Sie haben Einfluss zu nehmen und Entscheidungen zu treffen. Die Interessen Nordrhein-Westfalens müssen die Verhandlungsgrundlage sein, nicht der Aufschlag der Bundesregierung, meine Damen und Herren.
Zweitens. Die Strukturhilfen müssen dort hinfließen, wo die Kraftwerke geschlossen werden, in das Rheinische Revier und – ich sage es, da unterscheiden wir uns deutlich –
Insbesondere im nördlichen Ruhrgebiet gibt es ganz viele Steinkohlekraftwerke. Sie haben es nicht geschafft, auch nur ein einziges Ruhrgebietsprojekt für die Strukturhilfen des Bundes anzumelden, kein einziges.
Die Vernachlässigung des Ruhrgebiets durch Ihre Landesregierung nimmt mittlerweile schon pathologische Züge an. Ich sage Ihnen auch, Herr Laschet: Wenn Sie das jetzt vermasseln, dann wird Ihre Ruhrgebietskonferenz als das in Erinnerung bleiben, was sie im Kern schon immer war: ein Rahmenprogramm für die Betriebsausflüge der Ministerialbürokratie, aber keine Hilfe für die Menschen in diesem Lande.
Die Stilllegung von Kraftwerken auch im Ruhrgebiet birgt Risiken – natürlich für die Beschäftigten, für die Energieversorgung vor Ort –, aber auch enorme Chancen, die dort genutzt werden können. Kraftwerksstandorte machen im Ruhrgebiet eine Fläche von rund 600 ha aus. Der Landrat aus Unna hat mal vorgerechnet, was das eigentlich kosten würde, einen Kraftwerksstandort zurückzubauen. Er kalkuliert mit 60 Millionen Euro pro Standort. Ich halte das für eine realistische Zahl.
genau dem Flächenbedarf im Ruhrgebiet, den die Wirtschaftsförderung des RVR für neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen errechnet hat – und das bei bestehendem Planungsrecht. Es müsste noch nicht einmal der Regionalplan geändert werden.
Uns allen ist klar: Die Kommunen selbst können keine Kraftwerke zurückbauen. Deswegen darf eins nicht passieren: Wir dürfen keine Kraftwerksruinen, egal ob im Rheinischen Revier oder im Ruhrgebiet, stehen haben. Denn das Schlimmste, was passieren könnte, ist: Der Betreiber steigt aus, macht einen Bauzaun rum, lässt das verfallen, und die Parkplatzflächen werden an einen Discounter verkauft, der dann einen Supermarkt errichtet. Das ist kein Strukturwandel. Da brauchen wir die Hilfe des Landes, um so etwas zu bewerkstelligen, meine Damen und Herren.
Drittens. Wir erwarten, dass die Landesregierung eines sicherstellt: Die Entschädigungszahlungen für das RWE, für die anderen Kraftwerksbetreiber in Nordrhein-Westfalen dürfen nicht auf den Kapitalmarkt fließen oder für Firmenzukäufe im Ausland zweckentfremdet werden. Es sollen damit keine Beteiligungen von Abfallentsorgungsfirmen in Rumänien erworben werden. Es muss sichergestellt werden, dass diese Zahlungen nur in der Region investiert werden. Darauf müssen Sie bestehen, Herr Laschet. Das erwarten wir von Ihnen.
Viertens. Nordrhein-Westfalen braucht jetzt eine industriepolitische Strategie, klare Prioritäten für Innovation, klare Prioritäten für Fördermaßnahmen. Sie haben, Herr Ministerpräsident, immer von der neuen Produktion von Batteriezellen, eine neue Zukunftsindustrie, gesprochen. Da stimmen wir Ihnen zu. Es ist ganz wichtig, das zu fördern. Es gibt noch weitere zukunftsfähige Bereiche: virtuelle Kraftwerke, Energiespeicher, sogenannte Power-to-X-Technologien und nicht zuletzt die zirkuläre Wertschöpfung, die aus Reststoffen eben nicht Abfall, sondern wieder neue Rohstoffe macht.
Andere Bundesländer sind da schon viel weiter. Da hat man die Hausaufgaben gemacht. Machen Sie das bitte auch!
Und hören Sie auf, Herr Laschet, im Rheinischen Revier mit einem bislang ungedeckten Scheck in Höhe von 15 Milliarden Euro zu wedeln, während Sie gleichzeitig im Ruhrgebiet unsortiert Ideen sammeln und an einer Pinnwand befestigen. Es ist Aufgabe des Ministerpräsidenten, das Land zusammenzuhalten. Sie dürfen nicht zulassen, dass Regionen gegeneinander ausgespielt werden, meine Damen und Herren.
Dass der Bedarf an Planung, Beratung und Entscheidungen in der Landesregierung Laschet viel größer ist, als er sein müsste, das hat auch parteipolitische Gründe. Ich ahne, warum heute die eine oder andere Klarheit in Ihrer Aussage fehlt, Herr Laschet. Die Koalitionsparteien stehen nicht geschlossen zum Kohlekompromiss, nicht zum Zeitplan, nicht zum Finanzplan und schon gar nicht zu der Rolle des Staates, der den Strukturwandel steuern und gestalten muss, damit er auch tatsächlich ein Erfolg werden kann.
Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der CDU – nicht mit Ihrem Willen geworden, Herr Laschet, aber immerhin, er ist Fraktionsvorsitzender –, hat den Ausstiegskorridor 2035 bis 2038 schon wieder öffentlich infrage gestellt. Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, spricht von einer Überforderung der Steuerzahler bei diesem Kompromiss. Der CDU-Haushaltspolitiker Andreas Mattfeldt sagte, er werde diesem Konzept auf keinen Fall zustimmen.
Herr Laschet, Verrat gibt es per Definition nur unter Freunden, nicht unter Gegnern. Passen Sie auf Ihre Parteikollegen auf!
Die FDP lehnt ja nicht nur die Empfehlungen ab, die die Kommission erarbeitet hat. Wenn man manchen FDP-Politiker hört, hat man den Eindruck, die Idee der Kommission war schon grundlegend falsch gewesen. FDP-Chef Lindner schmähte die mühsame Konsenssuche als „deutsche Planwirtschaft“, und Herr Kollege Brockes säuselte dem WDR in die Mikrofone, teure Planwirtschaft sei das alles hier.
Ich glaube, Ihnen war doch schon am Anfang der Gedanke zuwider, dass es einen gesellschaftlichen Konsens über eine vorzeitige Beendigung der Kohlestromversorgung geben soll. Das widerspricht nämlich der Marktentfesselungspolitik, die Sie machen wollen.
Man kann daran auch anders herangehen. Herr Lindner hat einen Vorschlag gemacht: Er will Klimapolitik allein über den CO2-Preis machen; denn je höher der Emissionspreis, desto unrentabler seien die Braunkohlekraftwerke, und der Rest werde vom Markt alleine geregelt. – Das ist FDP-Politik.
Der Markt würde dafür sorgen, dass die unrentablen Kraftwerke schließen müssten, aber auch dafür, dass mit den Wertschöpfungsketten auch die Arbeitsplätze verschwinden würden. Der Markt würde allerdings nicht dafür sorgen, dass anschließend etwas Neues folgt. Deswegen ist der Weg der Marktentfesselung insbesondere bei dieser Frage ein Irrweg.
Wir wollen, dass das Rheinische Revier nicht zum rheinischen Detroit wird. Das müssen wir gemeinsam verhindern.
Ich habe beruhigt zur Kenntnis genommen, dass die Haltung der FDP-Bundesspitze zumindest nicht der Haltung der Landesregierung entspricht. Allerdings besteht die Gefahr, dass dieses aggressive Hintergrundrauschen aus Berlin die Landesregierung dazu verleitet, falsch Rücksicht zu nehmen. Menschen im Rheinischen Revier und im nördlichen Ruhrgebiet brauchen eine ehrgeizige Strukturpolitik eines gestaltungswilligen Staates.
Ich erlaube mir an dieser Stelle einen kurzen Schwenk, nämlich eine Anmerkung zur Diskussions- und Protestkultur im Bereich der Klimapolitik. Der nächste Freitag ist wieder ein „Friday for Future“. Tausende Schülerinnen und Schüler werden dem Unterricht fernbleiben, um radikale Schritte gegen den Klimawandel einzufordern.
Die Landesregierung verurteilt die Proteste der Schülerinnen und Schüler. Sie droht ihnen mit Sanktionen, weil die Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht verletzen.
(Beifall von der SPD – Ralph Bombis [FDP]: Waren Sie nicht mal Regierungspartei? – Diet- mar Brockes [FDP]: Schulausfall war bei Ihnen die Regel, oder was? – Gegenruf von Eva-Ma- ria Voigt-Küppers [SPD]: Den haben Sie so super in den Griff bekommen! – Zurufe von der AfD – Glocke)
Dass die Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht verletzen, mag zwar formal richtig sein, aber das Argument geht doch völlig an den Motiven der Schülerinnen und Schüler vorbei. Es geht doch hier nicht ums Blaumachen oder Schwänzen.
Unsere Kinder haben ein sehr ernstes Anliegen: Sie wollen eine Zukunft in einer lebenswerten Umwelt. – Das verdient unsere Anerkennung und nicht unsere Geringschätzung.
(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Ein Justizminister, der nicht zur Schulpflicht steht?)
(Zuruf von der SPD: Sie haben noch nie de- monstriert, Herr Brockes? – Marc Herter [SPD]: Genau der Dialog, den die junge Gene- ration möchte! – Unruhe – Glocke)
Wir wollen doch, dass unsere Schulen unsere Kinder zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erziehen. Jetzt nehmen sie ihr Recht auf Mündigkeit wahr, und die Regierung droht mit der Polizei. Das kann doch nicht ernst gemeint sein, meine Damen und Herren!
Unsere Schülerinnen und Schüler sind nicht Ihre politischen Gegner. Drohen Sie ihnen nicht, schenken Sie ihnen Ihr Vertrauen. Schenken Sie ihnen zumindest Ihr Ohr und stellen Sie sich den Protesten! Wir haben das getan.
Hören Sie sich doch mal genau an, was die Schülerinnen und Schüler Ihnen zu sagen haben. Meine Kollegin Sarah Philipp hat sich im Namen unserer Fraktion diesen Protesten und Diskussionen gestellt.
Da gab es nicht nur schöne Worte; übrigens auch für die anderen Parteien, für CDU und FDP nicht. Ich sage Ihnen das, weil Sie nicht dabei waren. Vielleicht sollten Sie den Jugendlichen mal zuhören. Das haben Sie doch immer versprochen, Herr Laschet. Aber Sie tun das nicht, Sie hören weg.