Dennoch meinen SPD und CDU im Bund und heute ja auch die nordrhein-westfälische CDU – Sie schreiben das ja sogar in der Überschrift Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde –, dass die Zustimmung des SPD-Parteikonvents zum Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung ein guter Tag für die innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens sei.
Also, meine Damen und Herren, es ist doch ein Grundprinzip des modernen Rechtsstaates, dass die Daten der Bürger in diesem Land nicht präventiv, nicht ohne Anlass erfasst werden. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung bricht mit diesem Prinzip. Richtig frei wäre dann keiner mehr.
Deswegen sagen wir Freien Demokraten ganz klar: Das war kein guter Tag für Nordrhein-Westfalen, sondern das war ein schlechter Tag für NordrheinWestfalen. Das war ein schlechter Tag für die Freiheit und ein schlechter Tag für die Bürgerrechte, für die Menschen in diesem Land.
Jetzt wissen wir, was die CDU darüber denkt. Herr Römer, wir haben Sie auch gerade gehört. Aber die spannende Frage steht ja noch im Raum: Was denkt denn nun eigentlich die Landesregierung? Ich würde gerne auch Herrn Minister Jäger fragen, aber Herr Kutschaty, wir freuen uns schon auf Sie. Das wird sicher auch sehr, sehr spannend.
Ich frage Sie: Ist das ein guter Tag für die Bürger in Nordrhein-Westfalen, wenn ein augenscheinlich verfassungswidriges Gesetz durchgeboxt werden soll, wenn durch die Vorratsdatenspeicherung hier in diesem Land fast 18 Millionen NRW-Bürger an die elektronische Hundeleine, an die digitale Fußfessel des Staates gelegt werden sollen? Ich frage Sie: Ist es ein guter Tag für Deutschland, wenn die Regierungsfähigkeit einer Partei gefährdet sein soll – so hat sich ja die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ausgedrückt –, wenn sich der Parteikonvent nicht für die Vorratsdatenspeicherung ausspricht?
Ich kann nur sagen: Etwas Ähnliches hat die CSU beim Mautgesetz ja auch schon einmal versucht und dann peinlich, also wirklich peinlichst, den Entwurf auf Eis gelegt aus Gründen, die vorher absehbar waren. Es tut mir leid, aber die Ähnlichkeiten zwischen SPD und CSU werden immer erschreckender, meine Damen und Herren.
Ich frage Sie: Ist das ein guter Tag für die Demokratie, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel die Delegierten in einer so sensiblen Sachfrage mit angedrohtem Rücktritt erpresst vor dem Hintergrund, dass selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Verfassungskonformität des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung bezweifelt und elf von 16 SPD-Landesverbänden sich zuvor in Beschlüssen gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatten?
Meine Damen und Herren, es war NRW-Innenminister Ralf Jäger, der eine integre liberale Bundesjustizministerin auf übelste Art und Weise populistisch aufgrund ihre ablehnenden Haltung zur Vorratsdatenspeicherung anging mit den Worten, ihr Verhalten sei ja mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären und sie agiere nahe an der Strafvereitelung. Das waren die Worte von Minister Jäger.
Aber wenigstens hatten wir zu der Zeit ja noch aufrechte SPD-Justizminister, die in Land und Bund dagegenhielten. Aber sie hielten dagegen, also Präteritum. Auch das ist Geschichte. Denn dann wurde ja Bundesjustizminister Maas – so ist mein Eindruck – fast wie ein Schuljunge zum Umfallen bewegt. Ansonsten wäre er ja vielleicht auch von Gabriel aus dem Amt gejagt worden.
Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es gab mal Politiker, die für ihre Überzeugung eingestanden sind und nicht beim ersten Gegenwind von oben umgefallen. Die sind gar von ihrem Amt zurückgetreten, weil sie das nicht mittragen wollten,
weil sie sich nicht dazu zwingen lassen wollten. 40 % der SPD-Mitglieder und elf von 16 Landesverbänden! Vermutlich wären es ja noch mehr gewesen, aber die Drohungen des SPD-Chefs haben ja offenbar gefruchtet, die eigene Überzeugung aufzugeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen müsste man eigentlich Minister Jäger auch mal fragen, ob das in seinen Augen alles Leute sind, die nahe an der Strafvereitelung agieren. Jetzt ist er heute nicht da. Wir haben die Gründe vernommen. Aber, Frau Ministerpräsidentin, dann frage ich Sie: Haben Sie denn in Ihrem Kabinett einen Justizminister, der nahe an der Strafvereitelung agiert, weil er gegen die Vorratsdatenspeicherung ist?
