Protocol of the Session on July 12, 2017

Herr Abgeordneter Ott, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Blex?

Wenn die Zeit angehalten wird, ja.

Die Zeit wird hier immer angehalten.

Sehr schön. – Sie ist schon zehn Sekunden weitergelaufen.

Dann bitte sehr, Herr Dr. Blex.

Wie kommen Sie zu dieser abstrusen These, dass die Mehrheit der Eltern möchte, dass ihre Kinder bis nachmittags in der Schule verwahrt werden? Wie kommen Sie zu dieser absolut abstrusen These, die Sie gerade aufgestellt haben?

Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, aber in der Welt der Mehrheit der Menschen – in allen Umfragen ist dies deutlich – wird das Ganztagsangebot gefordert, um es für sich in Anspruch zu nehmen.

(Beifall von der SPD)

Fördern und Fordern muss angeboten werden, und deshalb ist das Prinzip des offenen Ganztags – offen in dem Sinne, dass Sportvereine, Jugendverbände und eben auch Experten zusätzlich zu den Kolleginnen und Kollegen, den Lehrerinnen und Lehrern in die Schule kommen – einfach vernünftig. Deshalb wäre eine banale Rückkehr zu G9 – also zu früher – schlicht falsch und würde auch der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung deutlich widersprechen.

Deshalb ist es jetzt angesichts all dessen, was passiert ist – und dazu fordere ich die Landesregierung und damit auch die Ministerin auf –, wichtig, dass wir wirklich jedes Kind im Blick behalten und genau gucken, welches Förder- und Forderangebot es braucht.

Und: Wie sichern wir die Wahlmöglichkeiten für jedes einzelne Kind? Oder dürfen doch nur die Schulen entscheiden, ob sie G8 oder G9 machen? Was passiert mit den Kindern, die jetzt in die 5. Klasse kommen? Was passiert mit denen, die in Klasse 6, 7 und 8 sind? Sind das im Grunde dann die Verlierer der Umstellung, und wir müssen ein paar Jahre warten, bis es dann so weit ist? Was passiert mit den anderen Schulformen, die ja zusätzliche Förderstunden bekommen haben? Werden jetzt sozusagen alle anderen, die nicht Gymnasiasten sind, dadurch bestraft? Was passiert eigentlich mit der Förderung der hochbegabten Kinder, für die G8 überhaupt kein Problem dargestellt hat, weil wir ja alle wissen, dass Frustration auch entstehen kann, wenn es zu langsam geht?

Diese Fragen werden wir in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn es hier nicht gelingt, klare Antworten zu geben, dann wird diese Volte ganz schnell ein Rohrkrepierer. Aber grundsätzlich finde ich, dass es sich lohnt, um den richtigen Weg zu streiten. Und das, Yvonne, werden wir tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Müller-Rech.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es gleich vorab zu sagen: Wir werden die Umstellungen an den Gymnasien nicht übers Knie brechen. Und um auch das vorwegzunehmen: Wir werden garantiert auch keine Positionen von Ihnen

(Die Rednerin richtet sich an die Fraktion der AfD.)

(Zuruf von der AfD: Tun Sie doch! Machen Sie doch ständig, vor allem im Wahlkampf!)

Nein, tun wir nicht. Sie werden sehen, dass wir auch diesen Antrag heute ablehnen werden.

(Helmut Seifen [AfD]: Schade!)

Mit der Leitentscheidung für eine Rückkehr zu G9 zum Schuljahr 2019/2020 haben die Gymnasien jetzt ein klares Signal erhalten. Für Gymnasien, die beim achtjährigen Bildungsgang verbleiben wollen, eröffnen wir eine unbürokratische Entscheidungsmöglichkeit für G8. Gleichzeitig wollen wir auch alle Gymnasien besser unterstützen, um Benachteiligungen gegenüber anderen Schulformen abzubauen und die Qualität der Gymnasien zu stärken.

Wir werden uns mit betroffenen Verbänden und Gruppierungen intensiv austauschen und die Erfahrungen anderer Bundesländer einbeziehen. Deswegen hat die NRW-Koalition ganz bewusst entschieden, dass wir der Exekutive und vor allem den Schulen einen zeitlichen und organisatorischen Vorlauf einräumen, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu gestalten.

Völlig zu Recht hat das auch der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung bestätigt – ich zitiere –:

„Eine überstürzte sprichwörtliche Rolle rückwärts wäre das Schlechteste, was unseren Schulen, Schülern, Eltern und Lehrern passieren könnte. Schulverwaltung und Lehrkräfte brauchen Zeit, um die Veränderungen vernünftig zu organisieren.“

(Beifall von der FDP und der CDU)

Genau diese notwendige Zeit müssen und werden wir uns nehmen, um die Veränderungen zu organisieren.

