Protocol of the Session on September 4, 2015

Herr Kollege Dr. Bergmann, bitte.

Schönen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. – Mich würde die Position der Landesregierung in Bezug auf die Einbindung der Regionalflughäfen bei der Planung eines Luftverkehrskonzepts interessieren, weil das in den Niederlanden ganz anders geplant und umgesetzt wird als in der Bundesrepublik Deutschland, wo es nicht Top-down, sondern Bottom-up geht. Wie ist die Einstellung der Landesregierung an dieser Stelle?

Ich bin jemand, der schon seit Beginn seines politischen Lebens vor fast 40 Jahren immer Anhänger des Prinzips „Basis“ statt „basta“ war. Da bin ich Urdemokrat, und deshalb ist Partizipation in der breitestmöglichen Form bei mir verinnerlicht. Das betrifft die Partner auf den Flughäfen; das betrifft die kommunalen Partner; das betrifft die Verbandspartner. Wir werden ein solches Konzept nach Vorlage des nationalen breitestmöglich verankern.

Wir werden natürlich auch die Mitverantwortung der regionalen Akteure einfordern. Denn es haben sich Entwicklungen gezeigt, die in den Regionen einmal anders vermutet wurden. Wir könnten jetzt über einzelne Flughäfen sprechen und über deren reale Nachfragbedeutung. Nicht immer hat sich die zuvor geäußerte wirtschaftliche Relevanz durch die Akteure vor Ort im Nachhinein durch Buchungsverhalten bestätigt. Auch da muss man das Abweichen von dem wirtschaftspolitischem Anspruch einer Region und den realen Buchungen an ganz bestimmten Flughafenstandorten näher zusammenbringen.

Es wird dabei bleiben, egal wann wir nach Vorlage des Bundeskonzepts letztendlich mit der Fortschreibung des Landesverkehrskonzeptes beginnen können, dass wir keine Landessubventionstatbestände neu aufmachen. Es kann nicht sein, dass das Land den Betrieb subventioniert, egal an welchem regio

nalen Flughafen. Das wird sicherlich eine Leitplanke des Luftverkehrskonzepts Nordrhein-Westfalen

sein.

Die Zeit ist jetzt leider abgelaufen. Es fragt auch keiner mehr. Sonst könnte ich noch weitere Ausführungen machen. Aber es ist wohl deutlich geworden, dass die Landesregierung ein hohes Interesse daran hat, den volkswirtschaftlichen Nutzen des Luftverkehrs mit dem Klima- und Umweltschutz zu verbinden, wie er nicht nur im Klimaschutzgesetz und im Klimaaktionsplan niedergelegt ist, sondern wie ihn auch die Anwohnerinnen und Anwohner erwarten.

Ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam auch dann vor Ort Flagge zu zeigen, wenn Lärmschutzgegner Bürgerversammlungen machen und dann auch Vertreter vieler Parteien auf einmal vor Ort eine andere Position einnehmen, als sie hier von den entsprechenden Fraktionen kundgetan wird. Auch da ist das politische Heldentum sehr unterschiedlich entwickelt. Ich will kein Heldenepos einfordern, aber doch darauf hinweisen, etwas weniger Opportunität und ein wenig mehr Standfestigkeit ist gut, auch für den Luftverkehr in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Ihre Redezeit war zwar abgelaufen, aber das Parlament neigt heute dazu, Ihnen fast jeden Wunsch zu erfüllen, den nach zusätzlicher Redezeit allemal –

(Lachen von Minister Michael Groschek)

dies in Form einer Kurzintervention, die Herr Kollege Bayer für die Piratenfraktion angemeldet hat. Dafür hat er 90 Sekunden Zeit, und Sie, Herr Minister, 90 Sekunden zur Entgegnung. – Herr Kollege Bayer.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen insgesamt ein neues modernes Verkehrskonzept. Dazu gehören die Flughäfen. Das ist Nordrhein-Westfalens Sache. Der Traum, dass man die Regionalflughäfen nutzen könnte, um die großen Flughäfen zu entlasten, funktioniert nicht. Das haben wir heute Morgen gehört.

Sie haben gesagt, wir sind in die Verwaltung des Bundes eingebunden. Sind das andere Bundesländer nicht, die ein Landesluftverkehrskonzept haben oder neu vorgelegt haben? Das Land NRW hat viele Interessen, die kein anderes Bundesland hat. Es hat ja beispielsweise auch die größte Flughafendichte. Das steht in unserem Antrag. Haben Sie denn all das in der Posch-Kommission durchbekommen? Ich kann das nicht erkennen. Noch nicht mal mit FDP-Brille könnte ich erkennen, dass in der

Posch-Kommission die Interessen berücksichtigt worden wären.

