Mit dem vorliegenden Antrag möchte der Antragsteller – also Sie, die FDP – den Eindruck erwecken, als hätte die Landesregierung die jüngsten Urteile zum Glücksspielstaatsvertrag bislang kom
mentarlos und untätig hingenommen. Dass dem nicht so ist, haben Sie zuletzt – Sie wahrscheinlich nicht, denn Sie haben es höchstens nachlesen können – in der vorletzten Sitzung des Hauptausschusses am 19. November 2015 feststellen können, in der zusätzlich zu einer schriftlich vorliegenden Antwort auf eine Frage der CDU-Fraktion zum Verfahrensstand des Glücksspielstaatsvertrags ein mündlicher Bericht von Minister Lersch-Mense erfolgte.
Wenn Sie dann, gerade mal fünf Tage später, in einem Antrag die Landesregierung auffordern, tätig zu werden, ist das nicht ganz nachvollziehbar. So wurde im Ausschuss unter anderem bereits schriftlich mitgeteilt – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin –:
„Beide Entscheidungen werden nunmehr durch die Landesregierung in den dafür vorgesehenen Gremien analysiert und im Länderkreis dahin gehend erörtert, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.“
Damit bezog man sich auf die Urteile des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zum Glücksspielstaatsvertrag. Die Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags im Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen für Sportwetten stagniert durch die recht unterschiedliche Rechtsprechung.
Frau Kollegin Müller-Witt, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Dr. Kerbein würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Dr. Björn Kerbein (FDP: Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sie haben gesagt, ich wäre nicht im Ausschuss gewesen. Das ist sicherlich richtig. Gleichwohl möchte ich Sie fragen, wie Sie zu folgender Aussage aus dem schriftlichen Bericht stehen.
Es ging um die Frage: „Wie sehen die Pläne der Landesregierung für die zukünftige Ausrichtung der Glücksspielregulierung aus?“– Die Antwort lautete: Die zuständigen Ländergremien werden über etwaige Konsequenzen aus den jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung beraten. Vorrangiges Ziel wird es dabei sein, im Sportwettenbereich in überschaubarer Zeit – das ist gerade das, was ich angemahnt habe – einen legalen Markt herzustellen. – Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Diese Aussage halte ich für völlig nachvollziehbar. Wenn sich 16 Länder miteinander verständigen müssen, geht das nicht von heute auf morgen. Es bedarf nach so vielen Rechtsprechungen – sprich: den Urteilen in Hessen,
Bayern und vom Europäischen Gerichtshof – durchaus einer vernünftigen Abwägung. Ich erwarte von meiner Landesregierung, dass sie da keine Adhoc-Entscheidungen auf Ebene der Bundesländer durchsetzen will, sondern dass sie das Ganze wohlüberlegt und mit rechtlichem Beistand angeht.
Bei den Sportwetten gibt es, wie gesagt, sehr unterschiedliche Rechtsprechungen. Diese Urteile werden, wie ich gerade schon darstellte, lösungsorientiert diskutiert. Sie sind längst in die Verhandlungen und Gespräche der Länder aufgenommen. Das sollte Ihnen auch durch die Beantwortung von Kleinen Anfragen, respektive durch den Bericht der Landesregierung, hinlänglich bekannt sein.
Dabei gilt es in erster Linie, dem zentralen Ziel des Staatsvertrages, nämlich der Durchsetzung des Jugend- und Spielerschutzes, Rechnung zu tragen. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag wird die systematische und einheitliche Gesamtregulierung des Glücksspielmarktes in Deutschland bereits umgesetzt. Inwiefern der Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich noch einer Anpassung bedarf, wird von der Bewertung der deutschen Stellungnahme durch die Kommission abhängen.
Allerdings steht die Aufforderung im Raum, die Erlaubnis für ein europarechtskonformes Casino- und Pokerangebot nicht nur insbesondere spieler- und jugendschutzgewährleistenden Anbietern zu erteilen, sondern ausschließlich Anbietern, die dieses Kriterium erfüllen. Das Verbot von OnlinecasinoSpielen ist gerade vor dem Hintergrund, dass davon die höchste Sucht- und Manipulationsgefahr ausgeht, für uns alternativlos.
