Protocol of the Session on July 12, 2017

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. – Ich erteile nun für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Stamp das Wort. Bitte sehr.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt muss nicht nur weiterhin Ziel der Landesregierung sein, wie es die SPD-Fraktion in ihrem Antrag formuliert, sondern wir müssen unsere Anstrengungen deutlich verstärken, weil es die bittere Realität der Diskriminierung, die Frau Aymaz eben angesprochen hat, tatsächlich gibt. Deshalb – das will ich gleich zu Beginn ganz klar sagen – kann es für uns auch kein Weiter-so geben, sondern wir wollen die Anstrengungen verstärken. Daran werden Sie uns am Ende der Legislaturperiode auch messen können.

Herr Kollege Yetim, Sie haben eben ausgeführt, dass Staatssekretärin Güler und ich in anderer Funktion, nämlich in der Opposition, bei der gemeinsamen Auswertung des Expertengespräches darauf hingewiesen haben, dass die anonymisierten Verfahren nicht das gebracht haben, was Sie und die damalige Landesregierung sich tatsächlich gewünscht haben.

Wir haben in unseren Wahlprogrammen und in unserem Koalitionsvertrag klargestellt, dass wir genau diese Politik verändern werden. Jetzt tun wir das, was wir vor der Wahl angekündigt haben, und Sie beantragen eine Aktuelle Stunde dazu. Das ist doch bemerkenswert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist und bleibt ein defensiver Ansatz. Mögliche Diskriminierungen verschieben sich im Laufe des Bewerbungsprozesses lediglich nach hinten, und ein solches Verfahren kann den Bewerberinnen und Bewerbern auch suggerieren, dass mit ihrer Bewerbung ein Makel verbunden sei.

Sie haben darauf hingewiesen, dass sich große Unternehmen der Sache anschließen. Andere wiederum haben sich davon verabschiedet; die Einschätzungen sind unterschiedlich. Das war auch in der Landesverwaltung so. Deswegen ist es auch nicht flächendeckend eingeführt worden, deswegen hat es nur Pilotprojekte gegeben. Es gibt, wie Frau Kollegin Aymaz von den Grünen gerade selbst ausgeführt hat, nicht einmal einen Nachweis dafür, dass es irgendetwas gebracht hat.

Wir brauchen aber, meine Damen und Herren, mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst. Wir haben immer noch viel zu wenige Beschäftigte mit diesen Biografien und damit verbundenen wertvollen Kompetenzen. Das ist aber wichtig, wenn wir beim Thema „Integration“ weiter vorankommen wollen, und dafür brauchen wir eine wertschätzende Haltung.

Wir können doch nicht allen Ernstes für eine entsprechende Ermutigungsklausel sein, mit der wir in den Anzeigen erklären, dass Bewerbungen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte ausdrücklich erwünscht seien, gleichzeitig aber anonymisierte Bewerbungen durchführen. Das passt doch nicht zusammen. Das ist unsystematisch, und deswegen ist es der falsche Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir wollen – ganz im Gegenteil – in den Bewerbungsverfahren einen offenen und wertschätzenden Umgang mit Vielfalt erreichen. Deswegen wollen wir Instrumente prüfen, die deutlich mehr versprechen als das anonymisierte Verfahren.

Herr Kollege Rehbaum hat eben schon die DIN 33430 angesprochen. Das klingt sehr technisch, aber dahinter verbirgt sich die Anleitung, Bewerbungsverfahren nach ganz klaren Qualitätskriterien durchzuführen, die für die entsprechende Stelle notwendig sind, sodass eben nicht der „falsche“ Name dazu führt, dass die Bewerbung auf dem falschen Stapel landet. Das ist die Herangehensweise, die wir von verantwortungsvollen Personalern einfordern

wollen. Das ist der richtige Weg, den wir in Zukunft gehen werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir wollen die Vielfalt im öffentlichen Dienst stärken. Wir wollen, dass sich die offene, die vielfältige Gesellschaft im öffentlichen Dienst und natürlich auch in der Wirtschaft abbildet. In vielen Bereichen ist die Wirtschaft auch viel weiter, weil sie weiß, dass Diversity Management ein wesentlicher Punkt für eine erfolgreiche Unternehmenskultur ist.

Das werden wir hier in der Landesverwaltung weiterentwickeln. Ich fände es schön, wenn uns die Opposition bei diesem Vorhaben positiv begleiten würde, anstatt hier eine Benachteiligung zu konstruieren, die wir überhaupt nicht vorgesehen haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Stamp. – Aufgrund von Nachfragen darf ich an dieser Stelle auf einen Punkt hinweisen: Heute sind Kolleginnen und Kollegen unter uns, die ihre erste Rede im Plenum halten. Da ich keine gesicherte Erkenntnis darüber vorliegen habe, um welche Kolleginnen und Kollegen es sich handelt, unterliege ich der Gefahr, den einen zu erwähnen, den anderen vielleicht nicht. Deshalb möchte ich in Ihrem Namen und im Namen des Präsidiums allen Rednerinnen und Rednern, die heute ihre erste Rede hier im Plenum halten, herzlich gratulieren.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ich darf nun für die SPD-Fraktion Frau Lüders das Wort erteilen. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Laschet, hat es Sie nicht völlig aufgeschreckt, dass Ihre ehemalige Pressesprecherin Christine Lüders – mit mir namensgleich, aber nicht verwandt und nicht verschwägert – eine derartige öffentliche Kritik an dem vermurksten Start Ihrer Staatssekretärin, die noch dazu eine ehemalige Kollegin von Frau Lüders ist, geäußert hat? Darauf hätten wir gerne eine Antwort. Denn das, was Frau Lüders gesagt hat, ist im Kern vollkommen richtig.

