Protocol of the Session on July 13, 2017

Aber wenn durch die Kennzeichnungspflicht eine Differenzierung zwischen dem Beamten im Dienst und dem Menschen dahinter vollzogen wird, dann stehen wir vor großen Problemen.

Ich habe gerade absichtlich diese Differenzierung zwischen dem Menschen und dem Polizisten im Dienst getroffen; denn wenn man sich näher damit beschäftigt, so ist das tiefgreifender, als wir erwarten dürften. Bereits in der Grundausbildung wird den angehenden Beamten gesagt: Wenn sie euch beleidigen, dann beleidigen sie die Uniform und nicht etwa euch persönlich.

Alle 90 Minuten wendet sich Gewalt gegen Polizeibeamte. So schrieb es bereits die „Westdeutsche Zeitung“ im Oktober 2016. Diese Gewalt ist in den letzten Monaten noch einmal gestiegen.

In den letzten sechs Jahren hatten wir hier in Nordrhein-Westfalen eine Steigerung der Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte um 41 %. Das ist keine schöne Entwicklung. Längst scheint der Hass auf Polizeibeamte in linken Kreisen salonfähig zu sein. Mitunter dringt er sogar bis in parlamentarische Kreise vor. So twitterte der Piratenpolitiker Thomas Goede, nachdem eine junge Polizistin lebensgefährlich verletzt wurde:

„So ein Tag, so wunderschön wie heute. Weg mit dem Bullendreck. Ich mach mal den Schampus auf. :D #ACAB“

All Cops are Bastards.

(Zuruf von der AfD: Pfui!)

Meine Damen und Herren, das ist leider kein bedauernswerter Einzelfall. Dieser Hass gegen Polizeibeamte und dass man ihnen die Hölle auf Erden wünscht, scheint immer mehr salonfähig zu werden. Was passiert hier? Wir sprechen einer ganzen Berufsgruppe ihre Menschlichkeit ab. Wir müssen unbedingt gesellschaftlich und politisch wieder dagegen handeln.

Als wir uns mit der Kennzeichnungspflicht beschäftigt haben, haben wir uns gefragt: Cui bono? Wem nützt es eigentlich? – Wie bereits eben erwähnt, gab es in Nordrhein-Westfalen nicht einen einzigen Fall, in dem ein Beamter aufgrund seines individuellen Fehlverhaltens nicht identifiziert werden konnte. Im Gegenteil. Sogar bei der Bereitschaftspolizei kann man bis in die kleinste Einheit – die Gruppe – die Identität feststellen. Das heißt, die Kennzeichnungspflicht hat überhaupt keinen praktischen Nutzen, jedenfalls keinen positiven.

Heutzutage kann man mit wenigen Klicks die Identität, das Privatleben, das persönliche, berufliche und sogar das familiäre Umfeld ausspähen. Damit ist dem Missbrauch doch Tür und Tor geöffnet. Ob ich jetzt aus dem rechts- oder linksextremen Spektrum komme oder religiös motivierte Gewalt …

Herr Kollege, Sie achten auf das Redezeitzeichen?

Ich achte auf die Redezeit.

Die ist abgelaufen.

(Heiterkeit)

Das ist schön. Dann lassen Sie mich bitte noch ein Schlusswort sagen.

Wir sollten unbedingt unserer Polizei wieder den Rücken stärken. Denn wenn wir das nicht tun, wird irgendwann die Polizei der Politik das Vertrauen entziehen.

Aus den eben dargelegten Gründen wird die AfDFraktion diesem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Als nächste Rednerin erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Gregor Golland [CDU]: Frau Kollegin Düker, Sie sind ganz allein hier!)

Bevor jetzt Legenden entstehen: Die Kollegin Schäffer hat sich krankheitsbedingt abgemeldet. – Ich sehe schon Herrn Golland hier bei der Legendenbildung. Deswegen diese Vorbemerkung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Katzidis, ich rate in dieser Debatte – Sie haben bei der Diskussion über die Auswertung des G-20-Gipfels hier schon einiges zum Besten gegeben – sehr zur verbalen Abrüstung.

Denn die Kennzeichnungspflicht, über die wir hier reden, hat nichts mit der steigenden Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte zu tun, die auch wir mit Sorge betrachten. Sie erhöht auch nachweislich nicht die Gefährdung, auch wenn Sie das hier noch so oft in den Raum stellen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wo ist der Nachweis?)

Denn worum geht es? – Es ist eine anonymisierte Kennzeichnung, die es auch schon vorher gab und die um eine Ziffer ergänzt worden ist, Herr Löttgen. Also rüsten Sie alle einmal ein bisschen ab! Es gab schon immer eine Kennzeichnung. Man konnte einen Polizisten immer schon bis auf die Gruppe identifizieren, in der er eingesetzt ist. Jetzt wird es noch etwas mehr individualisiert.

