Protocol of the Session on July 13, 2017

Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche.

Ja. Kein Problem.

Die Abgeordnete Aymaz würde Ihnen gerne auch eine Zwischenfrage stellen.

Sehr gerne.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Wie viele Gefährder sind Ihnen bekannt, die jetzt darauf warten, abgeschoben zu werden?

Wie viele? Frau Kollegin, es geht hier nicht um Zahlen, sondern es geht darum, dass sich der Rechtsstaat die Möglichkeit offenhält …

Frau Aymaz, Sie stellen mir eine Frage. Es geht auch um Höflichkeit. Sie stellen eine Frage. Ich möchte sie beantworten – so, wie ich sie beantworten möchte. Und Sie drehen mir den Rücken zu.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Wollen Sie eigentlich in diese Diskussion ernsthaft einsteigen, oder geht es Ihnen nur um Show? – Ihnen geht es um Show.

Ob es jetzt ein Gefährder ist oder zehn Gefährder sind: Die Politik muss handlungsfähig bleiben, damit man jeden Gefährder, der sich hier in diesem Land aufhält, abschieben kann. Wir werden das auch weiterhin vollziehen –

(Beifall von der CDU und der AfD)

wenn Sie diese Antwort hören möchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bislang keinen Entscheidungsstopp nach § 11a Asylgesetz für die Asylverfahren afghanischer Staatsangehöriger verhängt. Aktuell erfolgt lediglich eine Rückpriorisierung vor dem Hintergrund der vom Auswärtigen Amt zugesagten kurzfristigen Neubewertung der Sicherheitslage.

In diesem Sinne rate ich uns allen – Frau Aymaz, uns allen – dazu, diese Neubewertung abzuwarten und sich so lange an das zu halten, was Bund und Länder – wohlgemerkt mit Ihrer Zustimmung, der Zustimmung der alten Landesregierung – Anfang Juni dieses Jahres vereinbart haben.

Die CDU-Fraktion wird den vorliegenden Antrag daher auch ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sieveke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Yetim das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vor wenigen Wochen noch betont, dass es bestimmte Regionen in Afghanistan gibt – unter anderem Kabul –, die nach wie vor sicher seien. Wenn Sie aber an die Vielzahl der Anschläge von Selbstmordattentätern, von Terroristen, in den letzten Wochen und Monaten denken, dann ist die Verschlechterung der Sicherheitslage sehr klar zu erkennen. In den letzten Monaten gab es viele Hundert Tote und Tausende Verletzte.

Was uns dabei direkt betrifft, ist der Anschlag auf die deutsche Botschaft am 31. Mai 2017 mit über 100 Toten und fast 500 Verletzten.

Das zeigt sehr deutlich, wie gefährlich die Lage in Afghanistan ist. Ich bin sehr froh darüber, dass die SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls eine Neubewertung der Sicherheitslage gefordert hat. Diese soll ja auch bis Ende des Monats vorliegen.

Aus Sicht der SPD-Fraktion sind – das kann ich Ihnen sehr deutlich sagen – Abschiebungen aufgrund dieser Sicherheitslage nicht hinzunehmen. Deswegen werden wir dem Antrag der Grünen auch zustimmen.

Wir hätten uns eine Ergänzung gewünscht. Das geht in die Richtung von Herrn Sieveke. Wir hätten uns nämlich gewünscht, in diesem Antrag auch sehr klar zu sagen, dass Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern auf Basis einer Einzelfallprüfung möglich sind. Wer hier Straftaten verübt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer hier Gefährder ist, der hat keinen Anspruch auf Asyl – um das sehr deutlich zu sagen.

Es kann nicht sein, dass jemand nach Deutschland kommt, hier um Asyl bittet und gleichzeitig Straftaten begeht. Damit hat jeder seinen Asylgrund verwirkt und muss auch ausgewiesen werden können, glaube ich.

(Beifall von der SPD)

Wir werden trotzdem diesem Antrag zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Sehr geehrter Herr Minister Stamp, Sie haben gegenüber der „Rheinischen Post“ gesagt – die Kollegin Aymaz hat gerade darauf hingewiesen –, dass Sie Abschiebungen nach Afghanistan zurzeit extrem zurückhaltend gegenüberstehen. Meine Frage ist: Werden Sie also einen Abschiebestopp anordnen? – Das können Sie gleich beantworten.

Ich habe auch gelesen, dass Sie sich Sorgen machen, ein Abschiebestopp würde die Schlepperbanden begünstigen. Das Geschäftsmodell der Schlepperbanden werden wir hier aus NRW nicht bekämpfen können, glaube ich. Das ist eine Sache, die auf der Bundesebene und auch auf der europäischen Ebene geklärt werden muss, und zwar möglichst schnell.

Ich bin sicher, dass Sie, Herr Minister Stamp, den direkten Kontakt zu Ihrem Nachbarn links neben Ihnen haben, der ja auch stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender ist. Auf dieser Ebene muss man sich austauschen und da die entsprechenden Maßnahmen treffen, damit Schlepperbanden nicht so agieren können, wie sie agieren, und das Elend der Menschen nicht ausnutzen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Afghanistan ist eines der gefährlichsten Länder. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Sicherheitslage neu zu beurteilen, ist daher richtig und dringend geboten. Menschen in Bürgerkriegsgebiete abzuschieben, wäre nicht verantwortbar.

Aber ein genereller Abschiebestopp bleibt aus unserer Sicht immer noch das beste Argument für die Schlepper; denn dann kann jeder hierhin kommen und bleiben, egal ob er in seiner Heimat bedroht ist oder nicht. Der Kollege Sieveke hat das ja auch schon ausgeführt: Abschiebungen von Straftätern, Identitätsfälschern und Gefährdern müssen weiterhin möglich sein. Die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung und die Akzeptanz für unsere offene Gesellschaft hängen nun einmal auch davon ab, dass Regeln eingehalten werden.

