nicht bestätigt sehen konnten. Aber 2015 sagte man: Wir rechnen mit einer Bevölkerungssteigerung bis 2025. Dann erst wird der Rückgang eintreten, aber langsamer als befürchtet.
Nun stand die Kommission im April 2015 vor der Überlegung, wie wir das einbauen sollen. Sollen wir alle unsere Zahlenmaterialien verwerfen? Gibt es bestimmte Punkte, die nicht mehr haltbar sind?
Wir haben die Entscheidung in der Kommission dann in der Weise getroffen, dass wir die Entwicklung des Zahlenmaterials konstatieren, aber wir haben auch festgestellt, dass die Empfehlungen Bestand haben, die wir im Hinblick auf Integration zum Beispiel und auch auf bestimmte Weichenstellungen getroffen haben und die Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung haben könnten. Von daher hat sich die Datengrundlage zwar verändert, aber die Konsequenzen, die wir gezogen haben, finden weiterhin unsere Zustimmung. Dabei hatten wir noch nicht die Entwicklungen durch die Flüchtlinge im Blick, die ja auch eine Chance für die Entwicklung der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen sind.
Meine Aufgabe ist es, einen Bericht zu erstatten. Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen das Lesen zu ersparen. Deswegen möchte ich nur zu bestimmten Bereichen einzelne Akzentsetzungen bringen, die von besonderer Bedeutung sind oder die man letztlich von der Einschätzung her in diesem Rahmen noch einmal besonders benennt. Ich weiß ja, dass die Sprecher gleich noch einmal ihre Sichtweise darstellen, sodass Sie doch einen umfassenden Eindruck von unseren Positionen bekommen werden.
Das Kapitel „Bildung“ ist das Kapitel, das gerade angesichts der Bevölkerungsentwicklung für mich – ich bin Bildungspolitikerin – die größte Bedeutung haben wird. Wir haben nämlich festgestellt, dass das entscheidende Lernalter, die besten Bildungsmöglichkeiten nicht bei den Ende-Zehnjährigen oder Anfang-Zwanzigjährigen liegt, sondern in der ganz frühen Kindheit. Deswegen müssen wir, damit alle Chancen wirklich gehoben werden können und Kinder sich bestmöglich entwickeln können, die frühkindliche Bildung stärker in den Vordergrund bringen.
Das ist ein Stück weit ein Paradigmenwechsel, weil wir bisher immer sehr stark in der Bildungspolitik gesagt haben, wir müssen sehen, dass wir möglichst viele qualifizierte Abiturienten produzieren. Aber der entscheidende Punkt ist nicht, in der späten Phase fördernd einzugreifen, sondern in der ganz frühen. Das bedeutet, frühkindliche Bildung zu intensivieren und die Qualitätsentwicklung in der Kindertageseinrichtung sehr stark zu fördern. Das bedeutet, Sprachbildung und Sprachförderung in den Vordergrund zu stellen; denn Sprache ist der
Das zweite entscheidende Gewicht im Bereich „Bildung“ bekam die Revitalisierung der beruflichen Bildung. Das ist zu dem, was ich eben zur akademischen Bildung sagte, die bisher sehr stark im Vordergrund stand, die schlüssige Ergänzung. Beide Säulen der Ausbildung – die akademische und die berufliche – sind für unsere gesellschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das auch in das Bewusstsein der Bevölkerung dringt und dass man wirklich das Potenzial, was wir in den jungen Menschen haben, die in unserer Gesellschaft leben, heben, damit sie eine erfolgreiche Ausbildung im dualen System auch abschließen können.
Die dritte Forderung, die wir im Bereich der Bildung aufgestellt haben, lautet, dass wir eine nachhaltige Förderung von Migranten brauchen. Das war angesichts der Zahlen 2013. Ich kann Ihnen dazu sagen, dass diese Forderung und diese Unterstreichung des Handlungsbedarfs Bestand hat. Ich werde gleich noch an einzelnen Handlungsempfehlungen aufzeigen, dass wir da auf dem richtigen Weg sind und wir das intensiv nach vorne bringen müssen.
Daher schlage ich jetzt auch die Brücke zum Kapitel „Arbeitsmarkt“. Dazu haben wir in den Handlungsempfehlungen 1 bis 7 unsere Vorstellungen zur Förderung und zur Unterstützung der Migranten im Bereich Integration aufgeschrieben. Das sind die Punkte, wo man sagen kann: Lasst uns das mit Intensität und Engagement auf den Weg bringen. Denn das ist es, was wir eigentlich wirklich brauchen.
