Herr Finanzminister, vielen Dank für die Einbringung des Haushaltsentwurfes 2016. – Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner in der Debatte hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Kollege Armin Laschet, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Finanzminister hat bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs mit dem Zeitraum 23. Juni bis 3. September begonnen und damit, was sich seit der Aufstellung des Haushalts bis zur heutigen Debatte verändert hat. Er hat auch prophylaktisch darum gebeten, dass niemand sagt, wir hätten das alles besser gewusst. Dem möchte ich ausdrücklich zustimmen.
Die Entwicklung der Lage der Flüchtlinge in diesem Jahr – das hat übrigens in der gestrigen Debatte auch keiner gesagt – hat so niemand voraussehen können. Wenn der Bundesinnenminister im März oder April, als 200.000 Flüchtlinge da waren, davon gesprochen hätte, dass es am Ende 800.000 Flüchtlinge sein würden, wäre gesagt worden: „Du machst Panik.“ Es gibt ja jetzt auch schon einige Menschen, die bereits von einer Million Flüchtlinge ausgehen, und man überbietet sich mit Zahlen, nur um Panik zu erzeugen.
Deshalb: Eine Veränderung dieser Zahlen wird Ihnen niemand zum Vorwurf machen, und es ist auch logisch, dass sich dies auf den Haushalt aus
wirkt. Das hat uns immer beschäftigt, und ich habe mir unterschwellig immer eher kritische Bemerkungen – auch der Frau Ministerpräsidentin – in Interviews anhören müssen, dass ich mich im Vorfeld auch schon einmal mit der Lage in Syrien beschäftigt habe.
In der Tat: Es ist klug, sich mit Syrien, der Ukraine und solchen Konflikten zu beschäftigen und hinzusehen, anstatt das abzutun und zu sagen: Mich interessieren die internationalen Fragen nicht, denn ich lebe hier in Nordrhein-Westfalen. – Wenn dort etwas schiefläuft, erreicht das aber jedes einzelne Dorf und jeden einzelnen Ort in NordrheinWestfalen. Insofern konnte Ihnen das niemand vorwerfen.
Ich gebe hier aber auch zu Protokoll – ich werde das nachher vorrechnen –: Wir haben seit Jahren ein Mehr von Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Herr Minister, ich bitte Sie jetzt schon, sich nicht in einem halben Jahr, in einem Jahr oder irgendwann vor der Landtagswahl an dieses Pult zu stellen und zu sagen: Ja, ich muss jetzt wegen der Flüchtlinge doch viel mehr neue Schulden aufnehmen. Vielleicht wird es nicht so kommen; wir haben bei Ihnen aber schon manche Drehungen in den Argumenten gehört.
Aber auch das ist heute Konsens: Wir verfügen über so viele Milliarden an Steuermehreinnahmen, dass wir diese Aufgabe schaffen, ohne neue Schulden aufzunehmen.
Wir werden aber beobachten, wie Sie sich in dieser Sache einlassen. Es ist völlig selbstverständlich, dass dieser Haushalt nachreguliert werden muss. Was wir an dem Haushalt, den Sie uns heute vorlegen, kritisieren, ist, dass Sie den politischen Gestaltungsanspruch weitgehend aufgegeben haben.
Ich möchte noch einige Zahlen nennen, wie sich die Länderhaushalte in diesem ersten Halbjahr 2015 entwickelt haben: Alle Bundesländer verzeichnen im Durchschnitt ein Plus von 490 Millionen €. Neun Länder in Deutschland schreiben schwarze Zahlen: Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein,
Sie brauchen gar nicht zu brüllen; es sind auch sozialdemokratisch regierte Länder dabei. Es sind außerdem nicht nur ostdeutsche Länder dabei, sondern mit Schleswig-Holstein und mit Niedersachsen auch Länder, die besser aufgestellt sind als dieser Haushalt von Nordrhein-Westfalen.
Deshalb ist das, was wir hier vorgetragen haben, ein Sonderproblem. Es gibt noch sieben Länder, die machen ein Minus von 3,6 Milliarden € – die Hälfte davon in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, unter den 16 Ländern wird über die Hälfte der neuen Schulden in Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Das ist kein Zustand für unser starkes Bundesland.
Parallel dazu muss man die Steuereinnahmen sehen, die ich eben erwähnt habe. Die Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen werden von rund 38 Milliarden € – das war der Ist-Zustand bei der Regierungsübernahme 2010 – auf knapp 57 Milliarden € im Jahre 2019 steigen.
Gleichzeitig erleben wir niedrige Zinsausgaben, so niedrig wie noch nie. Das, was öffentliche Haushalte freut, ärgert Private, die ihr Geld anlegen wollen. Die Gewinner jedoch sind überall in Deutschland im Grunde die Finanzminister. In den Jahren vor 2010 musste man 5 Milliarden € an Zinsen bezahlen. Im Moment ist dieser Betrag auf 3,5 Milliarden € gesunken.
Also: Trotz 19 Milliarden € Steuermehreinnahmen bis 2019 und Minderausgaben durch Niedrigzinsen in Höhe von fast 8 Milliarden € können Sie nur durch das Frisieren des Haushalts – nämlich mit dem Eingriff in den Pensionsfonds – überhaupt die schwarze Null erreichen. Und das ist unverantwortlich.
