Protocol of the Session on June 26, 2015

ner flächendeckenden Ausweitung der Lkw-Maut netto kaum Beiträge zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur, und sie hätte auch keine ökologische Lenkungswirkung.

Kurz gesagt: Diese Maut ist sozial ungerecht, verkehrs- wie wirtschaftspolitisch verfehlt und europapolitisch rückwärtsgewandt.

(Beifall von der SPD)

Gerade Letzteres ist für Nordrhein-Westfalen mit seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu Belgien und den Niederlanden schlecht, um nicht zu sagen: sehr schlecht.

Das ist zwar alles schon oft gesagt worden, aber offensichtlich noch nicht oft genug. Denn die unseres Erachtens einzig mögliche Konsequenz aus der Einleitung dieses Vertragsverletzungsverfahrens, sich nämlich davon zu verabschieden und diese Maut – wie man bei mir vor der Haustür sagt – in die Tonne zu kloppen, zieht der bayerische Bundesminister Dobrindt nicht.

Nein, er verschiebt die ursprünglich ab Januar 2016 vorgesehene Einführung der Maut bis nach Erlass des Urteils in diesem Vertragsverletzungsverfahren. Damit droht dann auch noch eine Art Stillstand in der gerade für uns in Nordrhein-Westfalen so wichtigen Frage der Finanzierung unserer Infrastruktur. Genau das können wir uns nicht leisten, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Aufgabe ist groß, und sie ist klar: Im Dreiklang von Neubau, Ausbau und Erhalt von Verkehrsinfrastruktur kommt dem Erhalt eine herausragende, eine immer größer werdende Bedeutung zu. Der bundesweit festgestellte zusätzliche Finanzierungsbedarf allein für den Erhalt beträgt – auf 15 Jahre gerechnet – für alle Verkehrsträger mindestens 7,2 Milliarden € jährlich.

Die Bodewig-Kommission hat eine Fülle von Maßnahmen vorgeschlagen, auf deren Basis die Verkehrsministerkonferenz die Umrisse für die Konzeption einer nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur entwickelt hat. Das, was seitens der Bundesregierung bisher gekommen ist, bleibt – wenn ich es einmal mit der gebotenen Zurückhaltung freundlich formulieren darf – hinter den Erwartungen zurück.

Klar ist: Wir brauchen ein deutlich stärkeres finanzielles Engagement des Bundes, sowohl durch Ausweitung der Haushaltsmittel als auch durch Ausweitung der Nutzerfinanzierung. Wir brauchen eine flexible, verkehrsträgerübergreifende und überjährige Nutzung der finanziellen Ressourcen.

Und: Wir müssen die strukturellen Benachteiligungen des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Verteilung verschiedenster Mittel im Verkehrsbereich beseitigen. Die notwendigen Sanierungsmittel sind anhand des tatsächlichen Bedarfs und des größtmöglichen verkehrlichen Nutzens zu verteilen.

Wir in Nordrhein-Westfalen leisten unseren Beitrag. Wir haben schon länger erkannt: Erhalt geht vor Neubau. Wir haben die entsprechenden Mittel auf das vom Landesrechnungshof geforderte Niveau angehoben. Wir stellen den Landesbetrieb Straßen neu auf und arbeiten mit der DEGES zusammen, damit mehr Projekte vom Reißbrett in die Tat umgesetzt werden können.

Wir in Nordrhein-Westfalen leisten unseren Beitrag – aber ohne eine gemäß den Ergebnissen der Daehre- und der Bodewig-Kommission angemessene Finanzausstattung für die Verkehrsinfrastruktur und ohne die Beseitigung der Benachteiligung unseres Landes bei der Verteilung der Mittel wird das alles nicht funktionieren.

Die Diskussion hierüber darf nicht ins Stocken geraten und schon gar nicht auf die lange Bank geschoben werden – im Gegenteil.

In diesem Sinne fordere ich alle Kräfte in diesem Haus dazu auf, ihren Einfluss in Berlin geltend zu machen – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre jetzt ja leicht, hier eine Rede zu halten und sich darin über die Bundesregierung oder Herrn Dobrindt lustig zu machen und das Ganze auf eine nonchalante Art abzutun.

