Protocol of the Session on June 24, 2015

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, es bleibt eine schwierige Auseinandersetzung mit den anderen Bundesländern und mit dem Bund über diese für uns wichtige Frage. Die Ministerpräsidentin hat ein paar Zahlen genannt. Ich will das hier noch einmal aufnehmen.

Unser Land Nordrhein-Westfalen zahlt über den Umsatzsteuervorwegausgleich 2,3 Milliarden € oder 2,4 Milliarden €. Das kommt in dem, was über den Länderfinanzausgleich öffentlich gemacht wird, gar nicht zum Tragen. Über den sogenannten direkten Ausgleich bekommen wir dann rund 800 Millionen € wieder zurück. Damit zahlen wir unter dem Strich 1,4 Milliarden €, manchmal auch 1,5 Milliarden € direkt an andere Länder.

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen vor allem von der Opposition, wir brauchen uns doch nicht zu verstecken! Dieses Land NordrheinWestfalen hat ebenso wie seine Menschen jahrzehntelang Solidarität mit finanzschwächeren Ländern geübt – erst mit Bayern, jetzt mit den ostdeutschen Bundesländern. In Sachen Solidarität brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht. Wir werden solidarisch bleiben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das muss man den Menschen in NordrheinWestfalen auch sagen. Es ist doch ein Unding, dass unser Land bezogen auf die finanzielle Stärke vor der Umverteilung auf dem fünften Platz liegt und nach der Umverteilung auf dem letzten! Vor der Umverteilung hatten wir pro Einwohner rund 1.000 € mehr als beispielsweise das Land Sachsen – das uns von Ihnen, Herr Kollege Laschet, ja öfter als Vorbild vor Augen geführt wird –, und nach der Umverteilung 500 € weniger.

Der sächsische Ministerpräsident ist sich inzwischen darüber im Klaren, glaube ich. Schließlich weiß er, was diese Auseinandersetzung vor allen Dingen für die Frage bedeutet: Wie geht es nach 2019 mit der Finanzierung der wichtigen Unterstützung auch für die ostdeutschen Bundesländer weiter? Nach meiner Einschätzung würde der sächsische Ministerpräsident heute nicht noch einmal mit dem Finger auf Nordrhein-Westfalen zeigen – das Land, aus dem viele Milliarden Euro nach Sachsen und in die anderen ostdeutschen Bundesländer geflossen sind – und uns ermahnen, wir sollten doch einmal ein bisschen sparsamer mit unseren Ausgaben sein.

Herr Kollege Laschet, helfen Sie mit, dass der Kollege Tillich einen solchen Fehler nicht noch einmal macht. Halten Sie uns Sachsen nicht immer als Vorbild vor. Wir sind in jedem Fall bereit, auch in der Zukunft solidarisch mit den ostdeutschen Bundesländern umzugehen. Wir sagen den Menschen in Nordrhein-Westfalen aber zugleich: Bei aller Solidarität, die wir auch zukünftig üben werden – auch mit dem Saarland und mit Bremen, weil sie nicht aus eigener Schuld in diese Schwierigkeiten gekommen sind –, wollen wir von dem, was die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet haben und weiter erwirtschaften, ein bisschen mehr bei uns behalten.

Das ist fair, das ist gerecht, und das ist vor allen Dingen auch wichtig, damit wir in unserem Land weiter nach vorne kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir stellen uns den Herausforderungen, die entstehen durch immer mehr Menschen, die zu uns kommen aus Not und Elend, aus Krisen- und Kriegsgebieten. Wir werden dafür sorgen, dass es im Bund-Länder-Finanzausgleich zu einer anderen, einer transparenteren, einer vor allen Dingen für Nordrhein-Westfalen gerechteren Verteilung kommt.