Stattdessen vertrauen Sie weiterhin auf sprudelnde Steuereinnahmen und niedrige Zinsen. Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Frau Mandt, hat das auf die wunderbare Formel gebracht: Mit den hohen Steuereinnahmen und den Niedrigzinsen ist das so wie mit Botox: Solange es wirkt, sieht alles gut aus.
Hier im Landtag bestand bis vor wenigen Wochen ein Konsens aller Landtagsfraktionen, dass für jeden neu eingestellten Beamten eine 70%ige Vorsorge für zukünftige Versorgungsausgaben angespart werden soll. Die Enquetekommission zur Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte, die morgen ihren Bericht in dieses Plenum einbringen wird, hat diesen Bericht noch nicht einmal fertig, da kommen Sie mit einem neuen Haushalt, der genau dieses Prinzip außer Kraft setzt.
Sie schaffen Fakten, bevor der Enquetebericht überhaupt erörtert werden kann. Da wird ein Demgrafiecheck für alle Gesetze gefordert. Ihr Haushalt, den Sie jetzt vorlegen, hält schon diesen Demografiecheck nicht aus – der ist schon gescheitert, bevor es losgeht.
Ich wundere mich insbesondere über die Grünen, die 2008, als sie noch in der Opposition waren, genau diese Nachhaltigkeit und Demografietauglichkeit für öffentliche Haushalte in einem wirklich bemerkenswerten Konzept formuliert haben. Sie machen sich hier zum Handlanger und sorgen durch das Aussetzen dieses Pensionsfonds und das Einfrieren für gewaltige Lasten ab dem heutigen Tag für künftige Generationen.
Was heißt das konkret? – Kollege Optendrenk wird das nachher noch etwas präziser erläutern. Sie frieren den Anteil am Versorgungsfonds des Landes auf 200 Millionen € ein, legen da zwei Fonds zusammen – das ist das „Frisieren“ –, aber in der Wirkung zahlen Sie bis zum Jahre 2025 nur noch 200 Millionen € und entziehen dadurch dem Versorgungsfonds 9 Milliarden € von 2017 bis 2025.
Auf diese Weise kommt man dann irgendwie zur schwarzen Null. In Wirklichkeit ist dieser Haushalt heute die Ankündigung: Präventive Finanzpolitik wird in Nordrhein-Westfalen selbst bei den Pensionen für Beamte ab sofort nicht mehr gemacht. Und das ist unverantwortlich.
Das konterkariert jedes Gerede davon, „kein Kind zurückzulassen“. Das ist eher ein Finanzminister, der da sitzt und sagt: Es wird kein Euro zurückgelassen. Ich sehe zu, wo ich tricksen kann, nur um diese schwarze Null zu erreichen.
Nun weiß ich auch – das haben wir schon in der letzten Haushaltsdebatte deutlich gemacht –, dass Sie die schwarze Null nicht durch Kürzen im Landeshaushalt erreichen können. Sie können gar nicht so viel streichen, um eine nachhaltige Finanzpolitik zu erreichen. Sie müssen zwar die Ausgaben herunterfahren, aber unser Problem ist und bleibt die mangelnde Wirtschaftskraft und die mangelnde Steuerkraft. Das ist und bleibt unser Problem.
Wir liegen im Länderdurchschnitt bei 97 %. Das heißt, wir hinken dem Wirtschaftswachstum in Deutschland hinterher – und das, obwohl wir das starke Industrieland sind, über das wir alle gerne mit Stolz und mit Recht in der Europäischen Union reden.
Deshalb, Frau Ministerpräsidentin, würde politische Führung bedeuten, zu sagen: Wir haben Tausende Dinge zu erledigen, aber ich erwarte von meinen Ministern, dass wir jetzt Schwerpunkte setzen. Und die Schwerpunkte müssen sein: Verbesserung der Rahmenbedingungen für Industrie und Mittelstand und eine vorausschauende Infrastrukturpolitik, damit wir nicht bei den Straßen und dem schnellen Internet immer hinterherhinken.
Das Ergebnis ist immer das gleiche: Wir tragen das hier vor, und dann wird in den Medien lanciert: Ja, es gibt jetzt einen Richtungswechsel. Die Ministerpräsidentin kümmert sich jetzt doch um die Wirtschaft. Die Ministerpräsidentin – es gibt ein paar Zeitungen, die das gerne auch gerne schreiben – hat jetzt den Richtungswechsel eingeleitet. – Dann gibt es Streit in der Koalition, dann einigt man sich – und dann ist wieder Stillstand. Das ist immer so der Mechanismus, den wir hier erleben.
Frau Ministerpräsidentin, lieber Herr Römer, Sie haben in dieser Woche dieses schöne Wirtschaftsforum der SPD-Fraktion durchgeführt – mit beeindruckenden Rednern: Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft, einige Vertreter der Wirtschaft. Ich habe mal genau zugehört, was der Sigmar Gabriel da gesagt hat. Er hat vieles gesagt;