Viele aus fremden Ländern haben nach dem Krieg mit uns zusammen dieses Land aufgebaut und sind ein Teil unserer Gemeinschaft geworden. Diese Vielfalt, die unser Land ausmacht, muss auch im öffentlichen Dienst repräsentiert werden. Das fördert das Verständnis untereinander, überwindet kulturelle Barrieren und gehört zu einer effizienten, kundenorientierten Verwaltung heute einfach dazu.
Die überwältigende Mehrheit in diesem Parlament will mehr Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst. Wir sind uns daher einig im Ziel, aber eben nicht in der Wahl der Mittel.
Die FDP-Fraktion ging als Anhänger der anonymisierten Bewerbung in die letzte Legislaturperiode, aber als deren Kritiker wieder aus ihr hinaus; denn eine Maßnahme muss sich immer an ihren Auswirkungen in der Realität messen lassen. Nicht alles, was gut klingt, ist auch gut.
Es geht in der Politik nicht nur darum, allem einen schönen Namen zu geben, sondern es muss auch funktionieren. Es gibt ein paar schöne Beispiele, die sehr gut klingen.
Ein Beispiel ist die Mietpreisbremse. Das klingt gut, hat aber nicht den gewünschten Effekt. Die Mieten sind trotzdem gestiegen.
„Kein Kind zurücklassen!“ klingt auch sehr gut. Die Kinderarmut ist in der vergangenen Legislaturperiode ebenfalls gestiegen.
Auch die anonymisierte Bewerbung klingt gut. Man möchte den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung erhöhen. Aber auch dies ist nicht gelungen.
Dazu haben Sie eine Evaluation vorgelegt. Würde man jetzt den Fehler machen, nur die Einleitung bzw. die Zusammenfassung zu lesen, dann klänge es wie
Interessanter ist vielmehr der Teil dazwischen. Wenn man dort hineinschaut, sieht man schnell, dass es mehr Aufwand bei Kosten und Bürokratie gibt, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Von den Personalverantwortlichen wurden die anonymisierten Bewerbungen bei der qualitativen Befragung als unnötig bezeichnet und eher negativ beurteilt. Außerdem konnte nicht nachgewiesen werden, dass das Ergebnis gegenüber dem traditionellen Einstellungsverfahren in irgendeiner Weise besser oder schlechter gewesen wäre. So lauten die Ergebnisse Ihrer eigenen Evaluation.
Allein eine schlichte Anweisung an die Personalverantwortlichen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen, hätte mindestens genauso viel gebracht, vielleicht sogar noch mehr.
Ein Ansatz wäre auch, das Thema mit einer modernen Werbekampagne anzugehen. Schließlich haben die geschätzten Kollegen der Grünen unsere Werbekampagne zur Bundestagswahl im Netz regelrecht abgefeiert. Daran sehen Sie ja schon, dass wir so etwas können.
Genauso eine moderne Werbekampagne für mehr Migranten im öffentlichen Dienst kann unserer Meinung nach einen weitaus effektiveren Beitrag zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund in den Landesbehörden leisten.
Liebe SPD, die Quelle haben Sie angegeben. Aber die Erfahrungen aus der freien Wirtschaft haben Sie unter den Tisch fallen lassen.
Diesen konnte man nämlich schnell entnehmen, dass die Deutsche Telekom sich schon 2012 von dem Verfahren verabschiedet hatte. Die Begründung war: Es hat nicht geschadet, aber auch nicht genützt.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die Deutsche Post. Sie sah letztendlich keinen Mehrwert zum herkömmlichen Personalauswahlverfahren und ist klar der Meinung, alle Aspekte der Chancengleichheit seien auch vorher im traditionellen Verfahren im Allgemeinen gewährleistet.
Hinzu kommen – das hat der eine oder andere Vorredner schon angesprochen – die speziellen Kompetenzen bei den Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die dann unter den Tisch fallen würden, wie muttersprachliche Mehrsprachigkeit oder auch interkulturelle Kompetenz.
Würde man bei einer Bewerbung sprachliche und grammatikalische Unzulänglichkeiten, aber auch Unzulänglichkeiten in der Rechtschreibung sehen, würde man sie bei einem Migranten garantiert anders bewerten als bei einem Bewerber, dessen Herkunft man eben nicht genau kennt.
In diesen Fällen wäre die anonymisierte Bewerbung für den Bewerber mit Migrationshintergrund sogar ein Nachteil.
Statt sich, wie Sie es gemacht haben, Ihre eigene Evaluation schönzureden, wollen wir das Thema jetzt wirklich ernsthaft und nachhaltig angehen und den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung steigern. Das hätten Sie selbst schon vor Jahren machen können. Dann wären wir jetzt schon ein ganzes Stück weiter. Jetzt machen wir es eben. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde heute schon mehrmals darauf hingewiesen: Noch immer werden Menschen bei der Wohnungssuche, auf dem Arbeitsmarkt, in öffentlichen Institutionen wegen ihrer Herkunft und sehr oft wegen ihrer vermeintlichen Herkunft, ihres so fremd klingenden Namens oder auch wegen ihrer Hautfarbe bzw. ihres Aussehens diskriminiert. Das ist die bittere Realität in unserer Gesellschaft. Auch nicht wenige von uns in diesen Reihen haben diese bittere Erfahrung persönlich machen müssen. Das dürfen und wollen wir nicht hinnehmen.