Ich rate also, in dieser Debatte etwas abzurüsten. Hier wird überhaupt kein Generalverdacht gegen Beamtinnen und Beamte ausgesprochen, weil wir einer anonymisierten Kennzeichnung nur eine Ziffer mehr anfügen.

(Zuruf von der CDU: Das ist Misstrauen ge- genüber der Polizei!)

Es geht schlicht und einfach um Bürgernähe und darum, Transparenz unserer Polizei als Träger des Gewaltmonopols darzustellen. Wie Kollege Bialas schon gesagt hat, sollte ein Träger des Gewaltmonopols grundsätzlich – es gibt Ausnahmen, aber grundsätzlich – den Bürgerinnen und Bürgern mit offenem Visier gegenübertreten.

Unsere Polizei hat auch nichts zu verbergen oder sich zu verstecken. Mit Misstrauen in den Rechtsstaat hat das überhaupt nichts zu tun. Im Land Brandenburg gibt es das übrigens auch. Es hat nachweislich keine negativen Auswirkungen.

Die Linie der Polizei in NRW, die es bisher gab, hat die damalige rot-grüne Landesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Golland vor einigen Jahren wie folgt dargestellt – ich zitiere aus der Antwort der Landesregierung auf die damalige Kleine Anfrage –:

„Die NRW-Linie ist vielmehr die Umsetzung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit und damit Ausdruck einer versammlungsfreundlichen und bürgerorientierten Grundhaltung.“

Weiter heißt es dort:

„Festzustellen ist, dass die ,NRW-Linie‘ die Außendarstellung der nordrhein-westfälischen Polizei als eine kommunikative, deeskalierende und konsequente Organisation nachhaltig geprägt hat und dies auch weiter tun wird.“

Anders als nach dem, was hier gerade als Popanz aufgebaut wird, verträgt sich das nämlich sehr wohl – Deeskalation auf der einen Seite und konsequente Durchsetzung des Rechts auf der anderen Seite.

Diese Leitlinie hat der NRW-Polizei auch im Ländervergleich einen guten Ruf eingebracht. Wir stellen sie nach wie vor nicht infrage. Offenbar wollen Sie von Schwarz-Gelb das.

Ich blicke einmal nach links zu Herrn Minister Reul und zu Herrn Staatssekretär Mathies, der auch immer für diese Linie gestanden hat. Die Frage an Sie wäre, ob Sie diese Linie, die wir in Nordrhein-Westfalen immer im Konsens von Rot-Grün gefahren haben, infrage stellen. Die Wortbeiträge heute in der Aktuellen Stunde und die Wortbeiträge der Vorrednerinnen und Vorredner lassen das tatsächlich befürchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können hier am Redepult noch so viel Law-and-Order-Rhetorik vom Stapel lassen. Das ist vielleicht etwas für die Stammtischhoheit. Durch Ihr ganzes rhetorisches Aufrüsten bekommen die Menschen in Nordrhein-Westfalen aber noch lange nicht mehr Sicherheit.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Unsinn!)

Deswegen hätte ich es besser gefunden – das hätte ich mir auch gewünscht –, von Ihnen einmal zu hören, wie Sie tatsächlich mehr Sicherheit für die Menschen in Nordrhein-Westfalen schaffen wollen, statt hier Ihre Scheindebatten, Ihre Symboldebatten und Ihre aufgeladenen rhetorischen testosterongesteuerten Schaufensterreden zu halten –

(Lachen von der CDU)

um es einmal auf den Punkt zu bringen.

(Zuruf von der CDU: Niemand hat geklatscht!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Reul das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste zuerst und in Kürze: Diesen Antrag von FDP und CDU begrüßen wir. Wir kommen natürlich der Aufforderung nach, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Kennzeichnungspflicht wieder abgeschafft wird.

Im Gegensatz zu vielen anderen war ich in der letzten Wahlperiode nicht dabei. Deswegen habe mir einmal ganz nüchtern die Unterlagen angesehen, in denen begründet worden ist, warum man diesen Weg geht. Ich muss sagen: Es fällt mir schwer, zu verstehen, welchen Sinn das eigentlich hatte.

Zur Begründung der Kennzeichnungspflicht hieß es damals – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin –:

„Um das Vertrauen in die Tätigkeit von Bereitschaftspolizei- und Alarmeinheiten und in die Kontrolle staatlichen Handelns weiter zu stärken, …“

Später steht im Text:

„Mithilfe der anonymisierten individuellen Kennzeichnung wird eine nachträgliche Identifikation der PVB erleichtert und das Vertrauen in die Kontrolle staatlichen Handelns erhöht.“

Ich gebe ja zu, dass ich erst kurze Zeit Innenminister bin. Aber ich höre nicht, dass es ein mangelndes Vertrauen in die Arbeit unserer Polizisten gibt. Ich höre überall nur von großem Vertrauen in Polizei.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)