Das Problem bei der Geschichte ist, dass in mindestens zwei Regierungsjahren in Berlin wertvolle Zeit vertan worden ist, in der man sich dringend um die Finanzierungsfrage bei der Infrastruktur hätte kümmern müssen. Das ist das eigentliche Problem.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man könnte die Story gut als Kindergeschichte erzählen: Klein Fritzchen kommt in die Küche. Der Herd ist an. Mutti sagt: Pack nicht auf die Herdplatte! – Papa sagt: Geh vom Herd weg! – Klein Fritzchen packt voll drauf, verbrennt sich die Finger, schreit und sagt: Die blöde Herdplatte!

Genauso ist es gelaufen. – Es war ja völlig klar, dass Brüssel einschreitet. Die entsprechenden Stellungnahmen gab es schon direkt nach Ausarbeitung des Gesetzentwurfes. Es ist doch ein Stück aus dem Tollhaus, wenn jetzt der CSU-Generalsekretär Scheuer sagt: Das ist alles nur diese Einmisch-EU. Die Einmisch-EU in Brüssel soll mal ruhig sein! – Das sind aber Argumente aus der AfD-Mottenkiste.

(Beifall von den GRÜNEN)

Demnach wären nicht die CSU, nicht Herr Dobrindt und nicht der Gesetzentwurf in irgendeiner Weise zu kritisieren, sondern die Tatsache, dass die EU da irgendwo reingrätscht.

Das Grundsatzproblem ist, dass wir in der ganzen Infrastrukturfinanzierungsdebatte nicht weiterge

kommen sind. Wir hatten 2011/2012 die DaehreKommission – Karl-Heinz Daehre ist der ehemalige CDU-Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt –, daran anschließend in 2013 die Bodewig-Kommission. Beide Kommissionen haben mit 16 zu null, mit allen Länderverkehrsministern jeglicher Couleur – damals war auch noch ein FDP-Mann aus Hessen mit dabei – festgestellt, dass es ganz klar 7,2 Milliarden € Unterfinanzierung allein bei der Sanierung geben wird. Es gab zudem klare Handlungsoptionen.

Dann kam die neue Bundesregierung, die Große Koalition. Was passierte? – Der Adler kreiste um den Berg und gebar eine Maus: 1,5 Milliarden € zusätzlich für Infrastruktur, noch nicht einmal festgelegt auf Sanierung, sondern gedacht für den gesamten Verkehrsbereich, also Neubau und Sanierung. Diese 7,2 Milliarden € Unterfinanzierung auf vier Jahre gerechnet bedeuten knapp 30 Milliarden €, die für eine Legislaturperiode fehlen. Diese Bundesregierung hat aber nur 6 Milliarden € zusätzlich bereitgestellt. Viel zu wenig!

Welche Schritte sind unternommen worden? – Die Daehre-Kommission und die Bodewig-Kommission haben eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen ab 3,5 t vorgeschlagen. Was hat die Bundesregierung gemacht? – Sie hat diese Maut auf einige zusätzliche Bundesstraßen erweitert und die Tonnage von 12,5 auf 7,5 t abgesenkt. Das ist zwar ein Schritt, aber immer noch viel zu wenig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Bundesregierung beantwortet auch nicht, wo das Geld herkommen soll. Eine Regierung, die sagt: „keine Steuererhöhungen, schwarze Null schon vor 2019“, die dann aber nicht beantwortet, wo denn die zusätzlichen Milliarden für die Infrastruktur herkommen sollen, versagt auf ganzer Linie. Es ist eine Schande!

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist zudem ein absolutes Vergehen an unserem Wohlstand, weil sowohl die Industrie als auch die tagtägliche Mobilität der Menschen davon abhängen, ob wir unsere Brücken, Straßen und Schienenstrecken saniert bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hat Dobrindt damit verbunden, zu sagen: Wir schaffen die Pkw-Maut, und dann regelt sich das alles, denn dann kommt Geld rein. – Es war von Anfang an klar, dass maximal 200 Millionen € bis 300 Millionen € dabei reinkommen würden.