Der Integrationsminister hat deutlich gemacht, dass er zurzeit das Thema „Abschiebungen nach Afghanistan“ sehr zurückhaltend angeht. Ich denke, das ist schon einmal eine klare Aussage. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen – das gehört auch zur Wahrheit dazu –, zurückhaltend, wie Sie es ja in Ihrer Zeit als Regierungsparteien waren, haben Sie ja auch ähnlich lautende Anträge der Piraten regelmäßig abgelehnt. Das war auch richtig so.

Für ein komplettes Aussetzen jeglicher Abschiebungen nach Afghanistan wäre vielmehr nötig, dass für jeden afghanischen Staatsbürger in Afghanistan eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. In unserem Rechtsstaat ist es Aufgabe des Auswärtigen Amtes, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu beurteilen.

Selbst die Grünen, die in zehn Landesregierungen vertreten waren – darunter bis Mitte Mai auch noch in NRW –, haben am 13. Januar 2017 in einem gemeinsamen Papier die Zuständigkeit für diese Entscheidung anerkannt und lediglich eine Neubewertung der Sicherheitslage gefordert. Dort heißt es weiter:

„Wo die freiwillige Ausreise scheitert, müssen jedoch auch zwangsweise Rückführungen per Abschiebung erfolgen. Auch sie sind als Teil des Bundesrechtes dort vorzunehmen, wo andere Optionen nicht greifen oder wo es dringend geboten ist. So werden etwa seit Langem Straftäter nach Afghanistan abgeschoben.“

Anknüpfend an das Beispiel der rot-grünen Abschiebepolitik in NRW werden auch wir in erster Linie auf freiwillige Ausreisen setzen und insbesondere Straftäter und Gefährder nach strikter Prüfung, ob eine Abschiebung nach Afghanistan im konkreten Fall verantwortbar ist oder nicht, auch zurückführen.

Das Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan sollte eben nicht ausgesetzt werden, denn wir werden es brauchen, wenn sich die Sicherheitslage in Afghanistan wieder einmal bessert. Dann könnten diejenigen zurückgeführt werden, die ohne Schutzgrund zu uns gekommen sind, deren Abschiebung derzeit aber nicht verantwortbar erscheint. Stattdessen sollte das Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan aus unserer Sicht für ähnliche Vereinbarungen mit den sogenannten Maghreb-Staaten Vorbild sein, damit Rückführungen auch dorthin möglich werden.

Wir werden uns aber letztendlich gleichzeitig – da wollen Sie ja eigentlich hin – auf Bundesebene dafür einsetzen, nicht nur den Schutzbedürftigen, sondern auch den nicht Schutzbedürftigen, die sich besonders gut bei uns integriert haben – insbesondere jungen Familien –, auf der Grundlage klarer Einwanderungsregeln die Chance zu geben, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Das wäre unser Ansatz. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Lenzen. War das Ihre erste Rede?

Die zweite.

Schade, ich kann hier gar keinem gratulieren.

(Heiterkeit)

Prima. Danke schön. – Als Nächster spricht für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wagner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es wird Sie nicht überraschen: Bei diesem Antrag steht unser „A“ in AfD für „Abschiebung“. Der Kollege der Union hat hier schon die wesentlichen Fakten dafür genannt, warum man natürlich auch nach Afghanistan abschieben kann, ja unserer Meinung nach sogar muss, wenn es sich um vollziehbar Ausreisepflichtige handelt. Ich verzichte daher darauf, Sie hier mit Wiederholungen zu langweilen.

Wir könnten uns aber – das will ich hier auch sagen – ganz anders mit dem Antrag der Grünen auseinandersetzen, wenn sie nicht eigentlich ohnehin gegen nahezu jede Abschiebung wären, wenn sie nicht eigentlich immer nach mehr oder weniger – im Regelfall mehr – einschlägigen Hindernissen für Abschiebungen suchten. Ich kann es an dieser Stelle kurz machen: Nicht nur die Bürger in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben diese grüne Abschiebeverhinderungspolitik abgelehnt. Die AfD lehnt diesen Antrag natürlich ebenfalls ab. Viel wichtiger ist für uns daher, was die Landesregierung tun wird.

Herr Minister, ich frage Sie ganz direkt: Welche Quote streben Sie bei der Abschiebung der vollziehbar Ausreisepflichtigen an? In welcher Zeit wollen Sie diese Zielmarke erreichen? Und welche Maßnahmen planen Sie dafür? Es kann ja, was die Abschiebezahlen angeht, nicht nur darum gehen, sich gegenüber der rot-grünen Vorgängerregierung relativ zu verbessern. Schließlich sind wir doch wohl beide der Meinung, dass Rot-Grün hier desaströs versagt hat.

Was wir nach Merkels kapitalem Fehler brauchen, ist eine klare Trendwende. Aus den Fehlern von 2015 hätten Sie gelernt; es dürfe sich nicht wiederholen: Das schreibt die CDU aus Angst vor der AfD nun in ihr Wahlprogramm. Wir sind gespannt, wann sie den Stau an nicht vollzogenen Abschiebungen abgearbeitet haben wollen. Denn – auch das gehört neben dem rot-grünen Versagen zur Wahrheit – diesen Abschiebestau verantwortet ja vor allem die CDU. Ihre Politik im Bund hat Migranten in Massen ungesteuert

und häufig ohne jeden Rechtsanspruch in unser Land und damit im Regelfall in unsere Sozialsysteme geholt. Bitte sagen Sie uns also, bitte sagen Sie den Bürgern: Wann schieben Sie endlich alle vollziehbar Ausreisepflichtigen ab? – Danke.