Die Forderung nach einem Abbau der Einschränkungen bei der Lotterievermittlung können wir so uneingeschränkt, wie Sie das fordern, nicht mittragen. Ausschlaggebend muss immer das Gefährdungspotenzial des Glücksspiels sein. Für uns Sozialdemokraten steht der Schutz insbesondere von Jugendlichen sowie von Spielern im Allgemeinen an erster Stelle.
Das Ziel des Staatsvertrages war und ist es, einerseits die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen und andererseits, durch ein begrenztes Glücksspielangebot,...
... welches eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel ist, dem natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung entgegenzukommen. Die Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen mit Suchpotenzial ist
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP hat ein wichtiges Thema hier im Parlament zum Gegenstand der Diskussion gemacht. Wir haben in den letzten Wochen mit den Beteiligten gesprochen. Es ist sehr wohl wichtig, Frau Müller-Witt, dass wir uns mit dieser Thematik beschäftigen und nicht darauf warten, dass wir von der Staatskanzlei möglicherweise – das will ich gar nicht herabwürdigen, Herr Minister – irgendwelche Ergebnisse bekommen.
Drei Jahre nach Inkrafttreten des ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages müssen wir feststellen, dass die Ziele der wirksamen Glücksspielregulierung durch den aktuellen gesetzlichen Rahmen nicht erreicht werden. Weltweit finden Glücksspiele und Sportwetten statt – nur bei uns ist das kaum der Fall. Der Jugendschutz, der damit verfolgt werden soll, findet weltweit so gut wie gar nicht statt, und bei uns viel zu wenig. Die Bekämpfung der Spielsucht ist nicht effizient. Verbraucherschutz findet weltweit gar nicht statt, und bei uns besteht sehr viel Nachholbedarf.
Fakt ist aber auch: Beim Thema „Glücksspiel“ geht es auch bei uns nicht nur um Schutz, sondern es geht auch um sehr viel Geld. Der Sportwettenumsatz im Jahr 2014 lag in Deutschland bei 4,5 Milliarden €; dem Staat sind davon nur 226 Millionen € zugeflossen. Nur 3 % der Einnahmen gehen auf das Konto eines staatlichen Wettanbieters, nämlich Oddset. Auf diese Art und Weise sind dem Land Nordrhein-Westfalen zwischen 2000 und 2012 knapp 1,5 Milliarden € an Steuern und sozialen Abgaben aus diesen staatlichen Glücksspielen entgangen. Wir verzichten jährlich also auf sehr viel Geld.
Im Gegensatz zu den meisten Staaten der Europäischen Union, die den Glücksspielsektor umfassend reguliert haben, hat Deutschland einen sehr restriktiven Weg gewählt, der nur wenige Wettarten zulässt. 20 Konzessionen hätten verteilt werden können; 80 Bewerber gab und gibt es nach wie vor. Und bis heute gibt es keinen Anbieter, der eine Konzession nutzt. Und wenn das nicht Handlungsbedarf genug ist, dann weiß ich nicht mehr, was noch stattfinden soll.
Hinzu kommt: Nach dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Regelung, die wir bei uns in Deutschland haben, zudem auch noch rechtswidrig. Jetzt weiß ich, dass es da verschiedene Rechtsstandpunkte gibt. Die meisten von uns,
die sich damit beschäftigen, wissen, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof deutlich weniger Bedenken hat, aber eine Klärung und eine Erleichterung ist bei uns in Deutschland dringend notwendig.
Ich freue mich auf die Beratung im Fachausschuss, und wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Jostmeier. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vorneweg: Natürlich stimmen auch wir der Überweisung des Antrags in die Ausschüsse zu. In der Sache stehen wir aber kritisch zu Ihrem Antrag. Warum? – Ich nenne Ihnen drei Kritikpunkte.
Erstens. Der Antrag hat aus unserer Sicht eine Schräglage. Das wird daran deutlich – das haben meine Vorrednerin und mein Vorredner auch schon erwähnt –, dass Sie alleine auf die Eilentscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
16. Oktober 2015 Bezug nehmen. Das Gericht hat in seinem Urteil dem Glücksspielkollegium, also dem Koordinierungsgremium der Bundesländer in der Glücksspielregulierung, eine ausreichende demokratische Legitimation abgesprochen. Das Gericht hat die Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Vergabe der Sportwettenkonzessionen auf das Glücksspielkollegium als verfassungswidrig angesehen.
Aber nur ein paar Tage vorher – auch das wurde erwähnt –, am 25. September 2015, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof genau andersherum geurteilt. Er hat nämlich festgestellt, dass die Verfassungskonformität des Glücksspielkollegiums gegeben ist.
