Heute zum Zwischenstand nur so viel: Unsere Bemühungen haben erste Erfolge. Durch die hartnäckige Ermittlungsarbeit konnten wir auf den gesicherten Videos bereits 16 Tatverdächtige ausmachen, die antisemitische und -israelische Parolen gerufen haben. Also, 16 Personen können wir das zuordnen. Fünf Tatverdächtige davon konnten bereits konkret namentlich identifiziert werden. Das ist natürlich der mühsamere Teil. Man weiß, wer es war, aber man weiß nicht, wer war es. Die anderen 11 Tatverdächtigen sind also noch unbekannt. Ich will es deutlich sagen: Es waren vor allen Dingen junge Männer mit arabischstämmigem Hintergrund. Gegen diese jungen Männer wird unter anderem wegen Volksverhetzung und Beleidigung ermittelt.
Auch das Ausländeramt der Stadt Gelsenkirchen wurde – wo nötig und möglich – schon über diese Ermittlungen informiert. Das ist mit Blick zum Beispiel auf mögliche ausländerrechtliche Angelegenheiten wichtig.
Bei den identifizierten Tatverdächtigen handelt es sich im Einzelnen um einen 30-Jährigen mit deutscher Staatsangehörigkeit, einen 27-jährigen Deutsch-Libanesen, einen 24-jährigen Libanesen, einen 20-jährigen Libanesen und eine 22-jährige Syrerin. Die Tatverdächtigen, die ich gerade genannt habe, sind einschlägig in Erscheinung getreten, unter anderem wegen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten. Deswegen konnte man die auch schnell ermitteln. Bei einem dieser Tatverdächtigen liegen darüber hinaus staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor, bei den anderen nicht.
Maßnahmen zur Identifizierung weiterer Tatverdächtiger wurden jedenfalls veranlasst bzw. angeregt: erstens Funkzellenauswertung, zweitens weitere Auswertungen der Videoaufzeichnungen, drittens eine polizeiinterne und externe Öffentlichkeitsfahndung.
Sie sehen, die intensiven Ermittlungen nach den Tätern dauern an. Wir werden nicht lockerlassen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Das gilt für die noch nicht identifizierten 11 Tatverdächtigen ebenso wie für alle weiteren, die sich aktiv an diesen judenfeindlichen Parolen beteiligt haben.
Natürlich – das ist jetzt der letzte Satz, aber ein ganz wichtiger – vergessen wir auch die Opferseite nicht. Ein Opferschutzgespräch mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen wurde schon geführt. Es gibt weitere Gespräche, die in Planung sind. Denn es ist auch ein Teil unserer Verantwortung, uns darum zu kümmern.
Das ist jetzt die Berichterstattung zum jetzigen Zeitpunkt. Es wird sich weiter entwickeln. Ich bin gerne bereit – vermutlich dann dem zuständigen Ausschuss –, weiter zu berichten.
Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Minister, zunächst danke für die sehr umfangreiche Darstellung des Sachverhalts. Sie wissen vielleicht, ich bin Abgeordneter aus Gelsenkirchen. Die Synagoge liegt in meinem Wahlkreis. Dementsprechend konnte ich diese sehr detaillierten Ortsschilderungen durchaus nachvollziehen.
Mir stellt sich dennoch eine Frage. Sie haben ausgeführt, die Demonstration hat begonnen auf dem Vorplatz des Gelsenkirchener Hauptbahnhofs, wo sich Menschen versammelt haben, die dann durch Polizeikräfte angetroffen worden sind. Die sind dann durch die Gelsenkirchener Fußgängerzone zur Synagoge gezogen. Sie haben gesagt, dieser DemoWeg habe sich abgezeichnet, und dementsprechend habe Polizei reagiert und Kräfte zur Synagoge verlegt, um sie zu schützen.
