Protocol of the Session on July 13, 2017

Bitte.

Herzlichen Dank, dass Sie mir die Zwischenfrage ermöglichen. – War es nicht die rot-grüne Landesregierung, die es ermöglicht hat, die freiwillige Ausreise auch dementsprechend durch Steuermittel zu fördern? Mich verwundert immer – vielleicht können Sie darauf eine Antwort geben –, warum die Grünen immer nur die Abschiebungen ansprechen, aber nicht die freiwillige Rückkehr.

Sie wissen genau, dass unter den Abzuschiebenden diejenigen sind, die sich hier rechtswidrig aufhalten. Sie wissen auch, dass ein großer Teil von denen, die sich hier rechtswidrig aufhalten, auch schwere Straftaten begangen haben. Sie sprechen nie von denen, die tatsächlich in der Vergangenheit bezuschusst worden sind, die sich an Recht und Ordnung gehalten haben und ausgereist sind.

Herr Kollege …

Deswegen meine Frage an Sie: Finden Sie das nicht zynisch?

Vielen Dank dafür, dass Sie noch zu einer Frage zurückgefunden haben. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Das war jetzt geschickt. Aber in erster Linie kam erst einmal die Aussage. – Wir beziehen uns ganz klar auf die Entwicklung in Afghanistan. Wir wissen seit Anfang dieses Jahres, dass die Situation sich verschärft hat. Das sagt die Bundesregierung übrigens auch. Die Bundesregierung sagt: Die Lage hat sich verschärft. Wir brauchen eine neue Einschätzung.

Gerade deshalb finden wir es jetzt so wichtig, dass auch aus dem Land NRW ein klares Zeichen an die Bundesregierung kommt, dass in dieser Situation Abschiebungen nicht durchgeführt werden müssen und dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich möchte noch einmal hervorheben: Das Leben und die Sicherheit der afghanischen Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen – und um die geht es nun einmal –, sind in jedem Fall höher einzustufen als die Befürchtung, ein Abschiebestopp könne Schleppern zugutekommen.

Herr Minister Stamp, zeigen Sie jetzt klare Haltung, und geben Sie der Unversehrtheit von Menschenleben Vorrang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Sieveke. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Aymaz, die Sicherheit und die Unversehrtheit gelten für jeden Menschen, aber auch für die deutsche Bevölkerung. Deswegen sollten wir uns einmal die Fakten anschauen, über die wir hier wirklich sprechen.

Angesichts der jüngsten Anschläge in Kabul haben sich Bund und Länder am 1. Juni dieses Jahres darauf geeinigt, dass der Bund die Sicherheitslage in Afghanistan neu beurteilt. Bis zur Vorlage einer neuen Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes und zur vollständigen Funktionsfähigkeit der deutschen Botschaft in Kabul sind Abschiebungen weitgehend ausgesetzt.

Nach Afghanistan abgeschoben werden – jetzt hören Sie gut zu – jeweils nach Ausschöpfung aller möglichen Rechtsmittel und auf Basis einer strengen Einzelfallprüfung vorläufig nur noch Gefährder, verurteilte Straftäter und Personen, die über ihre Identität getäuscht haben.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Die Kollegen in Rheinland-Pfalz haben das nicht mitgemacht!)

Das Auswärtige Amt strebt an, seine Neubewertung der Lage in Afghanistan im Laufe dieses Monats vorzulegen. Dies ist, wie gesagt, das Ergebnis einer Vereinbarung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Regierungschefs der Länder vom 1. Juni.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Die Kollegen in Rheinland-Pfalz haben das nicht mitgemacht!)

Zu diesem Zeitpunkt, dem 1. Juni, war noch die alte Landesregierung geschäftsführend zuständig. Damit hat Rot-Grün auch in Nordrhein-Westfalen dieser Vereinbarung zugestimmt. Deswegen verstehe ich Ihren Antrag vom heutigen Tag überhaupt nicht.

Mir ist jedenfalls schleierhaft, weshalb Sie beispielsweise in Ziffer 1 Ihres Antrags eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan fordern – wohl wissend, dass eine solche Bewertung durch das Auswärtige Amt bereits im Gange ist und dass sich Nordrhein-Westfalen noch unter Ihrer Regierungsverantwortung gemeinsam mit dem Bund und den

anderen Ländern auf exakt diese Vorgehensweise geeinigt hat.

Gleiches gilt für Ihre Forderung, einstweilen auf eine Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden zu verzichten. Wie beschrieben, sind Rückführungen nach Afghanistan bis zum Vorliegen einer neuen Lagebeurteilung schon vor mehreren Wochen eingestellt worden. Somit bedarf es Ihres Antrages gar nicht.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Rückführungen sind nicht eingestellt! Das stimmt doch gar nicht!)

