Wir brauchen auch die EU. Das, was wir da tun, könnte beihilferechtlich Probleme bereiten. Deshalb war das Verhandlungsmandat des Europäischen Parlaments in der letzten Woche ein erster Schritt. Die bringen im Trilog die Erweiterung der Europäischen Strukturfonds für solche Regionen als Ziel ein, die diese Energiewende jetzt so mutig vorantreiben.
Wir brauchen zum einen das Geld dafür, wir brauchen aber zum anderen auch die Genehmigung, dass wir überhaupt mit Bundesgeld etwas unternehmen dürfen. Das wird ein Prozess, bei dem auch Europa gebraucht wird.
Die vor uns stehende Aufgabe ist groß. Wenn wir diese Herausforderungen meistern, können wir im Jahr 2038 stärker dastehen als heute.
Wenn es uns gelingt, die 15 Milliarden Euro für sinnvolle industrielle Produktion einzusetzen, beispielsweise für ein StoreToPower-Kraftwerk an einem ehemaligen Kraftwerksstandort, ist das der GigawattWärmespeicher, der 1 GW speichern kann. Wenn uns davon drei, vier Projekte gelingen, ist das nicht nur etwas für die Region, sondern für die Energiewende in ganz Deutschland.
Es liegt eine große Aufgabe vor uns. Mit harter Arbeit und dem Willen, Chancen zu ergreifen, können wir sie gestalten. Wir wollen hier vorangehen, wir wollen Vorreiter sein, und wir wollen vor allem im Jahr 2040 auf einen gelungenen Strukturwandel zurückschauen zum Wohl für unser Land und zum Wohl für die Menschen in Nordrhein-Westfalen.
Ich lade Sie alle ein, aktiv und konstruktiv an diesem für unser Land so wichtigen Prozess mitzuwirken. Ich bin sicher: Dieser Wandel wird uns in alter nordrheinwestfälischer Tradition auch hier gelingen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Laschet. – Ich eröffne nun die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Kutschaty das Wort. – Ich darf noch darauf hinweisen, dass die Fraktionen eine zusätzliche Redezeit von je bis zu 16 Minuten in Anspruch nehmen können. – Bitte schön.
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Zu Ihrer heutigen Unterrichtung passt, glaube ich, sehr gut ein bekanntes altes chinesisches Sprichwort: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.
Sie bauen keine Windmühlen und schon gar keine Windräder; das wissen wir mittlerweile. Damit ist auch schon viel über die Zukunftsfähigkeit dieser Koalition gesagt; ich komme gleich noch darauf zurück, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, zu Beginn hier noch einmal deutlich die Position der Sozialdemokratie zu formulieren. Die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ müssen eins zu eins umgesetzt werden.
Das Verhandlungsergebnis ist – da stimme ich Ihnen zu – ein historischer Erfolg. Es gibt jetzt einen gesellschaftlichen Konsens, der ganz breit getragen ist, über den Weg, wie Deutschland auf eine klimafreundliche Energieversorgung umsteigen kann.
Bis spätestens 2038 werden wir uns aus der Kohleverstromung verabschieden. Schon bis 2022 werden Stein- und Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 7 GW stillgelegt.
Die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sollen Strukturhilfemaßnahmen bekommen. 40 Milliarden Euro sind im Raum.
Das ist der Plan, das ist der Konsens, das gibt ökonomische, ökologische und soziale Sicherheit, und dem haben Vertreterinnen und Vertreter aus ganz unterschiedlichen Organisationen auch schon zugestimmt.
Nordrhein-Westfalen und das Rheinische Revier können zur Modellregion für Fortschritt und Prosperität werden. Aber das alles verlangt, meine Damen und Herren, eine aktive und ehrgeizige Strukturpolitik von Bund und Land, eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, massive öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und selbstverständlich auch in eine moderne Infrastruktur.
Jetzt habe ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, eine Dreiviertelstunde lang sehr intensiv zugehört. Ich weiß gar nicht, was mich heute eigentlich mehr stört: dass Sie 40 Minuten lang nur eine Geschichtserzählung gemacht haben, ohne neue wesentliche Dinge zu verkünden,
oder dass Sie das Wenige, was Sie heute gesagt haben, schon gestern in Erkelenz verkündet haben. Wozu eine Unterrichtung, wenn es kaum einen berichtenswerten Punkt gibt und Sie das Wenige gestern schon gemacht haben?
Eine solche Respektlosigkeit hat dieses Parlament selten zu erfahren bekommen, meine Damen und Herren.
Ich habe jetzt gehört, Sie kündigen eine neue Leitentscheidung an. Ich nehme auch sehr gefällig zur Kenntnis, dass Sie die Leitentscheidung von 2016 jetzt hier loben. Ich hatte noch ganz andere Wortbeiträge von Ihnen in Erinnerung, nämlich wie Sie die Leitentscheidung 2016 damals massiv kritisiert haben. Besser eine späte Einsicht als gar keine Einsicht, Herr Ministerpräsident.
Aber die Ankündigung einer Leitentscheidung, Herr Laschet, ersetzt eben noch keine neue Leitentscheidung.
Die Menschen in diesem Land wollen endlich wissen, was Sie konkret vorhaben. Ich frage auch: Was haben Sie in den letzten Wochen und Monaten tatsächlich getan?
Sie haben hier jetzt Wünsche geäußert, dass der Hambacher Forst erhalten bleiben soll. Wenn das Ihr Wunsch ist, dann sagen Sie hier doch klipp und klar: Sie machen eine Leitentscheidung, in der das festgeschrieben wird. Schreiben Sie es nicht wieder RWE zu. Das können Sie in einer Leitentscheidung regeln. Sagen Sie es in dem Bereich hier doch ganz deutlich.
Was ist mit den Menschen in den Ortschaften, die jetzt nicht mehr wissen, ob umgesiedelt wird oder nicht? Man kann Gespräche führen – das ist gut und wichtig –, aber die Menschen wollen eine klare Perspektive. Das sagte selbst der CDU-Bürgermeister von Erkelenz gestern sehr deutlich. Wir können die
ses Herumeiern nicht länger abwarten. Die Menschen brauchen Klarheit und klare Aussagen von Ihnen, Herr Ministerpräsident.
Mir ist ein Satz aufgefallen, Herr Ministerpräsident, den ich mir gleich aufgeschrieben habe. Sie haben gesagt: Energiepolitik ist Bundespolitik. – Das mag formal vielleicht sogar im Grundgesetz so stehen. Aber was Sie hier machen, ist doch ganz billig und einfach: Sie spielen den Ball nach Berlin und sagen, Berlin und RWE sollten verhandeln und dann alles unter sich ausmachen.
Die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwarten, dass der Ministerpräsident dieses Landes das nicht in Berlin entscheiden lässt, sondern es hier zur Chefsache macht. Das erwarten die Menschen in Nordrhein-Westfalen.
So etwas hätte es von Ihrer Amtsvorgängerin und von allen anderen männlichen Vorgängern in Ihrem Amt nicht gegeben.
Wir ahnen ja schon, warum Sie den Ball gerne zum RWE und nach Berlin spielen, nämlich weil Sie selbst keine konkreten Pläne für einen erfolgreichen Strukturwandel im Rheinischen Revier und im nördlichen Ruhrgebiet haben.
Ich habe 45 Minuten lang intensiv zugehört. Ich habe kein einziges Projekt für einen Strukturwandel in Ihrer heutigen Rede gehört. Nichts ist dazu vorgetragen worden.
Sie haben auch nicht gesagt, wie Sie zukünftig sicherstellen wollen, dass wir in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland eine sichere Stromversorgung haben. Wie soll die klimafreundliche Energieversorgung bis zum Jahr 2030, bis zum Jahr 2038 stattfinden? Auch dazu haben Sie heute überhaupt nichts gesagt, Herr Laschet.
Dabei hat die Regierung beste Voraussetzungen. Mit den Empfehlungen der Kommission ist die Ausgangslage gut. Ich möchte Ihnen in vier Punkten sagen, was jetzt zu tun ist.
Dazu reicht es nicht, dass die Landesregierung Prozesse im Bund begleitet, so wie im Antrag der CDU formuliert ist. Man muss nicht begleiten, wie CDU und FDP das in ihrem Entschließungsantrag beschreiben. Die Landesregierung hat nichts zu begleiten, sie hat zu regieren. Fangen Sie endlich damit an, Herr Laschet!
Sie haben Einfluss zu nehmen und Entscheidungen zu treffen. Die Interessen Nordrhein-Westfalens müssen die Verhandlungsgrundlage sein, nicht der Aufschlag der Bundesregierung, meine Damen und Herren.