Protocol of the Session on November 5, 2015

Wie man Berufsgeheimnisträger schützt, ist auch immer noch unklar. Schließlich sind an Kommunikation immer zwei Parteien beteiligt. Wie realisiert man den Schutz eines Anwalts, eines Journalisten oder eines Pfarrers, der plötzlich am anderen Ende einer Kommunikation auftaucht? Das ist völlig ungeklärt.

Über die Vorratsdatenspeicherung haben wir tatsächlich schon oft gesprochen. Die Argumente sind unverändert. Bis heute hat noch niemand den Nutzen einer solchen Regelung belegen können. Sehr wohl aber wird vor dem Schaden gewarnt. Das tun Verfassungsrechtler, Technikexperten und selbst die Industrie.

Lassen Sie uns also dieses Gesetz stoppen, bevor es von den Gerichten kassiert werden muss und bevor die 260 Millionen € rausgeworfen sind, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kosten wird. Die Zeche dafür zahlen nämlich wir alle, auch mit erhöhter Datenunsicherheit. – Vielen herzlichen Dank.

Danke, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich bin der Abgeordneten Düker ausdrücklich dankbar für ihren Redebeitrag, weil sie damit den eigentlichen Anlass dieser Debatte konterkariert hat. Der Anlass dieser Debatte ist doch nicht, noch einmal – zum siebten, achten oder zehnten Mal – die altbekannten Argumente miteinander auszutauschen, sondern wir wollen einen vermeintlichen Dissens in der rot-grünen Koalition auf Landesebene aufarbeiten.

Frau Düker hat es deutlich gemacht: Zwei unterschiedliche Fraktionen, zwei unterschiedliche Parteien dürfen auch mal unterschiedlicher Meinung sein. Wenn das so ist, dann trägt man das aus. Man respektiert souverän die Meinung des anderen und arbeitet nach wie vor gut zusammen. Das ist, glaube ich, auch in diesem Punkt der Fall.

Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber hat es nicht immer leicht,

(Christof Rasche [FDP]: Kein leichtes Le- ben!)

weil in vielen gesellschaftlichen Bereichen – da, wo er tätig werden muss – häufig unterschiedliche Grundrechte tangiert sind.

Nach meiner Erfahrung ist die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung oder Mindestspeicherdauer, wie immer man es nennen will, in den vergangenen Jahren hoch emotional und viel zu wenig rational geführt worden. Die einzelnen Protagonisten haben sich teilweise in ihren Schützengräben versteckt und sind kaum noch offen für rationale Gespräche. Das spiegelt auch die Diskussion heute ein bisschen wider. Der Gesetzgeber muss immer in der Lage sein, mit Respekt vor den zum Teil divergierenden Grundrechten einen Weg zu finden.

Herr Lürbke, Sie werden sicher nicht leugnen, dass keine Speicherung von Verbindungsdaten zu

Schutzlücken führt. Wir haben darüber zu diskutieren, in welcher Weise, in welcher Größenordnung eine solche Schutzlücke zu akzeptieren ist.

Die Abwägung der einzelnen Grundrechte – Datenschutz auf der einen Seite, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit auf der anderen Seite – muss in einem vernünftigen Verhältnis zueinander austariert werden. Ein Schwarz oder Weiß, nur das eine Grundrecht oder nur das andere Grundrecht, darf es für einen Gesetzgeber nicht geben. Er muss die Belange aller Menschen, aller Grundrechte miteinander in vernünftiger Weise abwägen. Ich glaube, das ist durch diesen Gesetzentwurf gelungen.

Es ist übrigens das gelungen, was Herr Schwerd gerade als ein Problem aufgebaut hat, nämlich dass jetzt Daten geschaffen würden, die möglicherweise gehackt würden. Tatsache ist, dass es heute in die Beliebigkeit eines Providers gestellt ist, in welchem Umfang, in welchem Maße und für welche Dauer er Daten speichert. Das heißt, die Daten sind nicht

neu, sie sind vorhanden. Sie werden jetzt erstmalig wieder einer gesetzlichen Restriktion unterzogen. Dann ist klar, wie lange ein Provider sie überhaupt speichern darf und unter welchen sehr eingeschränkten Bedingungen er nach richterlicher Anordnung Ermittlungsbehörden entsprechende Verbindungsdaten zur Verfügung zu stellen hat.

Es müsste uns eigentlich einen, dass es endlich eine Regelung gibt, um den Wildwuchs, wer wann wo was speichert, zu beenden.

Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Herrmann zulassen?

Ja.

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade von Abwägung. Sie wissen ja, dass ich immer wieder kritisiere, dass Sie als Hilfsargument für die scheinbare Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung den Verdacht äußern, alle Bürgerinnen und Bürger seien potenzielle Kinderpornografiekonsumenten. Sie und ich wissen, dass der Anteil der Kindesmissbrauchstäterinnen und täter an der gesamten Bevölkerung in Deutschland eher gering ist.

Ich möchte Sie fragen, wo bei Ihnen die Verhältnismäßigkeitsschwelle ist, bei der Sie eine Überwachung der Gesamtbevölkerung befürworten, um eine bestimmte Tätergruppe möglicherweise durch die Vorratsdatenspeicherung verfolgen zu können.

Die Grenze – meine persönliche spielt dabei keine Rolle – ist in dem Gesetz sehr klar definiert, nämlich nur unter der Bedingung schwerster Straftaten und nach richterlichem Vorbehalt.