Deswegen, werter Herr Seifen: Ihr Antrag ist – vorsichtig formuliert – wohlfeil. Sie schreiben einerseits, dass im Umsetzungsprozess weitere Störungen vermieden und auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. Andererseits fordern Sie aber, schon zum nächsten Schuljahr zu beginnen. Sie wissen selbst, dass dann bis zu den Anmeldungen nur noch ein halbes Jahr Zeit wäre. Das passt doch überhaupt nicht zusammen, was Sie hier fordern! Ihre Forderungen sind nicht seriös und nutzen auch den Gymnasien nichts.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie stellen hier wie so oft scheinbar einfache Lösungen vor, die mit der Realität vor Ort überhaupt nichts

zu tun haben. Die Umstellungsprozesse sind längst nicht so simpel, wie Sie sie hier darstellen.

Wir werden zum Beispiel auch noch entscheiden müssen – das ist eben auch schon angeklungen –, wie viele bereits bestehende Jahrgänge ebenfalls die Möglichkeit zum Wechsel erhalten sollen. Es geht um Rechtssicherheit hier, und da sind auch Absprachen mit den Schulträgern zu treffen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abgeordneten Keith?

Vielen Dank, dass Sie mir die Erlaubnis geben, eine Frage zu stellen. – Ich komme aus dem nördlichen Randgebiet von NordrheinWestfalen an der Grenze zu Niedersachsen. Dort wandern die Kinder scharenweise in eine Privatschule ab, die jetzt schon G9 hat.

Können Sie sich nicht vorstellen, dass man auch im nächsten Jahr abwandern wird, wenn das nicht vorgezogen wird?

(Beifall von der AfD)

Wir setzen einen ganz anderen Fokus. Wir setzen darauf, es jetzt ordentlich zu machen, Qualität umzusetzen und sich dann Zeit zu nehmen, um ein qualitativ gutes Produkt herauszubekommen. Das ist an der Stelle unsere Priorität.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich komme zu einem weiteren Punkt aus Ihrem Antrag. Sie schreiben – ich zitiere –:

„Die dafür erforderlichen bewährten Lehrpläne sind vorhanden, ebenso zu einem Teil auch noch die erprobten Lehrbücher.“

G8 wurde vor über einem Jahrzehnt eingeführt. Und Sie fordern hier ganz lapidar, dass wir die alten Lehrpläne und Bücher weiterverwenden?

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Ja, zurück in die Zukunft!)

Das zeigt uns wieder einmal, dass sich Ihre Sicht auf Gegenwart und Zukunft an vergangenen Jahrzehnten orientiert. Das haben Sie hier selber bewiesen. Es ist Ihnen zu wünschen, dass Sie nicht nur in der Schulpolitik, sondern auch in den anderen politischen Feldern im Hier und Heute ankommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wir werden keine populistischen Schnellschüsse zulassen, sondern die Umstellung sachangemessen, strukturiert und auf der Höhe der Zeit gestalten, weil wir Wert auf das Gelingen setzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Marcus Pretzell [AfD]: Dafür ist Ihre Partei bekannt!)

Vielen Dank, Frau Müller-Rech. – Herr Seifen, nehmen Sie es mir nicht übel. Ich habe nur hier draufgeguckt. Ich habe Sie nicht gesehen. Sonst hätte ich natürlich nicht Herrn Keith aufgerufen, sondern Sie. Ich bitte um Verständnis. Der Rest ist meinem schlechteren Sehvermögen ohne Brille geschuldet. Ich erkenne Sie aber noch gerade so.

(Heiterkeit)

Ich rufe als nächste Rednerin für die Fraktion der Grünen Frau Kollegin Beer auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was Frau Müller-Rech zum Schuss gesagt hat: Jetzt wollen wir es ordentlich machen. – Ich finde, das ist ein guter Vorsatz, weil die Einführung des G8 und das, was den Schulen damals zugemutet worden ist, keine ordentliche Arbeit war. Es ist überstürzt den Schulen vorgelegt worden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist den Schulen überstürzt vorgelegt worden. Den Kommunen ist dieses Konzept auf den Schulhof gekehrt worden. Ich glaube, wir alle können daraus lernen.

Wir haben vom runden Tisch auch gelernt, dass diejenigen, die da sitzen, nicht immer das vertreten, was in den Schulen wirklich diskutiert worden ist. Auch das man muss man reflektieren. Ich würde sehr darauf Wert legen, dass jetzt auch im Folgenden die Stimmen sowohl der Schülerinnen und Schüler als auch der Eltern und der Verbände miteinander ernst genommen werden.