Wir bleiben dabei selbstverständlich auf unserem Kurs, den wir hier in Nordrhein-Westfalen 2010 begonnen haben und den wir konsequent fortsetzen. Die Ministerpräsidentin hat mit wenigen Zahlen darauf verwiesen. Wir werden bereits im Jahre 2019 ohne neue Schulden auskommen können, ohne dass wir unsere wichtigen Aufgaben vernachlässi

gen würden – nämlich die Investitionen in die Zukunft, in die Köpfe und Herzen unserer Kinder, vor allen Dingen in die Förderung von Familien, in die Stabilisierung der kommunalen Finanzen, in die Infrastruktur und damit in eine gute Zukunft für unser Land und für seine Menschen.

Das machen wir. Darauf können Sie sich verlassen. Die Menschen können sich darauf verlassen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende Herr Kollege Christian Lindner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, Sie haben eben mit Blick auf das Engagement von Bürgern und Kommunen in der Flüchtlingshilfe angemessene und richtige Worte gefunden. Generell dürfen wir sagen: In der Flüchtlingspolitik überwiegen in diesem Hause die Gemeinsamkeiten die Unterschiede.

Das ist auch angemessen und richtig; denn es geht zum einen um die Frage der Humanität gegenüber Menschen, die in größter Not bei uns Schutz suchen. Zum anderen geht es darum, dass der Staat seine Handlungsfähigkeit in diesem sensiblen Feld unter Beweis stellt; denn Menschen haben Angst, und Menschen werden auch Zeugen von Überforderung ihrer gemeindlichen Strukturen.

Wir alle in Bund und Ländern sind also gefordert – aus Gründen der Humanität und um dafür zu sorgen, dass nicht irgendwann Rechtspopulisten aus den Ängsten der Menschen Kapital schlagen wollen –, in dieser Frage Gemeinsamkeit und Handlungsfähigkeit zu zeigen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben für heute eine Unterrichtung nach einer Ministerpräsidentenkonferenz angemeldet. Deshalb haben wir uns natürlich im Einzelnen gefragt, wozu Sie hier Position beziehen werden. Vieles – so gut wie alles – von dem, was Sie hier dargetan haben, war bereits aus den Medien und aus den einschlägigen Stellungnahmen bekannt. Zu den Finanzbeziehungen von Bund und Ländern sind wir schon durch die Zeitungslektüre am Morgen informiert worden.

Die Ministerpräsidenten haben sich mit der Bundeskanzlerin über den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ausgetauscht. Dazu haben Sie hier heute nicht gesprochen. Auch über die Digitalisierung des Landes ist bei der MPK beraten worden, wenngleich auch mit durchaus mauen Ergebnissen. Wenn die Regierungschefs von Bund und Länder erklären, sie wollten die Herausforderung der Digitalisierung anneh

men, wie es in der Erklärung heißt, dann ist das angesichts der fundamentalen Umwälzung, die damit verbunden ist, nun kein Grund zur Beruhigung.

Wir haben uns gefragt: Zu welchen Punkten werden Sie, Frau Ministerpräsidentin, hier noch Stellung nehmen? So, wie Wolfgang Clement, Peer Steinbrück und Jürgen Rüttgers, Ihre Vorgänger, ja eine Unterrichtung immer auch genutzt haben, um zusätzliche politische Punkte zu markieren, neue Punkte zu markieren.

Also war die Spannung groß, was dieser Punkt sein würde. Ich hatte damit gerechnet, dass Sie etwa zur Kohleabgabe Stellung nehmen.

(Zurufe)

Dazu erreichen uns aus Berlin widersprüchliche Signale, ob sie jetzt kommt, oder ob sie nicht kommt.

(Zuruf von der SPD: Da merkt man, dass Sie keinen Signalgeber mehr haben!)

Ich hätte erwartet, dass Sie hier noch einmal die Position unterstreichen,

(Beifall von der FDP)

dass wir nicht gleichzeitig aus Kernenergie und Kohle aussteigen können, wenn unser Land nicht deindustrialisiert werden soll. Dazu nichts!