Zuvor hatten außerdem, Herr Kollege, mehrere Verwaltungsgerichte und auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 12. Mai dieses Jahres die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Vergabe von Sportwettenkonzessionen bestätigt. Wenn wir in diesem Hause also über die Verfassungskonformität des Glücksspielstaatsvertrages debattieren, müssen wir schon alle Urteile, die ergangen sind, mit in Betracht ziehen. Das tun Sie in Ihrem Antrag nicht.
Das gilt zumindest für die beiden Entscheidungen aus Bayern und Hessen, die ja sehr gegensätzlich ausgefallen sind. Diese beiden Urteile schaffen – wenn ich mir als Nichtjurist an dieser Stelle einmal eine Bemerkung erlauben darf – aus meiner Sicht eher Rechtsunsicherheit als Rechtsklarheit. Deswe
gen wäre eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht oder auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hier wünschenswert.
Zweitens frage ich Sie – das haben wir auch schon thematisiert –: Warum diese Eile? Die Europäische Kommission hat Deutschland im EU-Pilotverfahren einen Fragenkatalog zukommen lassen, der dazu dient, die deutschen Glücksspielregelungen intensiver zu beleuchten und am Ende zu bewerten. Deutschland ist dieser Anfrage durch Mitteilungen im Oktober dieses Jahres nachgekommen. Eine Reaktion der Europäischen Kommission auf diesen Antwortkatalog von Deutschland ist zumindest mir nicht bekannt. Warten wir doch erst einmal ab, wie sich Brüssel dazu äußert, und beziehen das in eine Bewertung der Sachlage mit ein.
Warten wir des Weiteren ab, was der im Glücksspielstaatsvertrag angelegte Evaluierungsbericht der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder hervorbringt. Dazu dient schließlich der Evaluierungsmechanismus, der schon im Gesetz implementiert ist.
Lassen Sie uns auch in Ruhe die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Dort geht es um den Fall einer Wirtin aus dem bayerischen Sonthofen, die in ihrer „Sportsbar“ über einen Spielautomaten Sportwetten eines österreichischen Anbieters vermittelt haben soll, der keine deutsche Lizenz hatte, und deswegen vor dem Amtsgericht in Sonthofen steht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfte erst in einigen Monaten zu erwarten sein. Warum also diese Eile?
Drittens: der Jugend- und Spielerschutz. Sie fordern in Ihrem Antrag den Verzicht auf eine quantitative Begrenzung der Sportwettenkonzessionen bei
gleichzeitiger Erweiterung der Lotterievermittlung. Das erscheint uns aus suchtfachlichen Aspekten doch recht problematisch zu sein; denn wenn wir das täten, käme es unserer Ansicht nach zu einer über die bisherigen Regelungen hinausgehenden Ausweitung des risikobehafteten Glücksspielangebots. Warum sollten wir das denn, bitte schön, tun?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend gesagt, besteht aus unserer Sicht aktuell kein Anlass, das Konzept des Glücksspielstaatsvertrags im Ganzen zu hinterfragen. Einige Kritikpunkte an Ihrem Antrag habe ich Ihnen dargelegt und für die anstehende Beratung in den Fachausschüssen mit auf den Weg gegeben. – Ich freue mich auf die weitere fachliche Auseinandersetzung und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Nichts Neues mit diesem Antrag der FDP-Fraktion! Ich kann mich in meiner Rede da Gott sei Dank sehr kurz fassen. Wir haben vieles gerade schon gehört. Die Gerichte entscheiden unterschiedlich – Bayern hui, Hessen pfui.
Wir stehen immer noch auf dem Stand, dass wir im Grunde genommen den aktuellen Sachstand auswerten müssten, bewerten müssten, abwarten müssten. Jetzt kommt die FDP mit einem Antrag, der ein bisschen dramatisiert und auch nicht alle Aussagen darstellt, die wichtig wären.
Das Erste ist die Begrenzung auf 20 Anbieter. Wir haben – vielleicht erinnern Sie sich noch daran – schon 2012 gesagt: Wie kommt man denn auf die Zahl 20? Die ist einfach aus der Luft gegriffen. Das macht keinen Sinn. Das wird angegriffen werden. – Und siehe da: Wir stehen im Prozess an dem Punkt, dass diese Zahl angegriffen wird.