Weil Sie das Thema „Kinderpornografie“ selbst angesprochen haben: Vorratsdatenspeicherung verhindert keinen Kindesmissbrauch. Aber Vorratsdatenspeicherung macht es erst möglich, die wirtschaftliche Verwertung von Kindesmissbrauch, die im Internet geschieht, zu unterbinden. Darum geht es.

Wir haben Ihnen in verschiedenen Kleinen Anfragen auch beantwortet, wie groß die Schutzlücke gerade in diesem Kriminalitätsphänomen inzwischen geworden ist, weil der Handel, das Weitergeben gegen Geld von kinderpornografischem Material, in der Tat kaum noch zu unterbinden ist, wenn man die Verbindung zwischen dem Rechner des Täters und dem Rechner des Käufers nicht nachvollziehen kann.

Das ist, Herr Herrmann, ein gutes Beispiel dafür, wo genau dieser Abwägungsprozess stattfinden muss. Für die Opfer von Kindesmissbrauch ist der Missbrauch schon schlimm genug. Aber dass das Internet nichts vergisst und mit dem eigenen Missbrauch Handel betrieben wird, ist für viele dieser Opfer ein weiterer Missbrauch. Dem gilt es auch mit ermittlungstaktischen Maßnahmen zu begegnen.

Von daher sage ich Ihnen, Herr Herrmann, ist gerade an diesem Beispiel festgemacht der vernünftige Kompromiss, der vernünftige Ausgleich zwischen den beiden Grundrechten Datenschutz auf der einen Seite und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung auf der anderen Seite.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass dieses Gesetz auch den Ermittlungsbehörden viel abverlangen wird. Diese Evaluierungsklausel, die eingeführt worden ist, bedeutet nämlich nicht nur, dass man zukünftig den Datenschutz darstellen muss, sondern vor allem auch den Ermittlungserfolg durch diese Möglichkeit, nach richterlicher Anordnung auf Verbindungsdaten zurückgreifen zu können.

Von daher erübrigt sich auch eine spekulative Diskussion darüber, ob das wirksam ist oder nicht. Die Ermittlungsbehörden haben tatsächlich den Nachweis zu führen, dass es erfolgreich ist. Ich finde, das ist gerade gegenüber den Kritikern eines solchen Gesetzes ein weitestgehendes Entgegenkommen, dass diese Verpflichtung gegenüber Strafverfolgungsbehörden nun auch vorhanden ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/10077. Die antragstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Zu der kommen wir dann auch, und zwar über den Inhalt des Antrags. Wer ist für den Antrag der FDP-Fraktion? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/10077 mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion, der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt ist.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Antrag der Piratenfraktion Drucksache 16/10061. Die antragstellende Piratenfraktion hat ebenfalls direkte Abstimmung beantragt. Wer ist für den Antrag der Piratenfraktion? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Antrag der Piratenfraktion mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die

Stimmen der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd bei Enthaltung der FDPFraktion ebenfalls abgelehnt worden ist.

Ich rufe auf:

4 Gesetz zur Änderung der Verfassung für das

Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/10057

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die antragstellende Piratenfraktion Frau Kollegin Brand das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Früher – schon einige Zeit her –, in Zeiten von regionalen Märkten hatte man mehrere Metzger vor Ort, und wenn einem die Qualität bei einem Metzger nicht gefiel, dann ging man eben zu dem anderen, sodass man da schon sehr gut den Markt vor Ort auch regulieren konnte. Bei dem, der schlechte Qualität ablieferte, wurde eben nicht mehr gekauft.

Da hat sich natürlich längst ein großer Wandel vollzogen. Heute haben wir Großhandelsketten, komplett intransparente Märkte, einen globalisierten Fleischhandel. Der Verbraucher kann nicht mehr einfach so durch seine Kaufentscheidung entscheiden, was gut ist, was Qualität ist und was schlecht ist.

Das ist nur eines von ganz, ganz vielen Themen, weshalb es wichtig ist, dass die Politik als Anwalt für den Verbraucher wirken muss.

(Beifall von den PIRATEN)

Wissen Sie überhaupt noch, zu welchem Anlass der Verbraucherschutz seinen Weg in die Ministerien gefunden hat? Minister Remmel weiß es sicherlich noch. Es war der BSE-Skandal seinerzeit. Vorher gab es Verbraucherschutz überhaupt nicht in den Ministerien, auf keiner Ebene.

Seitdem hechelt der Verbraucherschutz Skandalen hinterher. Dabei sollte er doch besser proaktiv die richtigen Weichen stellen. Was wir brauchen, sind eine gute Verbraucherbildung, transparente Verbraucherinformationen, umfassenden Verbraucherschutz und effektive Lebensmittelsicherheit.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie uns als Land Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle manifestieren in Zeiten, in denen der VW-, Audi-, Skoda-, Porsche-, Seat-Skandal Millio

nen von Verbrauchern verunsichert, in Zeiten, in denen die EU die gleichberechtigte Freiheit des Internets auf dem Altar von vor Lobbyismus trotzenden Konzernen wie der Telekom, Vodafone und Co. opfert, in Zeiten, in denen unsere Wirtschaft und Staaten dank drohender Szenarien laut TTIP und CETA zulasten der Menschen in der EU, in Deutschland und auch hier in NRW erpresst werden!

Wie man an diesen ganzen Themen erkennt, ist Verbraucherschutz ein Querschnittsthema, das nicht nur alle Ministerien, sondern auch alle legislativen Ebenen betrifft. Dafür braucht es ein starkes Ziel aus der Politik. Wie anders könnte man ein starkes Zeichen setzen, wenn nicht mit der Verankerung des Verbraucherschutzes als Staatsziel in der Landesverfassung? – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Müller-Witt das Wort.