Konsequenter wäre gewesen – auch wenn ich das aus verschiedenen Gründen inhaltlich falsch finde –, zu sagen: Wir schaffen eine allgemeine Pkw-Maut. Die gibt es in anderen Ländern auch. Die ist auch EU-rechtlich nicht zu kritisieren. Damit hätte man 4 Milliarden € bis 5 Milliarden € zusätzlich im Jahr eingenommen.

Aber nein, die Kanzlerin hatte sich ja in der Runde mit Herrn Steinbrück festgelegt: Mit mir keine PkwMaut! – Herr Seehofer hatte genau das gefordert, um auch die AfD in Bayern kleinzuhalten und einen Wahlkampfschlager zu haben. Dann kam diese sogenannte Ausländermaut dabei heraus – und es war von Anfang an klar, dass das nicht funktionieren kann und dass die EU einschreiten wird.

Jetzt haben wir das Dilemma. Wir haben keine weiteren Finanzmittel. Wir haben keine Schritte verabredet, und es sind nur noch zwei Jahre bis zur Bundestagswahl. Deswegen geht die dringende Aufforderung an alle, insbesondere an die CDU-Fraktion und ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden, die in Berlin Einfluss haben, Druck zu machen, damit hier endlich gehandelt wird und wir unsere Infrastruktursanierung schleunigst auf solide Füße stellen!

(Beifall von den GRÜNEN)

In der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses hatten wir die Debatte zu PPP bzw. ÖPP. Das ist ja die neue Heilserwartung – insbesondere vonseiten der CDU, aber auch vonseiten der FDP, wie ich gelernt habe –, unsere Infrastruktur mit privater Finanzierung auf die Beine zu bekommen.

Ich bin nicht grundsätzlich dagegen. Es gibt Projekte, und an manchen Stellen es ist sinnvoll, mit öffentlich-privater Finanzierung zu operieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber es ist doch so, dass ein Großteil der Projekte, in denen bisher Private die Infrastruktur mitfinanziert haben ,den Steuerzahler und die Allgemeinheit mehr Geld gekostet hat, als wenn sie grundsätzlich von Anfang an öffentlich finanziert worden wären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler haben das detailliert vorgelegt. Von zehn Verkehrsprojekten an Bundesautobahnen mit ÖPPFinanzierung waren sieben letztlich teurer, als wenn sie von Anfang an in öffentlicher Finanzierung gewesen wären.

Dann habe ich im Ausschuss gelernt, dass Kollege Rasche hierbei von „innovativen Modellen“ spricht. SPD und Grüne seien nicht offen für innovative Modelle bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Innovative Modelle, die Herr Wissmann Mitte der 90er-Jahre einführen wollte – da habe ich gelernt, was für die FDP „innovativ“ bedeutet: Sachen aus dem letzten Jahrtausend.

Auch Herr Voussem hat das zu einem großen Thema gemacht: Wir müssten endlich die Blockade bei ÖPP aufgeben. Ich bin gar nicht grundsätzlich gegen ÖPP, die Grünen auch nicht.

(Zuruf von der CDU: Aber?)

Aber man muss im Detail hinschauen, ob ein Projekt sinnvoll ist. Nach dem, was wir bisher von ÖPPProjekten im Verkehrsbereich wissen, kostet das die Allgemeinheit mehr, als es uns einbringt. Deswegen muss man hierbei sehr kritisch sein. Ich bin absolut dagegen, dass man das zur neuen „Finanzierungsvariante at the top“ erklärt, wie das vonseiten von FDP und CDU gewünscht ist.

(Beifall von den GRÜNEN und Achim Tütten- berg [SPD])

Mich wundert das deswegen, weil die CDU immer Einsparungen fordert und so tut, als sei sie der Gralshüter unserer Kassen.

Die Redezeit.

Oh, ich bin schon etwas über die Zeit.