Es stellte sich allerdings auch die Frage, wie es gelingen kann, mehr Personen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Hier kommen Dinge ins Spiel, die Ihnen nicht ganz fremd sind, die man aber mit Nachdruck nach vorne bringen muss.
Zum einen geht es um Flexibilität in den Beschäftigungsformen, zum anderen geht es um Lebensarbeitszeitkonten. Das heißt, ein Betroffener hat beispielsweise Bedarf in der Familienphase oder zu anderen Zeiten, in denen er seine Eltern pflegen muss. Wir brauchen also Lebensarbeitszeitkonten oder Arbeitszeitkonten, damit wir da mehr Flexibilität hineinbringen können.
Darüber hinaus haben wir durch eine wirklich intensive Diskussion deutlich gemacht, dass wir den Wettbewerb erhalten müssen. Ganz entscheidend für die Zukunft unseres Landes und die Entwicklung der Gesellschaft ist, dass wir den Wissenschafts- und Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen erhalten, nach vorne bringen und immer wieder mit Anstößen und Impulsen versorgen.
Zum Kapitel „Infrastruktur“. Wir haben als Politiker des Landes die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass wir im Land eine Chancengerechtigkeit si
chern. Das ist angesichts der unterschiedlichen Lebensbedingungen eine große Herausforderung. Deswegen stellte sich die Frage: Wie können wir vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung die Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur gewährleisten?
Diese ausgabenintensiven Fachplanungen im technischen Bereich oder auch im regionalen Infrastrukturbereich muss man in den Blick nehmen, und dann muss man sehen, dass man sich vom Kirchturmdenken verabschiedet und hin zu Überlegungen zum Aus- und Rückbau von Einrichtungen kommt. Ich kann es jetzt im Grunde nur streifen, aber das sind Gedanken, die uns aufgrund von Gutachten, die wir eingeholt haben, mit auf den Weg gegeben wurden.
Es ist mir besonders wichtig, dass ich einen Bereich aus der Raumplanung erwähne, bei dem die Kommission die Chance zur Nichtöffentlichkeit meiner Ansicht nach besonders gut genutzt hat. Wie können sich kleine Orte im Land entwickeln? – Da gibt es bestimmte Vorgaben des Landesentwicklungsplans, und es wird diskutiert. Wir haben uns überlegt, dass wir ein Zentrale-Orte-Konzept erstellen müssen, mit dem man deutlich macht, dass in der Fläche Entwicklung möglich bleiben muss. Wir dürfen nicht sagen: „zu wenig Einwohner, keine Entwicklung“, denn das wäre dann im Grunde ein Raum, den wir nicht weiter fördern könnten.
Wir haben in der Handlungsempfehlung 119 deutlich gemacht, dass ein Verzicht auf Einwohnerschwellenwerte wichtig ist. Wir müssen eher bewerten, welche regionalen Entwicklungschancen es gibt, wie das Umfeld ist und wie man letztlich auch die Gesamtregion in den Blick nehmen kann. Auch hier ist sichtbar, dass der Kommission wichtig war, die entscheidenden regionalen Belange zu treffen, nicht so sehr das Kirchturmdenken weiter zu fördern, sondern Offenheit zu planen.
Wir haben über den öffentlichen Dienst gesprochen, und da werden Wörter und Begriffe auftauchen, von denen Sie sagen: Kenne ich schon. – Aber es geht nicht anders. Wir müssen Dienstrechtsreform und Versorgungsrechtsreform in den Blick nehmen. Wir müssen Verwaltungsreformen in den Blick nehmen. Ich denke, das ist ein sehr lohnendes Kapitel, das wir erarbeitet haben. Ich werde es nicht weiter ausführen können, aber das sind die Punkte, in denen wir wirklich herausgefordert sind.
Wir haben in der Gedenkstunde für Dr. Lenz gehört, dass er eine Dienstrechtsreform für Beamte angemahnt hat. Das hat mich schlucken lassen, dass wir da immer noch nicht so weit vorangekommen sind, wie es eigentlich nötig wäre.
Das brisante Kapitel „Finanzpolitische Herausforderungen“ möchte ich nur streifen. Worum geht es der zentralen Kontroverse: um höhere Staatsverschuldung, höhere Steuern oder um eine wachstumsori
entierte Wirtschaftspolitik? – Das waren die beiden sich gegenüberstehenden Positionen. Sie können in den Sondervoten nachlesen, wie sich die Fraktionen CDU und FDP positioniert haben und wie die regierungstragenden Fraktionen in diesem Konsensprozess beteiligt waren.