Gegen eine solche Ausgrenzung müssen wir mit Konzepten und Maßnahmen entschieden vorgehen. Ein geeignetes Instrument dafür ist das anonymisierte Bewerbungsverfahren. Hier geht es nicht darum, wie Staatssekretärin Güler behauptete, dass Menschen ihre Herkunft verleugnen oder verstecken müssen, nein, vielmehr ist es ein Instrument zur Überwindung von Diskriminierung und zur Herstellung von Chancengleichheit.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren dienen dazu, zumindest den ersten Schritt eines Bewerbungsverfahrens für die Bewerberinnen und Bewerber diskriminierungsfrei zu gestalten, sodass nicht der Name, die Nationalität, das Geschlecht oder das Aussehen
eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verhindern. Das in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführte Pilotprojekt in der Landesverwaltung hat gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungsverfahren gut realisierbar sind und den Anspruch, im Rahmen der Bestenauslese qualifiziertes Personal einzustellen, durchaus erfüllen.
Der Anteil der Einstellungen von Menschen mit Migrationshintergrund in Höhe von 20,8 % kam dem Bevölkerungsanteil – im Jahre 2011 waren es 22,8 % – sehr nahe.
Im Anschluss an das Pilotprojekt wurde das anonymisierte Bewerbungsverfahren in neun von zwölf Ressorts in ausgewählten Bereichen, nämlich dort, wo eine Standardisierung der Verfahren besonders gut möglich ist, zum Beispiel bei der Einstellung von Auszubildenden, eingesetzt. Der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund ist auch in dieser Zeit, also von 2011 bis 2015, von 12,1 % auf 13,4 % gestiegen. Ob das kausal auf die anonymisierten Bewerbungsverfahren zurückzuführen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Was sich allerdings mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren einen intensiven Dialog, eine intensive Debatte angestoßen und zur Sensibilisierung bei den Personalverantwortlichen beigetragen hat.
Ein solches Verfahren mit einer so wichtigen Signalwirkung, das sogar inzwischen von einigen Großunternehmen eingesetzt wird, einfach mal so als „Murks“ zu bezeichnen, zeugt, um es mal milde auszudrücken, von mangelnder Sensibilität.
Das wird auch dem berechtigten Anspruch vieler Menschen in unserem Land auf Gleichbehandlung nicht gerecht.
Dass dieses Verfahren kein Allheilmittel gegen Diskriminierung ist, ist auch uns bewusst. Wir Grüne sind der Überzeugung, dass es bei bestimmten Stellenprofilen sinnvoll ist, das anonymisierte Bewerbungsverfahren durchzuführen. Es muss in den Gesamtkontext der interkulturellen Öffnung und in eine nachhaltige und breit angelegte Antidiskriminierungsarbeit eingebettet werden. Daher müssen wir uns auch darum bemühen, Migrationsbezüge als Kompetenz und nicht als Defizit zu verstehen.
Das kann gelingen, wenn sprachlichen Fähigkeiten, interkulturellen Kompetenzen und Auslandserfahrungen bei Bewerbungen und Auswahlverfahren eine größere Bedeutung zugemessen wird und nicht dem Namen oder der vermeintlichen Herkunft.
Das kann gelingen, wenn der Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsmarkt gestärkt, ausgebaut und durch effektive Mittel gewährleistet wird.
Und das kann gelingen, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unsere Gesellschaft endlich als eine Einwanderungsgesellschaft, als eine Gesellschaft der Vielfalt und Transnationalität vollständig anerkennen und nationale Denkmuster überwinden.
Umso unverständlicher ist es, dass nun Staatssekretärin Güler als ihre erste Amtshandlung ausgerechnet dieses eine Element als „Murks“ bezeichnet und ohne weitere Auswertung abschaffen will. Das wirft auf jeden Fall die Frage auf, wie die Regierung nun die von Frau Güler versprochenen besseren Bedingungen für Menschen mit Migrationshintergrund in der Arbeitswelt erreichen will. Denn die gleichberechtigte Teilhabe von Repräsentation aller in den öffentlichen Institutionen ist und bleibt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unerlässlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb ist die ersatzlose Streichung der anonymisierten Bewerbungsverfahren aus unserer Sicht das völlig falsche Signal an unsere sich stetig wandelnde und immer vielfältiger werdende Gesellschaft. Und das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, um es mit den Worten der Staatssekretärin auszudrücken, nicht nur Murks, sondern Obermurks.