Die anonymisierten Bewerbungsverfahren abzuschaffen, ist eine Rolle rückwärts. Die Kollegin der Grünen hat es gerade gesagt: Es ist ein Element in einer Bandbreite von kultureller Öffnung, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch von Frauen – und das Thema haben Sie überhaupt nicht angesprochen – zu fördern.

Herr Rehbaum und Herr Lenzen, wenn Sie erklären, man müsse dieses Mittel überdenken und hinterfragen, dann haben Sie beide wohl nicht verstanden, was Ihre Regierung vorhat.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie wollen nicht hinterfragen, Sie haben auch nicht hinterfragt. Vielmehr haben Sie vereinzelt mit Menschen darüber gesprochen, und nun schaffen Sie es einfach ab. Das ist kein Hinterfragen. Das ist schlichtweg Murks, was da passiert ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister Dr. Stamp, ich finde es schon zynisch, zu sagen, es habe nicht immer funktioniert. Wenn es ein einziges Mal funktioniert hat,

(Ralf Witzel [FDP]: Es hat nie funktioniert!)

dass ein Mensch mit Migrationshintergrund nicht wegen seiner Herkunft ausgesiebt worden ist, dann ist es richtig und wichtig, dieses Element weiterzubefördern und beizubehalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollen Instrumente prüfen, ohne Instrumente zu benennen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Dann belassen Sie es doch bei einem der vielen Instrumente, die sich bewährt haben, ohne es einfach sang- und klanglos in der Schublade verschwinden zu lassen.

Sie führen an, dass die Post und die Telekom mittlerweile auf das anonymisierte Bewerbungsverfahren verzichten. Setzen Sie sich doch einmal mit den Personalern von Post und Telekom zusammen. Hier möchte ich übrigens für die Jüngeren unter uns den Hinweis geben: Die damalige Bundesfamilienministerin hieß Kristina Schröder; der eine oder andere mag sich an die Dame erinnern. Sie hatte das zusammen mit der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle initiiert. Warum verzichten Post und Telekom mittlerweile darauf? – Weil sich seit Einführung der anonymisierten Bewerbungsverfahren die gesamte Kultur in den Personalabteilungen stark verändert hat, weil sie sensibilisiert worden sind in einer Zeit, als anonymisierte Verfahren noch gang und gäbe waren, sodass man heute anders reagieren muss.

Unsere Landesverwaltung braucht diese Sensibilisierung nach wie vor. Deshalb ist für uns klar: Die anonymisierten Bewerbungsverfahren müssen auf dem Weg zur interkulturellen Öffnung beibehalten werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüders. – Für die CDU erteile ich Herrn Blöming das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die anonymisierte Bewerbung wird abgeschafft. Aus meiner 15-jährigen Erfahrung als Ausbildungsleiter bei der Stadt Erwitte kann ich sagen: Das ist genau richtig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben dieses Instrument geschaffen, weil Sie ein immenses Misstrauen gegen die Personalverantwortlichen im öffentlichen Dienst hegen.

(Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Sie halten dieses Mittel für notwendig, weil Sie glauben, dass die Personaler migranten- und frauenfeindlich sind. Das ist Ihre Haltung gegenüber den Menschen, die für unsere Kommunen und unser Land arbeiten.

Anstatt sich dem Problem durch Aufklärung entgegenzustellen, haben Sie die anonymisierten Bewerbungsverfahren geschaffen. Sie wollten also einen von Ihnen im System identifizierten Fehler nicht beheben. Sie wollten nicht für das Thema sensibilisieren, Sie wollten und wollen tricksen.

(Nadja Lüders [SPD]: Bitte? – Josefine Paul [GRÜNE]: Dann erklären Sie doch bitte ein- mal, was Sie wollen!)

Damit tun Sie niemandem einen Gefallen. Das System der anonymisierten Bewerbungsverfahren ist mit der vorangegangenen Evaluationsphase ein Musterbeispiel für „lang geplant, aber viel zu kurz gedacht.“

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen zur Linken, Sie können uns und den Bürgern doch nicht ernsthaft verkaufen wollen, dass Menschen, die wie von Ihnen unterstellt denken, im Bewerbungsgespräch plötzlich vom Saulus zum Paulus werden und ihre Vorurteile vergessen. Das ist realitätsfremd. Wer als Mitarbeiter keine Frau, keinen Menschen mit Handicap und keinen mit Migrationsgeschichte haben will, wird diese Einstellung nicht plötzlich im Bewerbungsgespräch ändern.

Und noch etwas: Sie beharren auf dem Klischee des benachteiligten Migranten und verfestigen es durch diese Maßnahme sogar noch. Die neue Landesregierung macht es besser.

(Heike Gebhard [SPD]: Wie?)

Sie sagt den Menschen: Wir brauchen euch, auch weil ihr eine Geschichte habt.