Hat die Landesregierung denn angesichts von Vorfällen an Synagogen im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld … Nach meiner Kenntnis sind in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch Synagogen beworfen und Flaggen verbrannt worden. Hat die Landesregierung in Anbetracht dieses Eskalationspotenzials die Anweisung erteilt, solche Kundgebungen von Synagogen fernzuhalten bzw. zu versuchen, sie auf ihrem Demo-Weg zum Stehen zu bringen?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, wir können, wie Sie wissen, Versammlungen, Demonstrationen – es gibt auch noch Spontanversammlungen – nicht ohne Weiteres von bestimmten Örtlichkeiten fernhalten. Die erste Einschätzung war: Da wird gar nichts stattfinden. – Die zweite Einschätzung war: Da versammeln sich Leute.
Gelsenkirchen kennen Sie viel besser als ich. Wenn da mal 20 Leute stehen, bedeutet das noch nichts. Dann hat sich das vermehrt, und die Polizei hat gemerkt, da tut sich was, hat nachgeführt und hat dann, als sie den Weg bemerkt hat, sichergestellt, dass an der Synagoge nichts passieren kann. Kurzfassung des Ganzen. Das war auch richtig.
mine vor bestimmten Einrichtungen verbieten. Das geht nicht. Aber es gibt natürlich eine hohe Sensibilisierung der Polizei – das habe ich ja vorgelesen –, dass man ab dem 11. Mai, wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, was ich gerade vorgetragen habe, besonders achtsam sein muss, besonders intensiv.
Wir haben auch die polizeiliche Bewachung Objektschutz verstärkt, insbesondere an bestimmten Objekten – also, Gelsenkirchen war davon betroffen –, sodass wir erstens vor der Synagoge schon eine stärkere Rund-um-die-Uhr-Beobachtung hatten,
zweitens eine Sensibilisierung hatten und drittens – das war natürlich hilfreich – diese Bereitschaftspolizei im Bereich von Fußball hatten, auf die wir dann zurückgreifen konnten.
Vielen Dank. Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Reul, für die ausführliche Darstellung. Ich finde, das Format eignet sich gerade nicht so richtig gut. Denn ich habe sehr viele Fragen. Aber ich glaube, wir klären die dann morgen im Innenausschuss im Detail.
Ich würde gerne noch auf diesen Aufruf zu sprechen kommen. Sie haben selbst gesagt, dass offenbar die Bewertung des PP Gelsenkirchen falsch war. Können Sie uns noch mal etwas zu diesem Aufruf im Internet sagen – so habe ich das verstanden –, ob in diesem Aufruf schon der Bezugspunkt Synagoge erkennbar war, damit wir das für die Bewertung ein Stück weit einordnen können?
Herr Präsident, wenn Sie mir eine Minute geben – eventuell haben wir die sogar hier –, kann ich es Ihnen vielleicht ganz genau beantworten.
Das geht nur mit Lupe. Nach meinem Kenntnisstand: Nein. Das Dokument hat einen schwarzen Untergrund, auf dem steht: Morgen in GelsenkirchenHauptbahnhof ist eine palästin. Demo um 17:30 Uhr. Verbreitet es, damit wir so viele Anhänger wie möglich haben, ob klein oder groß. – Dann die Palästinenserfahne.
Herr Präsident! Herr Minister, auch von mir vielen Dank. Ich halte das Format sehr wohl für geeignet. Es ist wichtig, dass wir auch im Parlament sehr deutlich machen, was wir von diesen schrecklichen Ereignissen halten. Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, gemeinsam unseren Nachbarinnen und Nachbarn mit jüdischem Glauben deutlich zu machen, dass wir an ihrer Seite stehen und dass sie keine Angst haben müssen und dürfen. – Das wollte ich vorneweg sagen; Sie haben sich ja auch Vorbemerkungen erlaubt.
Ich will auf die Bewertung zurückkommen. Sie sagten, das BKA habe am 11. Mai eine Bewertung dazu abgegeben, welche Auswirkungen die Situation im Nahen Osten auf die Polizei haben könnte. Haben Sie diese Bewertung aufgrund der Erfahrung aus früheren Ereignissen selbst hinterfragt? Konflikte im Nahen Osten führen durchaus zu antisemitischen Aggressionen hier bei uns im Land.
Gab es bei dieser Bewertung auch eine außenpolitische Einschätzung der Staatskanzlei? Ich gehe davon aus, dass sich der Ministerpräsident, der Bundeskanzler werden möchte, in den nächsten Wochen zumindest eine außenpolitische Expertise erarbeiten muss.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, er ist ja noch nicht Bundeskanzler; Sie können dazu beitragen, dass er es wird.
