Wir sehen die von Ihnen geforderten Smart Factories pro Kammerbezirk sehr kritisch und stellen Ihnen die Frage, ob dies eine sinnvolle Ergänzung für die Qualifizierung von Auszubildenden darstellen kann.
Vielen Dank, Frau Kollegin Blask. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Dr. Beisheim.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte es mir schon gedacht: Bereits während der letzten Ausschussreise des Wirtschaftsausschusses zum Thema „4.0“ war mir klar: Der nächste unausgegorene Antrag zum
Sicherlich ist die Beschreibung der Ausgangslage in Teilen richtig. Ich teile Ihre Auffassung, dass das Thema „Digitalisierung der Produktprozesse“ zu einer Erfolgsgeschichte für das Industrieland Nordrhein-Westfalen werden kann. Auch die Tatsache, dass es gemeinsamer Anstrengungen von Politik, Gewerkschaften und Unternehmensverbänden bedarf, um den Mittelstand für das Thema „Digitaler Wandel“ zu sensibilisieren, ist allgemeiner Konsens und war schon des Öfteren Gegenstand von Debatten.
Der Gedanke, überbetriebliche Ausbildungszentren müssten sich an Veränderungen der technischen Anforderungen anpassen, ist dagegen kein neuer. Das ist gelebte Praxis und Teil des Erfolges des dualen Ausbildungssystems insgesamt. Ich denke mir auch, dass zukünftig das Handwerk und die Verbände der Industrie daran arbeiten werden, ihre überbetrieblichen Ausbildungszentren gemeinsam mit uns an die zukünftigen Erfordernisse anzupassen.
Niemand bestreitet, dass die Digitalisierung in alle Lebensbereiche und damit auch in alle Ausbildungsberufe hineinstrahlen wird. Deshalb wäre es besser – das haben bereits Frau Blask und Herr Kollege Brockes in ihre Reden eingewoben –, zukünftig den Begriff „Wirtschaft 4.0“ zu verwenden und ihn nicht auf „Industrie 4.0“ zu verkürzen. Denn die Auswirkungen auf Berufe und Ausbildungen werden sicherlich sehr unterschiedlich sein.
Von daher haben wir alle in diesem Haus die Einsetzungsbeschlüsse der Handwerksenquete unterstützt, um Aufklärung zu leisten, welche technologischen Auswirkungen sich auf die Ausbildung und die Berufsbilder im Handwerk und in den handwerksnahen Berufen ergeben. Es muss verhindert werden, dass mangelnde Qualifikation und mangelnde Fähigkeiten der Menschen, die letzten Endes die Fabriken und Anlagen der Zukunft errichten sollen, dazu führen, dass sie nicht gebaut werden. Dieser Flaschenhals, der letzten Endes die digitale Entwicklung behindert, darf nicht geschaffen werden.
Die wichtigste Kernfrage bei der Ausbildung ist daher für mich: Wie gestalten wir zeitgemäßes Lernen in einer zunehmend digitalisierten Welt? Sowohl die Landesregierung – das hätten Sie bereits bei der Vorbereitung des Antrags herausfinden können – als auch die Träger der dualen Ausbildung haben schon Instrumente dazu entwickelt. Schaut man sich speziell das Handwerk an, erkennt man, dass moderne Lernformen, die allgemein unter dem Begriff „Blended Learning“ oder – auf Deutsch – „Integriertes Lernen“ bekannt sind, bereits seit vielen Jahren gelebte Praxis sind.
Diese Mischung aus Praxisphasen, traditionellen und modernen Formen des E-Learnings sollte meiner Meinung nach eine weiter verbreitete Anwendung finden. Das ist sicherlich auch das Thema der laufenden Enquetearbeit.
Die Besichtigung der Smart Factories in Lemgo sollte eigentlich gezeigt haben, dass es zukünftig egal ist, wo wir etwas lernen, wo sich eine Anlage befindet, welche Bildungsträger sie angeschlossen haben, solange webbasierte Zugriffsmöglichkeiten bestehen. So ist der vorgeschlagene Ansatz, Smart Factories zu schaffen, nicht sehr zielführend.
Darüber hinaus hat uns Herr Prof. Jasperneite von der Universität Lemgo versucht zu erklären – zumindest denjenigen, die an der Delegationsreise des Wirtschaftsausschusses teilgenommen haben – , wo der Unterschied liegt zwischen einer normalen evolutionären Weiterentwicklung der Fertigung, die quasi digitalisiert unterstützt weiter fortschreitet, und dem tatsächlichen Übergang zu intelligenten, selbstlernenden Systemen, zusammengefasst unter dem Begriff „Digitalisierung 4.0“.
Aber in Ihrem Antrag wird einiges durcheinandergeschmissen. Denn nicht jede Form von digitalisierter Fertigung ist intelligent. Letzten Endes ist mir Ihr Antrag nicht smart genug.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und daheim! Wir sind mitten drin in der digitalen Revolution; darüber besteht Einigkeit. Diese Erkenntnis bringt uns zu der eigentlich relevanten Frage: Wie müssen wir unsere gesellschaftlichen Institutionen umgestalten, damit sie mit der digitalen Revolution umgehen können und dazu passen – das ist eigentlich auch eine Kernfrage meiner Partei –, und zwar so, dass der Mensch auch in Zukunft im Mittelpunkt steht?
Ein wesentliches Kernelement ist die Bildung. Welche Qualifikationen sollen wir jungen Menschen mitgeben, damit sie in der kommenden Gigabitgesellschaft ein erfolgreiches, ein eigenverantwortliches Leben führen können? Welche Instrumentarien brauchen sie, um nicht nur stumpfe Konsumenten, sondern werteschaffende Personen zu werden, die echte Gestaltungs- und Handlungskompetenz besitzen?
Wir Piraten haben uns schon sehr frühzeitig dafür eingesetzt, Schulen fitzumachen für die Digitalisierung, und daher sehen wir auch ganz grundsätzlich mit Sympathie auf diesen Antrag. Aber er zeigt – und das ist besonders im Vortrag von Herrn Brockes deutlich geworden – eine gewisse renditeromantikgetriebene marktideologische Engführung. Es geht um Smart People und nicht um Smart Factories.
Zwei Kritikpunkte: Wir Piraten folgen nicht der Logik, dass sich Lehrpläne primär am Arbeitsmarkt ausrichten müssen. Vielmehr müssen wir neben grundlegenden Informatikkenntnissen auch kreative Problemlösungskompetenz vermitteln.
Die Tatsache, dass der Antrag federführend an den Wirtschaftsausschuss und nicht an den Schulausschuss überwiesen werden soll, zeigt noch einmal ganz deutlich, wie ohnmächtig die Politik in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland insgesamt der digitalen Revolution gegenübersteht. Wir hatten vor einiger Zeit ein Internetministerium und einen dazu passenden Ausschuss gefordert. Dorthin hätte der Antrag überwiesen gehört.
Speziell in der Argumentationslogik von SchwarzGelb/Magenta geht es immer um das Entwederoder, also um zwei Positionen. Im Grunde gibt es immer vier Positionen: Entweder-oder, sowohl-alsauch und weder-noch.
Ich würde mir wünschen, wenn wir in der Debatte im Ausschuss über diesen Antrag auch darauf eingehen könnten. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vertretung der Kollegin Löhrmann darf ich gerne zu dem hier vorgelegten Antrag Stellung nehmen. Ich glaube – das wird auch die weitere Debatte im Wirtschaftsausschuss zeigen –, dass wir uns sehr einig sind in der grundsätzlichen Herausforderung. Digitalisierung ist nichts, was vor der Tür steht, sondern längst da ist. Wir werden auch im Wirtschaftsausschuss Herrn Brockes noch einmal darlegen, mit welch vielfältigen Aktivitäten wir uns dieser Thematik stellen und daran arbeiten; ein paar Erfolge konnten schließlich schon im Rahmen der Debatten im Ausschuss diskutiert werden.
Die Landesregierung ist sich gemeinsam mit den Kommunen einig, dass das Lernen in der digitalen Welt insbesondere von den fünf Handlungsfeldern LOGINEO NRW, learn:line NRW, Medienpass
NRW, Bring Your Own Device und Medienberatung NRW geprägt ist. Damit legen wir in den allgemeinbildenden Schulen die Grundlagen sowohl für eine umfassende Medienkompetenz als auch für die Nutzung neuer Medien für das individualisierende Lernen.
Auch die NRW-Berufskollegs werden den in der KMK-Rahmenvereinbarung über die Berufsschule neu formulierten Aufgaben der Berufsschule in vielfältiger Weise gerecht. Neben der Fortentwicklung hin zu kompetenzorientierten Bildungsplänen als Grundlage offener Kompetenzbeschreibungen, die jederzeit vor Ort umgesetzt werden, ermöglichen wir dort nämlich den Erwerb von erweiterten und vertieften beruflichen Kompetenzen digitaler Handlungsfelder, zum Beispiel durch das Angebote an Zusatzqualifikationen.
Da sich viele existierende Berufsbilder und strukturen ändern werden, analysiert das Bundeinstitut für Berufsbildung derzeit den Qualifikationsbedarf in der IT-Branche, um IT-Berufe mit Blick auf 4.0-Qualifikationen eventuell neu zu ordnen.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die Verantwortung für die Anpassung von Ausbildungsberufen auf Entwicklungen in der Wirtschaft natürlich bei der Wirtschaft selbst liegt und auch von dieser wahrgenommen werden muss. Nur wenn diese die Initiative rechtzeitig ergreifen, können auch mit den aktuellen Berufsbildern synchronisierte KMK-Rahmenlehrpläne für den Berufsschulunterricht entwickelt werden.
Meine Damen und Herren, natürlich greifen die Berufskollegs bei der Umsetzung bestehender curricularer Vorgaben aktuelle Weiterentwicklungen auf und gewinnen damit auch Preise. So erhielt 2014 zum Beispiel das Mindener Leo-Sympher
Berufskolleg von der Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft den Sonderpreis zum Industrie4.0-Projekt „Herausforderung Energiewende“.
Seit 2009 bringt eine Kooperation zwischen der VDW-Nachwuchsstiftung – VDW ist der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken – und dem MSW die Berufskollegs beim Maschinenbau auf den neuesten technischen Wissensstand. Die Lehrkräfte informieren sich in den Unternehmen, gemeinsam werden Unterrichtsmaterialien entwickelt, und vielfach sind im Rahmen dieser Kooperation auch die Sachausstattungen von Berufskollegs erweitert worden.
Außerdem ist NRW – das ist schon beschrieben worden – Standort von SmartFactoryOWL, einem der fünf nationalen Kompetenzzentren Mittelstand 4.0. Dort wird in Kooperation zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Einführung neuer Technologien erarbeitet.
Der von der Landesregierung veröffentlichte Projektaufruf zur Fachkräftesicherung unterstützt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in Hand
lungsfeldern des digitalen Wandels, der Vernetzung und Industrie 4.0. Von den Lernortkooperationen der Betriebe mit den Berufskollegs profitieren beide Partner der beruflichen Bildung.
Deswegen kommen wir zu dem Ergebnis, dass es auch beim Thema „Smart Factories“ um eine pragmatische unterrichtliche Umsetzung geht, orientiert an regionalen Ausgangslagen und nicht, wie im Antrag beschrieben, an Kammerbezirken.
Ich freue mich sehr auf die zu diesem Thema weiterführende Diskussion in unserem Ausschuss. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Es sprach in Vertretung für Frau Ministerin Löhrmann der Landesminister für Wirtschaft und die anderen Fachbereiche, die im Ausschuss federführend sind. Dort wird dieser heute unter Tagesordnungspunkt 2 beratene Antrag „Industrie 4.0“ auch behandelt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10070 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk - federführend - sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist alles nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.
desregierung muss Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingshilfe besser vernetzen und mehr unterstützen