Protocol of the Session on June 25, 2015

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Bunse. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Kollegin Schmitt-Promny das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Piraten fordert, dass die sonderpädagogische Förderung sicherzustellen ist. In dieser Zielsetzung sind wir uns doch alle einig. Da stellt sich die Frage, ob dieser Antrag vonnöten ist.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ja!)

Der Antrag greift ein Schreiben der Bezirksregierung auf. Der Inhalt ist inzwischen hinlänglich bekannt. Ich möchte aber auch darauf verweisen, dass die Bezirksregierung versucht hat, eine Lösung zu schaffen. Sicher gilt es zu klären, warum diese Situation entstanden ist.

Aber das Schreiben will doch erreichen, dass die sonderpädagogische Förderung für die betroffenen Kinder sichergestellt wird, und zwar auch an den

Schulen, an denen es bisher noch keinen gemeinsamen Unterricht gibt. Diese Zielsetzung ist unseres Erachtens im Sinne der Kinder absolut zu begrüßen.

Erinnert sei daran, dass die Kinder, die jetzt nicht vorrangig einem AO-SF-Verfahren zugeführt werden, nicht ohne sonderpädagogische Unterstützung bleiben. Denn sie werden an einer Schule mit gemeinsamem Unterricht eingeschult und werden dabei an der sonderpädagogischen Förderung dieser Schule teilhaben.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es handelt sich hier also um eine zeitliche Prioritätensetzung, damit auch an diesen Schulen ein Kontingent sonderpädagogischer Lehrerstunden zugeordnet und damit die notwendige Förderung erreicht werden kann.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Aus welchem Topf denn?)

Was sagt uns dann der Antrag der Piraten?

Wünschenswert ist doch, dass alle Schulen sonderpädagogische Förderung sicherstellen können. Das ist doch das Ziel der Inklusion an der Schule. Aber bleiben wir doch realistisch. Wir befinden uns zurzeit auf dem Weg. Dabei sind Hindernisse zu überwinden.

Festzustellen ist dabei, dass gegenwärtig zu wenige Sonderpädagoginnen zur Verfügung stehen. Es gilt, diese Ressource möglichst effizient einzubinden. Unter anderem gibt es deshalb auch Schwerpunktschulen.

Vorrangiges Ziel muss es sein und ist es, möglichst schnell mehr SonderpädagogInnen zu gewinnen. Deshalb ist die Zahl der Studienplätze im Bereich Sonderpädagogik deutlich erweitert worden.

Wesentlich ausgebaut werden soll diese Ressource zudem durch die berufsbegleitende Fortbildung zur Sonderpädagogik. Das ist vor allem deshalb notwendig, weil die zusätzlichen Studierenden sechs Jahre benötigen, bis sie dann als ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in die Schule kommen. Kurz- und mittelfristig benötigen wir also die berufsbegleitende Fortbildung direkt für den Alltag der Schulen.

Lieber Kollege Hovenjürgen, vielleicht ist es für Sie nicht uninteressant, noch einmal zurückzublicken. Auf die Zahl der zur Verfügung stehenden Sonderpädagoginnen wirkt sich negativ aus, dass auf den Beschluss der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung aus dem Jahre 2006 und die damit anstehende Übernahme in das deutsche Recht nicht vorausplanend reagiert wurde.

(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt- Küppers [SPD])

Zu diesem Zeitpunkt wurde versäumt, mehr Studienplätze zur Verfügung zu stellen.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Genau!)

Hochmotivierten potenziellen Studenten wurde

durch einen hohen Numerus clausus der Zugang zum Fach Sonderpädagogik verwehrt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Fehler rächt sich heute; denn diese Studenten könnten jetzt als fertige Sonderpädagogen an den Schulen eingesetzt werden.

Heute stehen wir vor dem Problem, dass eine hohe Zahl von Kindern auf Wunsch der Eltern dem AOSF-Verfahren zugeführt wird. Diese hohe Zahl der AO-SF-Verfahren ist ein zu hinterfragender Aspekt. Anscheinend stoßen auch die Gesundheitsämter und sonderpädagogischen Zentren, die diese Verfahren durchführen, auf Kapazitätsgrenzen. Auch hier gilt es, Ressourcen zu überprüfen.

Vor diesem Hintergrund versucht die Bezirksregierung Münster, eine Lösung für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Damit verfolgt sie das Ziel, kein Kind durch das Raster fallen zu lassen. Das muss doch das Ziel der Anstrengungen aller am Prozess Beteiligter sein, für alle Kinder, die einen sonderpädagogischen Bedarf haben, die sonderpädagogische Förderung auch zu gewährleisten.

(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt- Küppers [SPD])

Das ist doch auch hier im Parlament Konsens. Die Kollegin Dr. Bunse greift das auf, um zu einer weiteren Stigmatisierung der Kinder mit besonderem Förderbedarf auszuholen. Das entspricht nicht den Bemühungen vor Ort und auch nicht den Bemühungen, die wir politisch verfolgen. Deshalb stellt es auch nicht den Weg zu dem Ziel der Inklusion, den wir gegangenen sind, infrage. Ich gehe also von einem Konsens im Parlament zum Thema „Inklusion“ aus.

Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen: Was bringt uns der Antrag der Piraten? Wie bringt er uns weiter? Was ist seine eigenständige Zielsetzung? – Hierauf können wir keine Antworten geben. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Frau die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Schmitz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ebenfalls Hinweise zu diesem inakzeptablen Vorgang erhalten; da teilt die FDP die Empörung der Piraten. Leider verfestigt sich der Eindruck, dass das Schulministerium und nachgeordnete Behörden durch das überstürzte rot-grüne Vorgehen bei der Inklusion

völlig den Überblick verloren haben. SPD und Grüne verändern in atemberaubendem Tempo die sonderpädagogische Förderung hin zur reinen Aufbewahrung.

Das unverantwortliche Vorgehen bei der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs zeigt sich leider immer wieder. Durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz sind beim AO-SF-Verfahren deutliche Veränderungen vorgenommen worden. Meine Kollegin Gebauer hat daher in einer Kleinen Anfrage nachgefragt, wie sich die Zahl der Anträge auf Einleitung eines AO-SF-Verfahrens entwickelt hat. Die Landesregierung konnte keine Auskunft geben. Es gab nicht einmal eine Antwort darauf, wie viele Anträge vor Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes gestellt worden sind.

Allerdings erklärte die Landesregierung zu Anträgen von Eltern, die Eltern hätten einen Anspruch darauf, dass die zuständige Schulaufsichtsbehörde über ihre Anträge förmlich entscheidet. Zum Glück für die Landesregierung wurde nicht gefragt, wann über die Anträge entschieden wird. Auch die Rückmeldung, dass Eltern gezielt von der Antragstellung abgeraten wird, schien das Ministerium nicht weiter zu stören.

Anträge von Schulen werden offenbar ebenso schleppend behandelt. Die großen Probleme, die dieses Vorgehen zeitigen können, sind bereits geschildert worden. Ich möchte vor allem auf einen Aspekt eingehen, den ich bei diesem Vorgang besonders indiskutabel finde.

Die Bezirksregierung Münster schreibt als nachgeordnete Behörde des Schulministeriums betroffenen Schulen, dass es letztlich nicht problematisch sei, wenn Anträge von Schulen des gemeinsamen Lernens später bearbeitet würden. Begründung: Durch das sonderpädagogische Stellenbudget würden die Kinder dort eine – ich zitiere – „angemessene individuelle Förderung im Sinne der inklusiven Beschulung erhalten“.

Gleichzeitig erklärt die vorgesetzte Schulministerin in Interviews, Verbesserungsbedarf bestehe insofern, als – ich zitiere – „wir noch nicht überall genug Ressourcen für Sonderpädagogik an den inklusiven Schulen haben“. Wenn es nicht so traurig für Kinder und Lehrkräfte wäre, könnte man diesen Umgang mit den betroffenen Schulen schon fast als grotesk bezeichnen.

Sehr geehrte Damen und Herren von Rot-Grün, Sie loben sich für Ihre angebliche Präventionspolitik und sagen, Sie würden kein Kind zurücklassen. Offensichtlich schaffen Sie es aber nicht einmal, für Kinder einen angemessenen Einstieg in eine Förderung sicherzustellen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie tragen die Verantwortung für das Wohl dieser Kinder. Kommen Sie Ihrer Verpflichtung nach und

stellen Sie sicher, dass AO-SF-Anträge zeitnah bearbeitet werden! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Piratenfraktion hat Frau Kollegin Pieper zu einer Klarstellung noch einmal um das Wort gebeten. Wenn Sie, Frau Ministerin Löhrmann, damit einverstanden sind, ziehen wir das vor.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Ja!)

Bitte, Frau Kollegin.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte einige Dinge klarstellen. Ich bin weniger empört als einfach besorgt, weil ich weiß, wie schwierig die Situation für Eltern und Kinder ist, wenn sie warten müssen, bis eine Entscheidung gefallen ist.

Frau Stotz, Sie sagen relativ wenig zu unserem Antrag, aber viel zu Ihren hehren Zielen und betonen, dass laut Landesregierung die Förderung der Kinder nicht gefährdet sei. Was heißt das denn? – Es geht doch darum: Wenn Eltern ihre Kinder an einer Förderschule beschult haben wollen –morgen ist der letzte Schultag vor den Ferien –, dann macht es doch Sinn, dass ein solches Kind direkt nach den Ferien auf eine andere Schule geht und nicht erst acht Wochen später. Insofern kann mir doch keiner erzählen, dass die Förderung nicht gefährdet sei.

(Beifall von den PIRATEN und Josef Hoven- jürgen [CDU])

Wir stellen fest: Die Zahl der Anträge steigt. Die Kollegin Schmitt-Promny sagte gerade, die Bezirksregierung wolle eine Lösung schaffen. Warten wir es ab!

Sie sprechen von Prioritätensetzung und Sonderpädagoginnen, die ausgebildet werden müssen. Diesbezüglich bin ich komplett bei Ihnen. Aber darum geht es hier doch gar nicht! Die Schulen bekommen ein Datum, an dem ein AO-SF-Antrag bei der Bezirksregierung vorliegen muss, egal woher sie die Ressourcen nehmen. Es geht hier nur um die Zeit, die die Bezirksregierung braucht, um das Verfahren zu betrachten, zu begutachten und wieder zurückzugeben.