Er ist es aber noch nicht und hat deshalb keinen Zugriff auf die Administration in Berlin; das ist auch in Ordnung so.
In solchen Situationen nehmen wir die BKA-Stellungnahme zur Kenntnis und überprüfen sie durch unsere Fachleute. Wir fragen aber keinen Dritten; damit fangen wir gar nicht erst an. Wir haben Fachleute beim LKA, das die Einschätzung des BKA überprüft hat.
Daraufhin haben wir die Konsequenz gezogen und mehr getan, um es vorsichtig zu sagen. Wir haben uns entschieden, unsere Polizei zu sensibilisieren und darauf hinzuweisen: Da tut sich was; wir sollten das ernster nehmen.
Einen weiteren Tag später haben wir auch die Kräfte entsprechend aufgestockt. Am ersten Tag haben wir also sofort stärker reagiert als das BKA und am zweiten Tag die Kräfte aufgestockt.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, wir sehen uns ja – das haben Sie schon gesagt – morgen im zuständigen Innenausschuss. Ich möchte auch eine kurze Eingangsbemerkung machen: Die Tatsache, über die wir diskutieren, zeigt, wie wichtig es ist, dass Nordrhein-Westfalen ein eigenes Versammlungsgesetz bekommt.
Ich höre Ihnen immer zu, aber in meinem Alter kann es vorkommen, dass ich nicht immer alles höre, was Sie sagen. Ich habe mir aufgeschrieben, dass Sie sagten, dass die örtliche Polizei nicht von einer Versammlung ausgegangen sei. Deshalb stelle ich ganz konkret die Frage: Wovon ging die örtliche Polizei denn aus? Ging die örtliche Polizei möglicherweise von einer sogenannten Spontanversammlung aus?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Ganzke, an dem Morgen ist die Polizei Gelsenkirchen davon ausgegangen, dass gar nichts passiert.
Dann gab es die 20 Leute. Ein paar Polizisten haben die Lage so eingeschätzt, dass sich nichts Großes tut. Sie haben das auch nicht als Versammlung in dem Sinne eingeschätzt. Nachher waren es mehr Leute. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt haben die nicht mehr viel eingeschätzt, denn das ist ja im Minutentakt gelaufen.
Meine Bewertung ist – ich war ja nicht dabei –, dass die einfach klug und vernünftig gehandelt haben, um die Sache so zu handeln, dass nichts passieren kann. Das haben sie dann auch ordentlich gemacht; das muss man wirklich zugeben.
Über die Frage, ob man nicht am Morgen hätte sagen müssen, dass es doch etwas werden könnte, kann man verschiedener Meinung sein. Die haben die Entscheidung zu treffen und haben auch abgewogen. Sie haben nicht einfach gesagt „Das nehmen wir nicht zur Kenntnis“, sondern sie haben abgewogen, sich das angeschaut und auch überprüft, ob man mit demjenigen, der aufgerufen hat, Kontakt aufnehmen kann, um zu verifizieren. Dabei ist nichts herausgekommen.
Ich vermute, dass 20 Leute vor dem Gelsenkirchener Bahnhof zu diesem Zeitpunkt einen normalen Menschen noch nicht in Unruhe versetzt hätten und Polizisten vermutlich auch nicht. – Jetzt gehe ich ein bisschen weit.
Danach ging es Schlag auf Schlag. Für mich ist die interessanteste, aber nicht zu beantwortende Frage, wenn ich ehrlich bin, denn fachlich kann man die nicht beantworten – mir hat sie jedenfalls noch keiner beantwortet –, wie das plötzliche Mehr an Leuten zustande gekommen ist.
Ich bekomme immer nur den Hinweis – das können Leute aus Gelsenkirchen besser beantworten –, dass plötzlich aus allen Ecken und den Häusern Leute mitgelaufen sind. In diesem Bereich wohnen offensichtlich so viele Menschen, die das Thema interessant fanden – ich sage es einmal vorsichtig – und sich angeschlossen haben. Die kamen nicht von weit her; das geht gar nicht so schnell.