Ich möchte drei Dinge nennen, die uns besonders wichtig sind und für die wir uns auch eingesetzt haben. Es geht um die Einführung eines Demografiechecks für Gesetze und Verordnungen, um die Nachhaltigkeit und um die Berücksichtigung der Belastungen der kommenden Generationen.
Besonders spannend wird es sein – das ist die Handlungsempfehlung 168 –, wenn es um ein Sondervermögen Infrastrukturfond zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur geht. Und Sie werden auch eine Handlungsempfehlung finden, wonach die Beiträge zur Pensionsvorsorge für neue Beamtenverhältnisse bei Einstellung begleitend zu leisten sind.
Diese 178 Handlungsempfehlungen bieten eine Fülle von Anregungen und Denkanstößen, die uns in der Politik gut begleiten werden.
Am Ende dieser zweijährigen Arbeit frage ich mich: Was bleibt denn jetzt von diesem Ergebnis? – Sie alle haben in Ihren Fächern den Bericht als Drucksache erhalten. Sie sind die politischen Akteure, und insofern ist die Hoffnung auf Umsetzung gerechtfertigt.
Wir haben den Bericht aber nicht nur in Druckfassung erstellt, sondern auch ins Netz gestellt, und es ist ganz interessant: Die Nachfrage ist nach dem Pressegespräch vom Montag vorhanden. Es gibt durchaus eine interessierte Öffentlichkeit, die diese Anregungen, diesen Bericht lesen möchte. Das lässt mich hoffen, dass die Gesellschaft für die Herausforderungen des demografischen Wandels und der Handlungsbereiche sensibilisiert werden kann, und das lässt mich auch hoffen, dass wir für Politik und Forschung entsprechende Anregungen setzen können.
Meine lieben Kommissionsmitglieder, wir sind nun ein Stück Wegstrecke gemeinsam gegangen. Ich denke, auch uns obliegt aufgrund unserer Arbeit eine besondere Verpflichtung, nämlich die Verpflichtung zu aufmerksamer Wachsamkeit und notwendiger Ermahnung. Wir haben uns intensiv mit bestimmten Bereichen auseinandergesetzt, und wir haben gemeinsam Entscheidungen getroffen, von denen wir überzeugt sind, dass sie zum Wohl unseres Landes sind.
Da frage ich mich: Müssten wir nicht mit Blick auf TOP 23 vom Mittwoch – da geht es um das Gesetz zur Errichtung des Pensionsfonds – kräftig Einspruch erheben? Wäre das nicht eine Konsequenz unserer Arbeit? – Wir haben konstruktive Vorschläge erarbeitet. Das wird sich im Prozess der Bearbeitung dieses Gesetzentwurfes noch zeigen.
Und was bleibt von unserem persönlichen Einsatz in diesen vergangenen zwei Jahren? – Das wird sicherlich die eine oder der andere von Ihnen unterschiedlich einschätzen. Aber wir haben die positive Erfahrung gemacht, dass es gelingen kann, fraktionsübergreifend, pragmatisch und konstruktiv zusammenzuarbeiten. Das ist eine Erfahrung, die im politischen Alltag noch nachstrahlt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche eine gute weitere Debatte.
Recht herzlichen Dank, Frau Kollegin Birkhahn, für diesen Bericht über die Arbeit der Enquetekommission und für die Vorlage des Abschlussberichts.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPDFraktion Herrn Kollegen Weske das Wort. Bitte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Heinrich Heine erklärte das Grundübel der Welt aus dem Umstand, dass der liebe Gott zu wenig Geld erschaffen habe. Insofern gibt es Finanzminister, und jetzt liegt uns der Bericht dieser Kommission vor, weil uns dieser Umstand angetrieben hat.
Frau Birkhahn, Sie haben sich eben bei vielen Leuten bedankt. Im Namen der SPD-Landtagsfraktion möchte mich auch bei all denjenigen bedanken, ganz besonders aber auch bei Ihnen. Durch Ihre Empathie und Entschlossenheit haben Sie dafür gesorgt, dass der Bericht so gut geworden ist, wie er jetzt hier vorliegt. Vielen herzlichen Dank.