Dann habe ich überlegt: Möglicherweise haben Sie genauso wie wir gelesen, dass Nordrhein-Westfalen bezogen auf den Arbeitsmarkt zum Sorgenkind geworden ist und sogar in Thüringen die Entwicklung jetzt besser ist als hier bei uns an Rhein und Ruhr.

(Lachen von Jochen Ott [SPD] – Zurufe)

Ich hatte also erwartet, sie würden vielleicht diese Unterrichtung dazu nutzen, in der Wirtschaftspolitik einen Politikwechsel anzukündigen. Denn fünf Jahre Kraft waren eben kein soziales Versprechen, sondern haben den Menschen konkret in der sozialen Realität Chancen genommen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Vielleicht wäre auch die sagenumwobene Kabinettsumbildung jetzt bekanntgegeben worden.

(Zuruf von der SPD: Eine Welt, wie sie mir gefällt! – Weitere Zurufe)

Vielleicht wäre auch der heutige Arbeitstag der letzte Arbeitstag von Svenja Schulze, der AtomkugelMinisterin, gewesen. Aber nichts davon!

(Beifall von der FDP – Ibrahim Yetim [SPD]: Sie haben keine Chance, Herr Lindner! – Zu- ruf von der SPD: „Heute“-Show! – Weitere Zurufe)

Frau Ministerpräsidentin, ich muss Ihnen sagen: Überraschung gelungen. Es gab in dieser Unterrichtung für den Landtag nichts Neues zu erfahren.

(Beifall von der FDP)

Nun zu den beiden Punkten, die Sie hier dargelegt haben.

Zur Frage der Flüchtlingspolitik wird sich gleich, in der zweiten Runde, mein Kollege Dr. Joachim Stamp noch im Einzelnen äußern. Er war gerade mit den beiden Evangelischen Landeskirchen in Italien

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nicht nur er!)

und bringt unmittelbare Eindrücke von dort mit. – Nicht nur er, auch andere.

Ich will vorab nur sagen, dass auch aus unserer Sicht die Ergebnisse, auf die sich Bund und Länder verständigt haben, in die richtige Richtung gehen, insbesondere bezogen auf die Beteiligung des Bundes, die Beschleunigung von Verfahren und auch die besseren Integrationsmöglichkeiten.

Aber wesentliche Fragen, die konkretisiert werden müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind in den Herbst verschoben worden. Sie haben eben selber gesagt, was alles noch offen ist. Aber in dieser hochsensiblen politischen Aufgabe brauchen wir jetzt Lösungen. Die Flüchtlingspolitik verträgt keine politische Sommerpause, Frau Ministerpräsidentin. Es muss jetzt und schnell gehandelt werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie haben gelobt, dass sich der Bund jetzt dauerhaft und strukturell an den Kosten beteiligen wird. Das haben Sie hier – Kollege Laschet genauso – als einen wesentlichen Fortschritt unterstrichen. – Ja, die Richtung stimmt. Aber wir sollten nicht vergessen, dass das, was der Bund zugesagt hat, eigentlich noch zu wenig ist. Es sollte doch diejenige staatliche Ebene die Kosten für die Flüchtlingspolitik übernehmen, die auch tatsächlich über Aufnahme und Aufenthalt entscheidet. Wir brauchen in dieser Frage also das Konnexitätsprinzip, durch das Aufgabe und Kostenverantwortung zusammengeführt werden. Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss dauerhaft und vollständig beendet werden, wenn wir tatsächlich zu einer sachgerechten politischen Lösung kommen wollen.

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in dieser Unterrichtung auch die Gesamtlage in der Flüchtlingspolitik in den Blick nehmen. Gerade heute erfahren wir, dass sich Ungarn aus der Dublin-III-Verordnung herausstehlen will, dass also innerhalb Europas in dieser kritischen Frage keine Rechtssicherheit mehr besteht. Es muss doch ein Anliegen Deutschlands sein, auf eine faire Las