Protocol of the Session on September 29, 2018

Vielen Dank, Frau Kollegin Plonsker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Bombis.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Sie können das besser, Herr Bombis! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Als wer? – Heiterkeit)

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Im Rheinischen Revier geschieht Strukturwandel in Echtzeit. Wir Menschen aus dem Rheinischen Revier gestalten den Wandel; was dringend nötig ist, um Fehler und Strukturbrüche, die es – wie wir alle wissen – anderswo hier im Land durchaus auch gegeben hat, zu vermeiden.

Damit dieser Strukturwandel gelingen kann, braucht es vorrangig drei Dinge. Es braucht erstens den Willen und die Bereitschaft in der Region für eine Neuausrichtung, für eine Gestaltung, für den positiven Blick nach vorne. Es braucht zweitens ein Leitbild, ein Konzept und ein daran angelegtes Förderkonzept, das den besonderen Interessen der Region gerecht wird und das vorausschauende Perspektiven für die zukünftige Gestaltung eröffnet.

Es braucht schließlich drittens ganz konkret – das möchte ich heute auch als Forderung in Richtung der Strukturwandelkommission in Berlin nennen – die konsequente Umsetzung des eigenen Auftrags dieser Kommission, nämlich sich um den Strukturwandel in der betroffenen Region zu kümmern.

Ich möchte kurz auf die drei Punkte eingehen.

Erstens. Der Wille und die Bereitschaft in der Region sind zweifelsohne da. Mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier haben wir eine Vernetzungsstelle – bereits von der Vorgängerregierung auf die Schiene gesetzt –, die sich als Innovationsagentur versteht und die kürzlich die Eckpunkte für ein Strukturprogramm mit vielen Projekten vorgelegt hat.

Für die Menschen im Rheinischen Revier – ich komme selber dorther; daher möchte ich auch meinen persönlichen Eindruck schildern – ist es selbstverständlich, sich am Strukturwandel zu beteiligen. Es ist bemerkenswert, mit welcher Gestaltungsfreude sich die Akteure in der Region in diesen Prozess einbringen, wie stark der Wille ist, für die Region – die in der Vergangenheit immer auf die Braunkohle angewiesen war, die immer von der Braunkohle gelebt hat, die auch mit der Braunkohle gelebt hat – eine Zukunft zu gestalten.

Die Braunkohle ist immer noch da, aber man richtet sich trotzdem bereits neu aus, denn man weiß, dass diese Zeit zu Ende gehen wird und dass man sich neu aufstellen muss. Dieser Vorgang ist in vollem Gange; er ist noch nicht abgeschlossen. Er wird – das will ich hinzufügen – hoffentlich niemals abgeschlossen sein, weil sich diese Region natürlich immer weiter entwickeln soll.

Zweitens. Für diese Entwicklung müssen wir die Fördermöglichkeiten in den Blick nehmen. Ich sage ausdrücklich: Der Antrag der SPD geht hier in die richtige Richtung. Allerdings rennt er mit seinen Forderungen Türen ein, die längst offenstehen. Denn dass die Region ein Teil der Förderkulisse der GRW werden soll, ist ein Anliegen, für das sich die Landesregierung mit Minister Pinkwart bereits intensiv einsetzt. Auch wir sehen die Notwendigkeit, die für die Herausforderungen des Rheinischen Reviers passenden Förderinstrumente zu Verfügung zu stellen.

Für die CDU und die FDP ist hierbei ganz entscheidend, dass am Ende die Bettdecke nicht zu kurz wird; das heißt, dass sich die Förderung nicht einfach verschieben darf und anderswo Dinge weggenommen werden. Wir haben das ganze Land im Blick. Das ist etwas, wofür diese NRW-Koalition immer steht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir wollen, um im Bild zu bleiben, eine ausreichend große Decke. Über die konkreten Maßnahmen hierfür können wir dann im Ausschuss diskutieren. Dass die NRW-Koalition auch die anderen notwendigen Schritte geht, zeigen wir zum Beispiel dadurch, dass wir geplante Änderungen des Landesentwicklungsplans bereits vorgelegt haben,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die das ebenfalls im Blick haben.

