Protocol of the Session on July 13, 2017

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Die Menschen finden ihre Arbeit großartig und stützen sie. Mir hat noch keiner erzählt, dass er eine Kennzeichnungsnummer braucht. Mir hat keiner erzählt, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.

Das ist übrigens nicht selbstverständlich. Wenn man sich in Europa und anderen Ländern umsieht, stellt man fest, dass das Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrer Polizei manchmal ganz anders ist.

Bei uns gibt es strukturell überhaupt kein Problem. Es gibt Einzelfälle – der Anteil dieser Ausnahmefälle liegt im Promillebereich –, in denen sich Bürger über Polizeiverhalten beschweren. Das wird dann auch geklärt. So ist das in einem Rechtsstaat.

Interessant ist auch, dass die Sachverständigen, die damals im Innenausschuss angehört worden sind, allesamt festgestellt haben: Es gibt keinen einzigen Fall, in dem Vorwürfe gegen Polizeibeamte an einer fehlenden Kennzeichnung gescheitert sind.

Also frage ich mich: Warum so ein Gesetz? Warum muss man das rechtlich regeln? –

Ähnlich haben es ja auch diejenigen gesehen, die damit befasst und davon betroffen sind.

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn es vernünftig ist, eine Regelung aufzuheben, dann doch in dem Fall, wenn keine Notwendigkeit zu ihrer Aufrechterhaltung besteht und es – außer zwei Parteien – in der Bürgerschaft und in der Fachwelt auch niemanden gibt,

der dies will. Insofern gibt es keine sachlichen Gründe dafür. Sorry!

Deswegen nehmen wir das wieder zurück. Wir kehren zum Normalzustand zurück. Das hat bestens funktioniert. Ich mache das auch in dem guten Gewissen, die Meinung der Polizeigewerkschaften zu diesem Thema zu vertreten. Einer Kennzeichnungspflicht, wie sie in § 6a des Polizeigesetzes geregelt wurde, bedarf es nicht. Deshalb ist es richtig, sie wieder abzuschaffen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir, auch nach einem Blick in die Runde, nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache angelangt sind.

Damit können wir zur Abstimmung kommen. Die antragstellenden Fraktionen CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse somit über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/75 abstimmen. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/75 mit der festgestellten Mehrheit angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

4 Afghanistan ist nicht sicher – Abschiebungen

aussetzen – Schutzbedarf der Geflüchteten anerkennen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/70

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollegin Aymaz das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gegenwärtige Entwicklung in Afghanistan veranlasst uns dazu, heute den Abschiebungsstopp auf die Agenda zu setzen. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich massiv verschärft.

Entgegen der Einschätzung des Bundesinnenministers ist auch Kabul offensichtlich nicht mehr sicher. Am 31. Mai 2017 starben bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt 150 Menschen, fast 500

wurden verletzt, und bei darauffolgenden Anschlägen gab es weitere Tote und Verletzte.

Wie kein anderes Land ist Afghanistan von unterschiedlichsten Terrororganisationen durchzogen. Laut United Nations Assistance Mission in Afghanistan hat das Land inzwischen die höchste Dichte von Terrororganisationen weltweit. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 gab es bei Angriffen 715 Tote und 1.466 Verletzte nur unter der Zivilbevölkerung.

All diese Entwicklungen zeigen sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn heute eines sicher ist, dann, dass Afghanistan gegenwärtig nicht sicher ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das trifft auch auf die Hauptstadt zu, in der die Rückkehrer ja ankommen und aus der sie weiterreisen müssen.

Dass die Bundesregierung, die nach diesen massiven Verschärfungen die Notwendigkeit eingestehen musste, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten, nun dennoch einen Abschiebungsflug für den 28. Juli 2017 organisierte, ist für mich unfassbar. Ich bin erleichtert – wie viele Menschen in diesem Land übrigens auch –, dass diese Sammelabschiebung in letzter Minute noch gestoppt wurde.

Wir Grüne fordern schon seit Januar 2017, dass die Bundesregierung endlich eine Neubewertung der Sicherheitslage vornimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Forderung wird übrigens genauso von vielen Initiativen, Verbänden und Kirchen und nicht zuletzt von vielen Bürgerinnen und Bürgern erhoben.

Der Flüchtlingsrat NRW hat inzwischen über 11.000 Unterschriften für seine Petition gegen Abschiebungen nach Afghanistan gesammelt. Das ist eine eindrucksvolle Initiative für die Menschenrechte, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch in einigen Stadträten wurden entsprechende Resolutionen und Anträge verabschiedet. Auch der Rat der Stadt Köln befasst sich aktuell mit dieser Forderung.

Eine neue Bewertung der Sicherheitslage ändert die Basis für bisherige Asylentscheidungen. Das wird den afghanischen Geflüchteten die Möglichkeit eröffnen, auch Asylfolgeanträge zu stellen.

Es ist jetzt Ihre Aufgabe, Herr Minister Stamp, die kommunalen Ausländerbehörden anzuweisen, auch diese Informationen an die betroffenen Personen weiterzugeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist bitter nötig, an die afghanischen Asylsuchenden das Signal zu senden, dass sie in NRW sicher sind.

Durch die Abschiebungspraxis nach Afghanistan werden möglicherweise Tausende retraumatisiert. Das widerspricht einer humanitären Flüchtlingspolitik und kann und darf nicht Ziel der Landesregierung sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Übrigens berichten bereits jetzt Hauptamtliche in der Flüchtlingsarbeit, beispielsweise aus den Psychosozialen Zentren in NRW, von massiver Verunsicherung und Verängstigung aufgrund der andauernden Abschiebungsbedrohung.

Das wäre auch ein wichtiges Signal für die zahlreichen ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfer, ohne die wir in der schwierigen Zeit im Sommer 2015 die Flüchtlingsaufnahme in NRW nicht hätten meistern können. Auch diese Menschen befinden sich in einem Zustand der Unsicherheit – voller Sorge um diejenigen, die sie tagtäglich in ihrem Alltag begleiten. Auch deshalb ist jetzt ein Abschiebungsstopp durch das Land NRW so dringend nötig.

(Beifall von den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich betonen: Ich finde es erfreulich, Herr Minister Stamp, dass auch Sie inzwischen Bedenken bezüglich der Abschiebung nach Afghanistan haben und der Auffassung sind, dass es dort derzeit offenbar kein Gebiet gibt, in das eine Abschiebung zu vertreten wäre.

Auf der anderen Seite aber halten Sie sich noch eine Tür offen und wollen sich nicht ganz festlegen. Das wird daran deutlich, dass Sie wiederholt äußern – ich zitiere –:

„Bei allem, was wir hier machen, dürfen wir nicht der Schlepperpropaganda Vorschub leisten.“

Ich appelliere an Sie, Herr Minister Stamp: Setzen Sie nun nicht die Menschenrechte aufs Spiel! Eine solche Abwägung – die Einhaltung von Menschenrechten versus Kriminalitätsbekämpfung – ist nicht zulässig.

Das Leben und die Sicherheit der afghanischen Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen, sind in diesem Fall höher einzustufen als die Befürchtung, ein Abschiebestopp könne Schleppern zugutekommen. Das ist übrigens auch nur eine Befürchtung. Herr Minister Stamp, zeigen Sie eine klare Haltung!

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von dem Kollegen Lehne der Fraktion der CDU.

Bitte.