Das ist ja dann im Umkehrschluss die Frage. Das ist doch ein Trauerspiel. Leider sind die Aufrechten, die Anständigen in der SPD bei dieser Frage verstummt. Trauen Sie sich doch! Wir würden Sie doch auch unterstützen!
Auf ein Machtwort im Bundesrat oder gar eine Klage der NRW-Landesregierung können wir auch nicht mehr hoffen. Das ist ein Armutszeugnis.
Ich will noch einmal klar sagen: Wir Freien Demokraten stehen eng an der Seite der Polizei, wenn es um innere Sicherheit, um Personal, um gute Sachausstattung, moderne Fahndungsmethoden geht. Aber der Zweck darf nicht alle Mittel heiligen.
Es muss auch um Verhältnismäßigkeit gehen, um Maß, um Mitte, um Wahrung der Verfassung und Grundrechte der anlasslos Betroffenen. Wir haben hierfür doch klare verfassungsrechtliche Vorgaben. Dafür stehen wir als Freie Demokraten auch weiterhin konsequent und entschieden ein, auch wenn sich SPD und CDU anscheinend davon verabschiedet haben, meine Damen und Herren.
Die Vorratsdatenspeicherung soll nun sogar eine Kernfrage der inneren Sicherheit sein. So steht es im Antrag der CDU. Wir brauchen doch für mehr Sicherheit keine unverhältnismäßig technische Überwachung, sondern wir brauchen personalstarke Sicherheitsbehörden. Wir haben das so oft betont.
Die Vorratsdatenspeicherung hilft nicht bei der Verbrechensprävention, sondern dazu brauchen wir Polizeipräsenz. Und da drückt doch der Schuh.
Schauen Sie in den Bericht der Expertenkommission. Da können Sie es schwarz auf weiß lesen: 25 % der Arbeitsfähigkeit der Polizei in NordrheinWestfalen stehen gar nicht zur Verfügung. Das heißt: Jeder vierte Polizeibeamte in diesem Land existiert faktisch nur auf dem Papier, aber nicht für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Das ist die Kernfrage der inneren Sicherheit.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die Vorratsdatenspeicherung bleibt nur Ausdruck Ihrer eigenen Hilflosigkeit. Sie ist Gift für die Freiheit, und sie offenbart Ihr tiefes Misstrauen gegenüber allen Bürgern dieses Landes. – Ich erinnere mich gut: Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.
Das heißt im Umkehrschluss: Offenbar sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr Ihre Freunde. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Kruse, ich habe Ihren Antrag für die Aktuelle Stunde doch mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen. Wir haben daraus erkannt: Sie finden die Vorratsdatenspeicherung gut. Sie können Zeitungen lesen. Und Sie können ein paar Zitate aus den letzten Jahren zusammenstellen. Das ist eine beachtliche Leistung, die gleichwohl nicht in eine brauchbare inhaltliche Position mündet.
Nach zwei eindeutigen höchstrichterlichen Urteilen, deren Hürden der vorliegende Gesetzentwurf absehbar reißen wird, sind solche Jubelarien, wie wir sie heute von der CDU gehört haben, mit Sicherheit nicht angebracht.
Auch nicht angebracht ist, lieber Kollege Lürbke, sich auf ein derart hohes Ross zu setzen, wie Sie es heute getan haben.
Denn Sie waren zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen für die Onlinedurchsuchung verantwortlich, die krachend vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist – und das zu Recht.
Lieber Kollege Kruse, genauso wenig ist es angebracht, sich an dieser Stelle über etwas zu wundern, was in einer Demokratie selbstverständlich ist: Dass Vertreter unterschiedlicher Parteien in einer Sachfrage unterschiedliche Auffassungen vertreten, ist in einer Demokratie nichts Ungewöhnliches.
Dass wir in diesem Haus, das über den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht unmittelbar zu entscheiden hat, immer offen gesagt haben, dass wir darüber unterschiedliche Auffassungen haben, überrascht Sie mit Sicherheit am heutigen Morgen auch nicht mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine politische Binsenweisheit, dass man Politik vom Ende her denken muss. Man muss die Dinge vom Ende her denken. Wenn ich mir gerade vor dem Hintergrund der Jubelarie des Kollegen Kruse heute Morgen anschaue, welchen Gesetzentwurf die CDU vorgelegt hat, frage ich mich doch: Von welchem Ende her haben Sie da gedacht?
Haben Sie von dem Ende her gedacht, das der Gesetzentwurf der Großen Koalition in Berlin nehmen wird, falls er eines Tages tatsächlich im Bundesgesetzblatt stehen sollte? Das Ende ist doch klar. Es ist entweder das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof.