Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoppe-Biermeyer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Körfges das Wort. Bitte schön.
Biermeyer, ich würde Sie, wenn Sie hier anderen Fraktionen vorwerfen, da sei schnell etwas zusammengeschrieben worden, darum bitten, sich einmal um die Quellen zu bemühen.
Ich habe mir zur Vorbereitung auf die heutige Debatte einmal alle Zuschriften der kommunalen Spitzenverbände zum Thema FlüAG und Erstattung für Geduldete angeguckt und finde – das ist jetzt kein Plagiatsvorwurf an die Antragsteller – wortgetreu Passagen in Ihrem Antrag wieder. Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und anderen, müssen Sie sich, was die Kommunalfreundlichkeit angeht, zumindest an der Stelle wohl ein bisschen vertan haben.
Der Wortbeitrag – er stand unter dem Motto „Schnell vorgetragen ist die halbe Wahrheit“ – war aber ohnehin ein bisschen konstruiert: Das mit der schwarzen Null muss ich noch schnell sagen. – Ich bedanke mich nach wie vor bei Norbert-Walter Borjans. Von dem haben wir die schwarze Null geerbt. Daran haben Sie selbst nichts gebastelt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sie haben eben die Arbeit der Vorgängerregierung beschrieben und von den 866 € im Rahmen des FlüAGs gesprochen. Wir haben das in der letzten Wahlperiode gemacht. Da haben wir das FlüAG an ein paar Stellen grundsätzlich überarbeitet.
Ich erinnere mich daran – das alles können Sie nachlesen –, dass das schon damals der seinerzeitigen Opposition nicht so richtig genügt hat. Ich erinnere an die fiskalischen Zwänge, die es damals gab. Da ging es immer nach dem Motto: „Höher, schneller, weiter – darf es nicht ein bisschen mehr sein?“ Mit dem Entschließungsantrag am 14.12.2016 forderte die CDU zum Beispiel, dass eine stärkere Berücksichtigung von Ausweisepflichtigen und Geduldeten erfolgen solle.
Und heute? Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute haben wir – Herr Mostofizadeh hat darauf hingewiesen – eine etwas andere Situation. Wir haben eine verbesserte Haushaltssituation.
Die haben wir nicht zuletzt auch, weil zum Beispiel in dem Kapitel „Unterbringung“ erhebliche Minderausgaben stehen. Und wir haben – auch das war wieder ein richtiger rhetorischer Höhepunkt – natürlich die Integrationspauschale.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie uns in dem Zusammenhang etwas vorwerfen, dann möchte ich Sie an Ihre Äußerungen im Wahlkampf erinnern, wo Sie immer wieder versichert haben: Alles eins zu eins, hundert Prozent! – Versprochen, gebrochen.
Darüber hinaus folgen Sie bezogen auf das FlüAG und auf Geduldete dieser alten Spruchweisheit von Konrad Adenauer: „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“
Wir als SPD-Landtagsfraktion haben schon zum Nachtragshaushalt 2017 und zum Haushalt 2018 – das gehört auch zur Wahrheit – Anträge gestellt, den Zeitraum, in dem das Land für Geduldete aufkommt, von drei auf maximal sieben Monate zu verlängern. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, den Kommunen zu helfen, wenn Sie es gewollt hätten. Aber Sie haben es nicht gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. So einfach ist das.
Darüber hinaus haben sich die Zahlen geändert. Wir gehen heute von deutlich mehr als 50.000 betroffenen Personen aus.
Die kommunalen Spitzenverbände haben mehrfach eindringlich auf die Situation hingewiesen und Sie spannenderweise dazu aufgefordert, sich doch bitte an Ihren alten Antrag aus 2016 zu erinnern, den ich eben zitiert habe. Und die frei werdenden Mittel – jetzt zitiere ich wörtlich – sollen nach Meinung der kommunalen Spitzenverbände
„jetzt dafür genutzt werden, die Erstattungssystematik so anzupassen, dass die Kommunen Erstattung nach FlüAG erhalten, solange Ansprüche der Flüchtlinge nach AsylbLG gegenüber den Kommunen bestehen.“
Das ist der Originaltext der kommunalen Spitzenverbände, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da können Sie sich nicht verstecken und so tun, als gebe es das nicht. Wir wollen, dass das Land deshalb die Kommunen noch stärker bei der Finanzierung dieser Personengruppe unterstützt, weil sich das zunehmend auch als neuer Risikofaktor für die Kommunalfinanzen erweist. Da stehen wir an der Seite der Kommunen.
Der Antrag, über den wir heute reden, verlangt dankenswerterweise eine neue Systematik. Wir haben mit dem Haushaltsantrag versucht, in eine Systematik hineinzukommen. Wir sind von Ihrer Systematik nicht weit entfernt. Dieser Antrag hat aber noch eine Reihe von anderen Komponenten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zum Beispiel haben wir als SPD am 16. März 2018 im Kommunalausschuss ein paar Fragen gestellt: Wie hoch ist die aktualisierte Anzahl der geduldeten Flüchtlinge in den Kommunen? Wie hoch ist aktuell
der jeweilige Betrag, der den Kommunen zur Verfügung gestellt wird? Wir wollten dazu eine kommunalscharfe Ausweisung haben. Wir haben eben in einem anderen Zusammenhang über Datenverarbeitung gesprochen. Welchen Spielraum – das haben wir dann gefragt; ich habe gerade ein paar Spielräume angedeutet – sieht das Land, um den Kommunen genau an dieser Stelle zu helfen?
Man kann es sich mit Antworten leicht machen. Die Frage, wie groß die Gruppe der Geduldeten pro Kommune ausfällt, besitzt – wörtliches Zitat aus der Antwort auf unsere Anfrage vom Februar – für die Steuerung des Auszahlungsprozesses keine unmittelbare Bedeutung.
Nein, nicht für die Steuerung des Auszahlungsprozesses, aber dafür, was die Kommunen aufgrund der konkreten Anzahl der geduldeten Menschen in ihren Bereichen tatsächlich für Ansprüche formulieren könnten.
Deshalb halten wir es für nötig, dass es dazu kommunalscharfe Zahlen gibt. Ich freue mich, dass das zugesagt worden ist. Dann kann man sich mit den unterschiedlichen Situationen vor Ort auseinandersetzen.
Wir alle bewegen uns in einem nordrhein-westfälischen Gesamtzusammenhang. Auch wir halten es für richtig, den Bund hinsichtlich der Kosten stärker in die Pflicht zu nehmen.
Aber – das sage ich an dieser Stelle einmal relativ deutlich –, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können auf polemische, populistische Phrasen von einer Anti-Abschiebe-Industrie verzichten. Ich kann Ihnen das jetzt nicht ersparen: Es ist ein wesentliches Merkmal eines Rechtsstaats, dass Behördenentscheidungen von unabhängigen Gerichten überprüft werden können. Wer das infrage stellt, zeigt meiner Meinung nach nur eins: Ihm ist im Wahlkampf die Lufthoheit über bayrischen Stammtischen wichtiger als sachgerechte Lösungen für Menschen.
Herr Stamp, Sie haben durchaus meine Sympathien, wenn Sie sich kritisch mit Ankerzentren auseinandersetzen. Die Frage, ob wir solche Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen brauchen oder nicht, muss diskutiert werden. Ich glaube aber – da bin ich ganz nah bei Ihnen –, dass reine Abschiebeeinrichtungen von enormer Größe niemandem in Nordrhein-Westfalen helfen. Es ist schwierig für die Menschen, die da leben, und darüber hinaus ist es auch schwierig für die betroffenen Kommunen.
Wir teilen den Eindruck, dass sich im Augenblick starke Wahlkampfsprüche, um Konkurrenz am rechten Rand zu verdrängen, zumindest bei der CSU als
Folgendes kann in dem Zusammenhang nicht fehlen: Herr Rainer Wendt, der in NRW sattsam bekannt ist, hat im Zusammenhang mit den Ankerzentren davon gesprochen, dass er mit dem Schlimmsten rechnet und insoweit – Zitat nach der Osnabrücker Zeitung – eine festungsähnliche Einrichtung für diese Ankerzentren vorsieht.
Ich bin dafür, dass jeder seinen Job macht. Ich glaube, dass in Berlin dafür gesorgt werden muss, dass die Asylverfahren zügig, aber auch fachlich auf dem angemessen hohen Niveau entschieden werden.
Es muss allerdings auch zur Kenntnis genommen werden, dass entgegen aller bayrischen Wahlkampfsprüche viele Menschen, die genau zu diesem Personenkreis gehören, einen Anspruch darauf haben, sich weiterhin bei uns aufzuhalten.
Es ist meine ausdrückliche Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam Schulter an Schulter – egal ob an der GroKo in Berlin beteiligt oder nicht – dafür kämpfen, dass der Bund an der Stelle unseren Kommunen mehr und deutlicher Unterstützung zuteilwerden lässt. Das Thema ist zu ernst, um es abzutun. Deshalb bin ich froh, dass wir heute nicht direkt abstimmen.
Ich denke – die Landesregierung hat da ja was angekündigt –, dass wir uns sowohl im Kommunalausschuss als auch im Integrationsbereich damit auseinandersetzen müssen, was für die Kommunen und was für die betroffenen Menschen gut ist. Das ist Maßstab für sachgerechte Politik. Dafür stehen wir zur Verfügung, für billige Wahlkampfscharmützel nicht. – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Die Grünen fordern hier eine dauerhafte und umfassende Entlastung der Kommunen bei den Aufwendungen für Geduldete. Das mag zunächst als einfache Lösung erscheinen; doch wir sollten alle Aspekte
der Situation einmal beleuchten. Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass es sich eigentlich um Menschen ohne Schutzstatus handelt, die nach dem Asylverfahren ausreisepflichtig sind und deren Abschiebung aus diversen Gründen ausgesetzt wurde.
Eine dauerhafte und umfassende Finanzierung für diese Personen wäre also ein völlig falsches Signal. Vielmehr wollen wir Rückführung erleichtern, Geduldete mit geringer Bleibeperspektive in Landeseinrichtungen unterbringen und gar nicht erst auf die Kommunen verteilen, hingegen bereits längere Zeit Geduldete mit Bleibeperspektive möglichst in einen gesicherten Aufenthaltsstatus überführen.