frühzeitig anlegen, wie dieses Kunststück dann im Rahmen der Hochschulgesetzgebung in den Kapazitätsausweitungen hinzukriegen ist. Denn wir wissen gemeinsam, was das im Vorlauf bedeutet und zu welchem Semester dann etwas anfangen kann. Das braucht alle gemeinsamen Anstrengungen.
Ich will auch gerne noch einmal sagen, dass das, was wir angelegt haben mit den 2.300 Studienplätzen im Rahmen der Sonderpädagogik, langsam Früchte tragen wird. Die Absolventen kommen jetzt in das System. Wir profitieren und die Schulen profitieren gemeinsam davon, wenn wir in dieser Sache an einem Strang ziehen, und das will ich ausdrücklich anbieten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2 schließen kann.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erstens über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/5367. Sie haben es mehrfach gehört. Die antragstellenden Fraktionen haben eine direkte Abstimmung beantragt, die wir jetzt auch durchführen, und zwar über den Inhalt des Antrages.
Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die SPD-Fraktion und die AfD-Fraktion. Die Stimmenthaltungen sind demzufolge bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und den beiden fraktionslosen Abgeordneten Langguth und Neppe. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/5367 angenommen worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/5480. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU-Fraktion, die FDPFraktion, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Langguth und Neppe. Stimmenthaltungen sind demzufolge bei der SPD-Fraktion. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/5480 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
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