Wir wollen, dass hier Industrie- und Gewerbegebiete vereinfacht ausgewiesen werden können. Wir wollen

darüber hinaus andere Impulse setzen für eine verstärkte wirtschaftliche Tätigkeit vor allem in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen sowie für Investitionen in zukunftsfeste Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren von Rot-Grün: Das ist etwas, was die Vorgängerregierung sehr gründlich versäumt hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Drittens. Damit komme ich zu einem Punkt, der ebenso wichtig, in der jetzigen Phase vielleicht sogar wichtiger ist, um die Wertschätzung unseres Bundeslandes und des Rheinischen Reviers auch über die Region hinaus erkennbar zu machen: Das ist der Blick nach Berlin und auf die Strukturwandelkommission.

Es ist fatal, dass sich die Debatte hier alleine auf ein Ausstiegsdatum aus der Kohle konzentriert. Die Kommission hat den Auftrag, sich vornehmlich um das Gelingen des Strukturwandels, um zukunftsfeste Arbeitsplätze und Entwicklungsperspektiven im Revier zu kümmern. Wir erwarten, dass dieser Auftrag auch umgesetzt wird.

(Beifall von der FDP)

Ich bin deshalb sehr froh, dass Minister Pinkwart sich rechtzeitig mit den anderen betroffenen Bundesländern in Verbindung gesetzt hat und versucht, die Diskussion unter die Überschrift „Rationalität“ zu stellen. Wir haben in dieser emotional aufgeladenen Debatte leider viel zu wenig von dieser Rationalität.

Gestern haben wir in diesem Haus eine energiepolitische Debatte geführt, in der diese fehlende Rationalität mal wieder sehr deutlich geworden ist. Dabei konnte jeder, der es hören wollte, im Laufe dieser Debatte hören – der Minister hat dazu umfangreiche Ausführungen gemacht –, dass es hier nicht um eine theoretische Diskussion geht, sondern dass hier konkret schon etwas passiert. Das, was in Berlin passiert, hat konkrete Auswirkungen. Die Menschen in der Region haben ein Recht darauf, dass sie auch in Berlin ernst genommen werden, dass wir nicht leichtfertig über ihre Zukunft sprechen, sondern dass da die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die SPD bringt sich hier in Nordrhein-Westfalen in diesen Vorgang durchaus konstruktiv ein. Ich will allerdings hinzufügen: Ich wünschte mir, dass Sie das mit dem gleichen Nachdruck auch ehemaligen NRWKabinettskollegen in Berlin mit auf den Weg geben. Dort werden unter dem Deckmantel der Umweltministerin Dinge veranstaltet, die das konterkarieren, was Frau Schulze hier als Ministerin im rot-grünen Kabinett noch ganz anders gesehen hat. Das zeigt fatale Wirkungen. Wir als Nordrhein-Westfalen können so nicht erwarten, dass man uns in Berlin ernst nimmt. Wirken Sie bitte entsprechend auf Ihre Ministerin ein!

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Aber eines möchte ich in Richtung der Grünen ganz deutlich machen: Sie stellen sich bei diesem Vorgang ins Abseits. Sie veranstalten irgendwelche Parteiräte als Jubelfeier mit Zeltromantik. Das sind kurzsichtige Maßnahmen; das sind kurzfristige politische Geländegewinne, die Sie da im Blick haben. Von Ihnen hören wir nichts über die Beschäftigten und deren Angst um die Arbeitsplätze. Von Ihnen hören wir nichts über die Perspektive im Rheinischen Revier, über die Opfer, die dort gebracht worden sind, oder über die zukünftige Entwicklung.

Sie provozieren mit Ihren Forderungen Brüche. Lassen Sie uns den Wandel gemeinsam gestalten! Wir als NRW-Koalition wollen diesen Wandel nach vorne gerichtet gestalten. Wir werden die Zukunftsagentur Rheinisches Revier und die Akteure in der Region dabei unterstützen, konkrete Perspektiven für das Rheinische Revier zu entwickeln.

Wir werden die Strukturwandelkommission in Berlin beim Wort und in die Pflicht nehmen, diesen Strukturwandel mitzugestalten und uns dabei zu unterstützen. Dafür wird auch dieser Antrag eine interessante Grundlage sein. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Becker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich überlegt, zu sagen: Es ist gut, dass wir heute über den Strukturwandel reden – ein Strukturwandel, der unweigerlich kommen wird, und von dem schon lange klar ist, dass er unweigerlich kommen wird.

Wir alle wissen, dass er unter anderem aus Gründen des Klimawandels kommen muss. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir aber auch, dass wir schon seit einigen Jahren im Strukturwandel sind. Die Zahl der Arbeitsplätze im Braunkohletagebau hat schon deutlich abgenommen, und die Bedeutung des Braunkohletagebaus hinsichtlich der Arbeitsplätze hat stark nachgelassen.

Herr Bombis, insofern sind Sie etwas hinter den Antrag und dessen Diktion zurückgefallen. Ich will an dieser Stelle gerne etwas dazu sagen. Die Frage, ob man Strukturwandel gestalten kann oder ob Strukturwandel sozusagen über einen kommt, hängt zunächst ganz wesentlich davon ab, ob man anerkennt, dass der Strukturwandel auf einen zukommt und dass es tatsächlich den Bedarf gibt, sich zu verändern.

Da kann man nicht immer weiter an alten Strukturen festhalten; denn das verhindert – das haben wir schon an anderen Stellen des Landes gesehen – den Strukturwandel, so wie er angemessen wäre. Deswegen geht die ewige Leier der Versorgungssicherheit – das Agora-Gutachten hat längst etwas anderes nachgewiesen – an dieser Stelle fehl.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Davon steht hier aber nichts drin!)

Sie haben dazu nichts gesagt, sondern er hat dazu etwas gesagt.

Ich will abweichend von meinem Manuskript direkt etwas zur regionalen Struktur der ZRR sagen. Es ist durchaus infrage zu stellen, ob die drei Oberzentren, so wie sie jetzt zu einem Gebiet verbunden sind, idealtypisch zu einer richtigen Gebietskulisse verbunden sind. Es war ein wesentliches Motiv, dass man die Bereiche Energiesicherheit, Versorgungssicherheit und Chemische Industrie räumlich damit verbunden hat. Ob es am Ende des Tages reichen wird, eine solche Positionierung vorzunehmen, wenn man GRW-Mittel bekommen will, halte ich zumindest für zweifelhaft.

Vorweg: Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass GRW-Mittel auch in diese Region gehören, und zwar über die Steinkohleabbaugebiete hinaus. Das ist doch der eigentliche Punkt: Das war ein Steinkohleabbaugebiet und nicht ein Braunkohleabbaugebiet.

Schauen Sie sich an, wie sich die Lausitz positioniert, wie sich die räumliche Konzentration darstellt und wie sich die Bedürfnisse von strukturschwachen Gebieten überhaupt darstellen. GRW – das ist ein Mittelansatz für strukturschwache Gebiete. Ob das gesamte in Rede stehende Gebiet ein strukturschwaches Gebiet ist, kann durchaus in Zweifel gezogen werden. Ob die räumliche Abgrenzung also dazu geeignet ist, tatsächlich GRW-Mittel zu bekommen, darf man durchaus infrage stellen. Es ist jetzt aber so, wie es ist, und wir haben die ZRR in der heutigen räumlichen Abgrenzung.

Ich will deutlich machen, dass die räumliche Abgrenzung das eine oder andere Problem zeitigt. Wenn wir heute über Verkehrswege reden, zum Beispiel in der ZRR, dann stellen sich einige Fragen: Meinen wir solche Verkehrswege, die sich auf die drei Oberzentren zubewegen? Meinen wir Verkehrswege, wie sie zum Beispiel in der Lausitz diskutiert werden, mit schnellen Zugverbindungen? Oder meinen wir beispielsweise einen vollständigen dreigleisigen Ausbau der Strecke Köln–Aachen, was strukturell für die Region wichtig wäre? – Das ist unklar. Das wird in den drei Teilräumen sehr unterschiedlich behandelt.

Das geht sogar so weit, Herr Herter, dass beispielsweise Aachen den Ausbau der A 1 als besondere

Maßnahme für das Rheinische Revier in ein Positionspapier aufgenommen hat. Mit Verlaub, das ist einfach – Entschuldigung – gaga. Genauso gaga ist es, die in unserer Regierungszeit gemeinsam vorangetriebene Realisierung des RRX jetzt plötzlich als Maßnahme des Rheinischen Reviers anzugeben, obwohl wir sie ohnehin gefördert bekommen. Genauso dumm ist es – Entschuldigung, ich sage das einfach mal so –, den Exzellenzcampus Aachen jetzt plötzlich als Maßnahme für das Rheinische Revier aufzuschreiben.

Sie sind insgesamt wenig konkret, Herr Pinkwart. Gestern habe ich auf die Fragestellung, was denn diese Landesregierung mache, vernommen, dass am Freitag mittelfristige und langfristige Maßnahmen vorgestellt würden. Die kennen wir alle nicht. Vielleicht ist das ist eins zu eins das 42-Seiten-Papier der ZRR. Darum bin ich gespannt darauf, das zu hören. Jedenfalls stellt sich die Frage, was eigentlich die Aufgabe dieser Landesregierung ist.

Sie haben gestern ausgeführt, dass die Landesregierung zunächst nur sagen kann: „Der Fahrplan kann nur sein, dass wir die Kommission arbeiten lassen. Dabei kommt die Kommission hoffentlich zu einem Ergebnis, das für alle betroffenen Teile – für die Bürger, die Arbeitnehmer, die Wirtschaft und auch für unsere Umwelt – verantwortbar ist. Das ist die Aufgabe.“ – Ja, das ist die Aufgabe der Kommission, aber Aufgabe dieser Landesregierung wäre es, dazu Vorschläge zu machen und sie hier im Parlament mit uns zu diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was ich jetzt seit Monaten höre, sind immer nur Schlagworte: Wir wollen Innovation, wir wollen Entfesselung, wir wollen ein Batteriewerk. – Wenn man dann konkreter wird, findet sich von alledem nichts.

Das Papier der ZRR beinhaltet die Forderung auf Ausweitung des GWR-Gebiets – meine Damen und Herren von der SPD, das ist auf Seite 16 des Papiers nachzulesen – sowie andere Forderungen. So wird beispielsweise gefordert, für diesen Raum möglicherweise eine einheitliche Sonderzone einzurichten. Das ist ein bisschen anders formuliert, aber das ist faktisch genau das, was gefordert wird.

Ich nenne das Stichwort „planerische Erleichterungen“. Sie reden immer von Entfesselung, aber an dieser Stelle wird nichts entfesselt. Es wird nichts dargestellt, wodurch sich planerische Erleichterungen ergeben könnten. Sie gehen nicht hin und erklären dem Landtag und der Region, wie Sie zwischen Bund, Land, Regionalräten, Kreisen und Kommunen in der vertikalen Struktur diese Aufgaben lösen wollen. Sie erklären überhaupt nicht, wie Sie zu einem Batteriezellwerk kommen wollen.

Wer gestern den „Tagesspiegel“ und den „Spiegel“ gelesen hat, der konnte feststellen, dass Herr Altmaier auf einem ganz anderen Weg ist. Wir haben die ganze Zeit etwas vom zukunftsweisenden Batteriewerk für Euskirchen gehört; Tesla war da zuletzt in Rede. Vorher war ein asiatisches Unternehmen in Rede, und das ist inzwischen in Gera.

Herr Altmaier spricht von 1 Milliarde Euro für ein Batteriezellwerk, für ein Forschungswerk in der Lausitz. Wo sind Sie da? Ich höre Sie nicht. Sie reden immer: „Wir wollen, wir wollen“, aber Sie können nicht. Sie tun nichts!