Dann zu den Nachtflügen: Sie möchten also Nachtflüge auch auf anderen Flughäfen. Das ist ein deutliches Bekenntnis für Nachtflüge, auch in Köln – mit dem Fluglärm in Köln und der Wertschöpfung in den Niederlanden. Möchten Sie denn politisch die Nachtflüge in Köln/Bonn so belassen oder ausweiten? Ist das so?

Ganz klare Antwort, Herr Bayer: Die Landesregierung ist zutiefst davon überzeugt, dass es gut und richtig ist, dass die Frachtflugoffenheit bis 20:30 Uhr abgebildet ist. Was die Passage angeht, ist die Landesregierung genauso davon überzeugt, dass man hier ein Nachtflugverbot aussprechen könnte, wenn man es denn wollte. Das hat der Bund abgelehnt. Dazu ist an dieser Stelle nicht mehr zu sagen.

Ansonsten werden wir natürlich auch unsere niederländischen Nachbarn dazu befragen, welches denn die Ausbauabsichten auf der holländischen Seite sind. Wir werden ein Luftverkehrskonzept vorlegen, wenn das Bundeskonzept vorliegt, das die Anregungen des Bundes aufgreift und partizipatorisch all die Aspekte integriert, die von den Akteuren der Luftverkehrswirtschaft in Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Ländern gewünscht und gefordert werden und die wir als Landesregierung für vernünftig halten.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Bitte.

Jetzt hätte ich beinahe gesagt: Jetzt sind Sie entlassen. – Aber ich wollte keine Aufregung provozieren. Vielen Dank für die Kurzintervention und die Antwort darauf.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens zur Überweisung des Antrages der Piratenfraktion Drucksache 16/9584. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieser Drucksache an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend –, an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sit

zung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir stimmen zweitens ab über die Überweisungsempfehlung bezüglich des Antrags der FDPFraktion Drucksache 16/9599. Hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend –, an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll auch hier – wie üblich – im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung mit seinem Votum folgen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Gibt es nicht. Damit ist die Überweisungsempfehlung ebenfalls einstimmig angenommen.

Ich schließe die Beratungen zu Tagesordnungspunkt 4.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

5 Abschlussbericht der Enquetekommission

zur Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels in der Dekade 2020 bis 2030 (Enquetekommission III)

Abschlussbericht der Enquetekommission III gemäß § 61 Absatz 3 der Geschäftsordnung Drucksache 16/9500

Zu dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2133 – Neudruck

Meine Damen und Herren, ich erteile zunächst der Vorsitzenden der Enquetekommission, der Abgeordneten Frau Birkhahn, das Wort zu ihrer mündlichen Berichterstattung über die Arbeit der Enquetekommission. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen, die Sie hier versammelt sind und durch Ihre Präsenz deutlich machen, dass Ihnen das Thema am Herzen liegt! Verehrte Gäste auf der Tribüne! Ich freue mich, dass Sie sich mit diesem Thema befassen möchten. Meine Aufgabe ist ein Stück Berichterstattung, also keine flammende Rede, sondern ein Stück Dokumentation und Einschätzung.

Mit der Vorlage des Berichtes, den die Abgeordneten in ihren Fächern gefunden haben, hat die Enquetekommission III nach 23 Sitzungen in zwei Jahren das auferlegte Ziel erreicht. Wir haben in dem Bericht eine gegliederte Analyse und eine umfassende Zustandsbeschreibung gesellschaftlich relevanter Bereiche abgegeben und Handlungsbedarfe bewertend eingeschätzt und dadurch entsprechende Empfehlungen – 178 an der Zahl – ausgesprochen.

Die Bereiche, mit denen wir uns intensiv befasst haben, sind Wirtschaft und Arbeit, öffentlicher Dienst, Bildung, Gesundheit, Pflege, Infrastruktur und Raumplanung sowie finanzielle Auswirkungen bzw. der Finanzsektor.

Der Auftrag, der uns im Jahr 2013 durch das Parlament erteilt wurde, verlangte, dass wir so konkret wie möglich den Einfluss des demografischen Wandels auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte und auf notwendige Weichenstellungen im gesellschaftlich-politischen Prozess untersuchen sollten.

So haben wir uns denn auf den Weg gemacht: zwölf Mitglieder aus fünf Fraktionen, fünf Sachverständige, von denen einige heute erscheinen wollten. Ich habe den Sachverständigen der Piratenfraktion, Prof. Bontrup erkannt. Wenn noch ein anderer da ist, dann wünsche ich mir ein fröhliches Winkzeichen. – Aber das ist nicht der Fall. Gut, dann ist das so weit klar.

Ich begrüße herzlich auch die Vertreter des Sekretariats, Herrn Meyer und Frau Fritzsche, wenn ich das richtig gesehen habe. Wir haben mit fünf Sachverständigen – für jede Fraktion einen – gearbeitet. Ich darf sie noch einmal nennen: Das waren von der SPD Dr. Terfrüchte, von der CDU Herr Stahl, von der FDP Dr. Klös, von den Grünen Frau Prof. Färber. Wir wurden von drei Referenten und zwei Referentinnen begleitet. Das war der Kreis, der sich zusammengefunden und über zwei Jahre lang – das setze ich in Beziehung zu den Ausführungen von Frau Klöpper – vertrauensvoll, konstruktiv und nichtöffentlich getagt hat. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.

Für die Kommissionsarbeit gab es drei Prämissen. Die eine bezog sich auf die Arbeitsweise. Wir waren gehalten, Expertise mit einzubeziehen. Das bedeutete, wir sollten uns mit Wissenschaftspositionen auseinandersetzen. Für Nichtwissenschaftler bedeutet das zunächst einmal, Positionen kennen zu lernen und sie nachzuvollziehen.

Es enthob uns aber nicht der Pflicht; als Politikerinnen und Politiker eine politische Entscheidung zu treffen.

Das ist etwas, was im Grunde als Input an uns herangetragen wurde. Aber wir hatten die politischen Konsequenzen zu entscheiden und letztlich auch zu tragen.

Der zweite Punkt in der Arbeitsweise, der als Prämisse vorangestellt werden muss, ist, dass wir die Zuständigkeitsebenen berücksichtigen mussten.

Nicht alles, was wichtig ist, wird landespolitisch entschieden. Bundespolitische Verflechtungen und kommunalpolitische Verpflichtungen mussten ebenso mit bedacht werden und letztlich auch, obwohl wir da keine oder nur bedingt Einflussmöglichkeiten haben, in den Zusammenhang gebracht werden.

Der dritte Punkt in der Arbeitsweise war die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen. Wir hatten zunächst einen internen Diskussionsprozess. Wir haben überlegt, ob es sinnvoll ist, öffentlich oder nichtöffentlich zu tagen.

Wir haben uns dann – das Interesse der Öffentlichkeit zurückstellend – für die nichtöffentliche Arbeitsmöglichkeit entschieden. Denn eine Enquetekommission arbeitet konsensorientiert. Man muss im Grunde über das, was momentan parteipolitisch oder in den Fraktionen Entscheidungslinie ist, auch einmal hinwegdenken können, die Freiheit der Entfaltung von Ideen und die Freiheit der Entscheidungsmöglichkeiten nutzen. Da tut die Nichtöffentlichkeit sehr gut. Ich werde an manchen Stellen zeigen können, dass wir sie bewusst gut genutzt haben. Ich denke, diese Nichtöffentlichkeit war eine kluge Entscheidung, die wir getroffen haben.

Die zweite Prämisse – es ist wichtig, dass wir uns das auch vor Augen führen – besteht darin, davon auszugehen, dass die Schuldenbremse eingehalten worden ist. Wir betrachteten ja die Dekade 2020 bis 2030. Wir haben die Diskussion nicht darüber geführt, ob die Schuldenbremse sinnvoll ist oder ob es besser ist, Staatsschulden oder höhere Steuern oder anderes zu haben, sondern es ging wirklich darum anzunehmen, dass sie eingehalten worden ist. Für vier Fraktionen war es so, dass sie sagten, die Einhaltung der Schuldenbremse ist unerlässlich für die Sicherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Das sage ich jetzt pointiert. Aber auch das war ein Diskussionsprozess, den wir in der Kommission führen wollten. Anschließend hatten wir aber diese Position im Grunde gefestigt.

Die dritte Prämisse bezieht sich auf die demografischen Grundlagen. Von welchen Voraussetzungen im Jahr 2013, als wir die Arbeit aufgenommen haben, gehen wir aus? Wir waren erst sehr zuversichtlich und sagten: Wir nehmen die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung von IT.NRW. Das ist die Basis, auf der wir arbeiten. 2013 lautete die Auskunft: Wir werden für die Dekade bis 2030 mit einem Rückgang der Bevölkerung zu rechnen haben. Wir werden älter und bunter, aber weniger. Das ist eine Grundlage, auf der man arbeiten kann. Sie können sich vorstellen, dass bestimmte Gedankengänge daraus erwachsen.

2015 kamen aktualisierte Zahlen zu uns auf den Tisch. Da hat es auf einmal eine Entwicklung gegeben, die wir 2013 und 2014 während unserer Arbeit

nicht bestätigt sehen konnten. Aber 2015 sagte man: Wir rechnen mit einer Bevölkerungssteigerung bis 2025. Dann erst wird der Rückgang eintreten, aber langsamer als befürchtet.