Dieser Dank gilt natürlich auch Ihrem Büro mit allem Drumherum und auch den Wissenschaftlern. Bei der Trauerstunde für Herrn Lenz wurde erwähnt, dass er dafür gesorgt hat, dass wissenschaftliche Referenten bei den Fraktionen arbeiten. Die fünf wissenschaftlichen Referenten haben dafür gesorgt, dass wir in den Sitzungen immer gute Grundlagen für die Debatten hatten.
Im Übrigen ist auch Herr Dr. Terfrüchte hier. Er konnte vorhin nicht winken, weil er irgendwo sitzt, wo er nicht sitzen darf. Auch er ist herzlich willkommen.
Wir haben es schon angesprochen: Es ist in der Tat ein Problem gewesen, dass die neuesten Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung das Ganze, was wir uns vorgenommen haben, ein bisschen über den Haufen geworfen haben. Eigentlich hatten wir gedacht, wir werden immer weniger. Doch nun, nach den neuesten Zahlen, werden wir 2030 – wir haben uns ja über den Zeitraum 2020 bis 2030 unterhal
ten – in Nordrhein-Westfalen mehr Leute sein, als wir heute sind. Deswegen mussten wir im Detail noch einmal schauen, was noch Sinn macht.
Wir sind an vielen Stellen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Handlungsempfehlungen nach wie vor ihren Sinn haben. Auf einige Dinge möchte ich eingehen.
Wir haben schon von der Fachkräftesicherung gesprochen. Wir haben sehr viele Empfehlungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgesprochen. Die Frauenerwerbsquote liegt in NordrheinWestfalen bei unter 40 %. Wir sind in Schweden gewesen und haben uns das angeschaut. Dort liegt die Frauenerwerbsquote bei 70 %. Dementsprechend gibt es sehr viele Handlungsempfehlungen dazu.
Nun muss man ehrlicherweise sagen – das klang so auch bei den Journalisten am Montag bei der Pressekonferenz an –, die hätten 178 Handlungsempfehlungen erwartet und dahinter eine Zahl, wie viele Milliarden wir dadurch einsparen. Das wäre denen lieber gewesen. Aber in der Tat – ich habe es noch einmal überschlagen –: 59 Handlungsempfehlungen, also etwa ein Drittel, kosten erst einmal Geld.
Da sind wir bei einem wichtigen zweiten Bereich. Neben den Investitionen, die wir zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vornehmen wollen, müssen wir auch die Frage der Remanenzkosten überlegen: Was ist mit den Straßenzügen, in denen kaum noch Leute wohnen? Bekommen wir es hin, die gesamte Kanalisation usw. für viel Geld auf Dauer aufrechtzuerhalten? Oder muss man tatsächlich auch mal den Schnitt machen und sagen: Wir investieren an dieser Stelle in den Rückbau. Das ist erst einmal teurer, aber auf Dauer hat man die ganzen Folgekosten nicht mehr.
Ein weiterer Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, weil er auch sehr bürgernah ist und ich mich selbst schon oft genug die Schwindsucht darüber geärgert habe, ist, dass wir Bürgerbüros brauchen, wo – egal, ob es sich um kommunale, Landes- oder Bundesdinge handelt – quasi alles aus einer Hand für die Bürgerinnen und Bürger gemacht wird. Das macht die Sache auf Dauer finanzierbar, gerade in den Regionen, in denen wir weniger werden. Es ist natürlich als Service für den Bürger viel interessanter, wenn er seine Hochzeit für das Standesamt anmelden und parallel dazu schon die Lohnsteuerklasse ändern kann. Das ist aktuell leider nicht der Fall.
An solchen kleinen Dingen haben wir also auch gearbeitet. Aber wenn man das angeht, kommt es den Menschen sofort zugute.
Das führt dazu, dass man an vielen Stellen von einer Pro-Kopf-Förderung, die wir in NordrheinWestfalen haben, wegkommen muss. Man muss sich die inhaltlichen Probleme im Detail ansehen und sagen: Auch wenn es weniger Menschen wer
den, brauchen diese erst einmal eine andere Finanzierung, um den demografischen Wandel gestalten zu können.
Wir haben auch festgestellt, dass es ein paar Ungereimtheiten gibt. Der Pensionsfonds ist eben schon angesprochen worden. Wir haben uns die Beihilfekosten angesehen, und wir haben alle gedacht: Gut, dem ist so. Die Belegschaft bei uns in den Verwaltungen wird immer älter. Also werden auch die Beihilfekosten für die aktiven Beamtinnen und Beamten steigen.