Was mich allerdings bei Ihnen wirklich ärgert, Frau Kollegin, ist der Umstand, dass Sie darin konsequent von einer Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden sprechen. Indem Sie durchgängig von Asylsuchenden sprechen, erwecken Sie zumindest unterschwellig den Eindruck, dass es um Personen geht, die möglicherweise einen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Das tun Sie aber wahrscheinlich nur, um Sympathien für Ihren Antrag zu erwecken, und weniger, um sich um den Faktencheck zu bemühen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir für Flüchtlinge und Asylbewerber keinen Abschiebestopp brauchen, weil Flüchtlinge und Asylbewerber gar nicht abgeschoben werden dürfen. Nach Afghanistan abgeschoben werden lediglich – ich habe es eben schon einmal ausgeführt – ausreisepflichtige Ausländer, also Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und denen gerade kein Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde.

Das gilt auch nur in ganz besonderen Fällen, nämlich – noch einmal – für Straftäter und Gefährder. Definitiv nicht abgeschoben werden Kinder, Frauen und Familien.

Hören Sie also auf, durch begriffliche Unschärfen den irreführenden Eindruck zu erwecken, es sei anders. Das ist schlicht und ergreifend falsch und auch keine redliche Form der politischen Auseinandersetzung in einem so sensiblen Bereich.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zweifelslos ist die Sicherheitslage in Afghanistan volatil. Das wurde eben auch beschrieben. Es gibt aber Regionen, in denen die Lage ausreichend kontrollierbar und für den Einzelnen vergleichsweise ruhig und stabil ist.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Welche denn? Auf- zählen!)

Aus Sicht der CDU-Fraktion ist es deshalb richtig, dass Straftäter und Gefährder nach Einzelfallprüfung und unter strengen Voraussetzungen auch in dieses Land abgeschoben werden dürfen.

(Beifall von der CDU)

Wer sein Gastrecht – da sollten Sie dann auch einmal genau zuhören, Frau Kollegin – zur Begehung von Straftaten nicht nur unwesentlich missbraucht, den religiösen Frieden in unserem Land stört oder für uns eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist, der muss dieses Land auch wieder verlassen.

Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie. Gestatten Sie dem Abgeordneten Körfges eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kollege Körfges.

Herr Kollege Sieveke, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag gerade von Regionen, die ausreichend stabil seien, gesprochen. Könnten Sie uns denn die Regionen in Afghanistan nennen, die Sie als ausreichend stabil empfinden?

Herr Kollege Körfges, ich habe eben ausgeführt, dass sich die Bundesregierung in Absprache mit den Bundesländern die Lage in Afghanistan genau anguckt. Es bringt in meinen Augen gar nichts, sich jetzt einzelne Regionen auszusuchen.

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

Herr Körfges, das Thema ist nicht zum Lachen, denke ich.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Nein, es ist nicht zum Lachen!)

Auch angesichts der volatilen Situation in Afghanistan für Soldatinnen und Soldaten, die unser Land in Afghanistan vertreten, den Frieden dort herstellen möchten und sich um die Menschen kümmern, ist es zynisch, darüber zu lachen.

Trotzdem gibt es Regionen, die vergleichsweise …

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich habe nie dar- über gelacht! Herr Sieveke, ich habe über Ihre ausweichende Antwort gelacht!)

Ja, doch. Sie fangen hier nämlich eine Diskussion an, um dann zu sagen: Ich kenne da aber einen Ort, in dem wieder das und das passiert ist.

Mir und uns geht es um Folgendes: Wir sprechen an dieser Stelle über Gefährder mit höchstem Straf- und Gefahrenpotenzial in unserem Land. Wenn hier wieder ein Anschlag passiert, sind Sie es auch, die dann anfangen, zu sagen: Warum sind diese Menschen nicht abgeschoben worden oder des Landes verwiesen worden?

Deswegen bedarf es bei dieser Diskussion großer Ernsthaftigkeit und Ruhe. Da bringt es nichts, immer über Familien, Kinder und Frauen zu sprechen, die vermeintlich abgeschoben werden. Sie werden aber nicht abgeschoben. Abgeschoben werden nur Straftäter und Gefährder.

Deswegen sollten wir bei diesem Niveau bleiben und auch Vertrauen in die Lageeinschätzung der Bundesregierung setzen.

Und noch einmal: Sie als damals regierungstragende Fraktionen bzw. die alte Landesregierung haben ja auch dieser Vorgehensweise zugestimmt.

Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche.