Ohne die vielen Menschen in Deutschland und bei uns in Nordrhein-Westfalen sowie in Israel, die sich für die Aufnahme und die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen den Staaten und die vielfältigen Beziehungen zwischen beiden Gesellschaften mit Energie, gegenseitigem Vertrauen und Beharrungsvermögen eingesetzt haben, hätten sich die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern und Gesellschaften nicht in einem so umfassenden Maße entwickeln können.
Es gibt in und zwischen unseren Gesellschaften auch weiterhin viel zu besprechen. Was wir nicht brauchen, ist die oft beschworene Normalisierung des einzigartigen Verhältnisses zwischen Israel und
Deutschland. Eine Normalisierung würde nämlich die Besonderheit unseres Verhältnisses zu Israel und unsere Verantwortung für Israel negieren.
Dabei muss klar sein – und für uns ist das klar –, dass die Grundlage dafür unser Einstehen für den Staat Israel ist, und zwar unabhängig davon, inwiefern wir mit der aktuellen dortigen Regierungspolitik übereinstimmen. Wir pflegen die entstandenen Freundschaften. Wir setzen uns aber auch kritisch mit dem einen oder anderen Aspekt auseinander. Offene Worte zu den jüngsten antisemitischen Demonstrationen in Berlin, ebenso offene Worte zur israelischen Siedlungspolitik: auch das gehört zu unserer Verantwortung – heute, im Jahr 2015, 50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen.
Eine offene Debatte über unser Verhältnis zueinander zu führen, ein offenes Wort über Differenzen: Das stellt die Einzigartigkeit unserer Beziehungen zu Israel nicht infrage, sondern ist Teil unserer kritischen Solidarität.
Solidarität ist bei uns allen auch stets gefordert, wenn es heißt, gemeinsam und entschieden jeglichem Antisemitismus zu begegnen. Ich möchte hier die Aussage des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi zitieren:
Die jüngsten antisemitischen Anfeindungen und Angriffe auch in Deutschland haben zu einer Verunsicherung unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger geführt und zeigen, dass wir in unserem Bestreben nicht nachlassen dürfen.
Meine Damen und Herren, ich kann es nur noch einmal unterstreichen: Wir in Nordrhein-Westfalen treten jeglichen antisemitischen und antiisraelischen Bestrebungen entgegen.
Dabei gilt: Erinnerung und Verantwortung sind für uns Nachgeborene keine Strafe, sondern eine Verpflichtung und ein Auftrag – ein Auftrag, unsere historisch-politische Bildung zu verstärken.
Ich bin der Schulministerin Sylvia Löhrmann deswegen sehr dankbar dafür, einen wesentlichen Impuls für die schulische Bildung in diesem Zusammenhang gesetzt zu haben. Sie hat vor etwa 14 Tagen in einer Rede noch deutlich gesagt – ich zitiere –:
„Die Schoah ist und bleibt dabei Dreh- und Angelpunkt historisch-politischer Bildung im Zeichen einer umfassenden Erinnerungskultur.“
Der unter ihrer Präsidentschaft gefasste Beschluss der Kultusministerkonferenz „Erinnern für die Zukunft – Empfehlungen zur Erinnerungskultur als Gegenstand historisch-politischer Bildung in der Schule“ vom Dezember 2014 sowie die von der KMK im Oktober 2013 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung mit Yad Vashem sind beispielhaft.
Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat darüber hinaus gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung und den kommunalen Spitzenverbänden die Bildungspartnerschaft „Gedenkstätte und Schule“ gegründet und unterstützt gemeinsam mit anderen Bundesländern Programme zur Demokratie in der Schule wie beispielsweise „Demokratisch handeln“, „Schule ohne Rassismus“ oder „Schule mit Courage“.
Wir alle können der Ministerin, dem Ministerium und der Landesregierung nur viel Erfolg wünschen, dass nun alles systematisch in unseren Schulen umgesetzt wird.
Wenn wir uns die zahlreichen Aktivitäten des Landes in Nordrhein-Westfalen anschauen, können wir heute erfreut feststellen, dass die Partnerschaften und Freundschaften mit Israel sehr lebendig sind. Wir wünschen uns für die Zukunft der deutschisraelischen und der nordrhein-westfälisch-israelischen Beziehungen eine Fortsetzung der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. – Shalom und Masel tov!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erinnern mit dem Antrag und der heutigen Debatte an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel am 12. Mai 1965. Das Datum markiert einen Meilenstein auf dem Weg zu einer herausragenden deutsch-israelischen Beziehung auf sämtlichen Gebieten, von denen wir heutzutage Gott sei Dank sprechen dürfen.
Es ist gut, dass wir im Landtag gemeinsam daran erinnern, und zwar nicht nur weil die wunderschöne Stadt Bonn seinerzeit Regierungssitz der noch jungen Republik war, sondern weil die politischen, kulturellen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Israel sehr groß sind. Dazu gehört natürlich auch, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen in der nordrhein-westfälisch-israelischen Parlamentariergruppe
unter Vorsitz von Herrn Kollegen Römer für ein lebendiges Netzwerk mit Menschen innerhalb und außerhalb von Vereinigungen aus Politik, Wirtschaft und Kultur engagieren.
Wir dürfen uns heute über eine enge und freundschaftliche Beziehung zwischen Israel und Deutschland freuen. Angesichts der während der nationalsozialistischen Diktatur von Deutschen verübten Verbrechen, den Demütigungen, der Verfolgung und systematischen Ermordung von über 6 Millionen Menschen jüdischen Glaubens und vielen anderen, die sich der menschenverachtenden Ideologie der Nazis nicht unterordnen wollten oder konnten, ist diese Freundschaft bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.
Deshalb ist der 12. Mai auch ein Jahrestag der Erinnerung an die Schoa, an den Holocaust, an diesen singulären Zivilisationsbruch und den Verrat aller Menschlichkeit.
Welche Größe, welche Zuversicht war notwendig, aufeinander zuzugehen und gemeinsam für ein friedliches Miteinander Verantwortung zu übernehmen, damit sich dieses unvorstellbare Leid jenes dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte niemals und nirgendwo wiederholt! Gerade gegenüber der jungen Generation tragen wir die Verantwortung, die Namen zur Erinnerung zu nennen. Leider verlieren wir täglich die Zeitzeugen, deren Berichte jeden von uns wachgerüttelt haben.
Heutige rechts- und linksextremistische, islamistische und antisemitische Bestrebungen fordern deshalb neue Wege, jenes Bewusstsein zu schärfen, die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen entschlossen und nachhaltig zu verteidigen.
Ja, in unserem Land gibt es wieder aktive jüdische Gemeinden und jüdisches Leben. Polizeischutz ist oftmals leider nötig. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass wir „Normalität“ nicht erreicht haben; zugleich ist es eine Mahnung, niemals gleichgültig zu werden oder wegzusehen, wenn Menschen jüdischen Glaubens Angst haben, sich als Juden zu erkennen zu geben, und erst recht nicht, wenn auf unseren Straßen Parolen gebrüllt werden, wie dies im vergangenen Sommer bei den sogenannten Palästina-Sympathisanten und deren Demonstrationen geschehen ist. So etwas hielten wir wohl alle im 21. Jahrhundert eigentlich nicht mehr für möglich.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen beschreibt den Beginn einer Zusammenarbeit zwischen Staaten. Zu einer Freundschaft ihrer Völker braucht es aber zivilgesellschaftliches Engagement. Ich darf in Erinnerung rufen, dass der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen bereits ab der zweiten Hälfte der 50er-Jahre eine Phase sich allmählich vertiefender Kooperationen zum Beispiel in der Wissenschaft vorangegangen war, beispielsweise im internationalen Forschungszentrum CERN, des
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Freien Demokraten wollen die zivilgesellschaftlichen, freundschaftlichen und natürlich auch die diplomatischen Beziehungen mit Israel fördern. Dazu gehört auch das Engagement für eine dauerhafte Lösung, für Frieden und Stabilität im Nahen Osten, für eine stabile Zweistaatenlage, in der sowohl Israelis als auch Palästinenser frei und selbstbestimmt über ihre Geschicke selbst entscheiden können.
Uns allen ist bewusst, dass der Weg dorthin nicht einfach sein wird. Mit Blick auf die vielen Konflikte in der Region ist eine Garantie des Staates Israel zwingend, ebenso ein Gewaltverzicht aller für einen Weg aufeinander zu.
Wenn es Israel und Deutschland gelungen ist, auch nach dem unvorstellbarem Leid und den unmenschlichen Verbrechen, die von Deutschen verübt wurden, aufeinander zuzugehen und Hass zu überwinden, dann mag ich den Glauben und die Hoffnung haben, dass es eines Tages auch zu einem dauerhaften Frieden und zu Stabilität im Nahen und Mittleren Osten kommen wird.
Ich bin dankbar, dass wir in diesem Land und in diesem Parlament gemeinsam unseren Beitrag dazu leisten wollen. Dem Antrag stimmen wir heute natürlich zu. – Vielen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und daheim! Das bereits Gesagte unterstreichen wir vollumfänglich. Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Israel im Jahr 1965 geschah zu einer Zeit, in der Deutschland weit davon entfernt war, eine echte öffentliche Debatte über Aufarbeitung und Schuld zu führen.
Daher verwundert auch nicht – ohne die Leistungen von Adenauer und Ben-Gurion zu schmälern –, dass der Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen nicht von langer Hand geplant, sondern auch Ergebnis der geopolitischen Großwetterlage zur Hochzeit des Kalten Krieges war.
Trotzdem oder gerade deshalb wurde im Jahr 1965 ein Grundstein für sich nach und nach entwickelnde Beziehungen zweier Staaten gelegt, die sich heute in engen politischen, zivilgesellschaftlichen, kulturellen und vor allem persönlichen Beziehungen widerspiegeln. Dafür sind wir dankbar.
Die Intensivierung der Beziehungen geschah und geschieht insbesondere durch persönliche Begegnungen, über Städte- und Schulpartnerschaften, Kultur- und Jugendaustausche und auch über die friedliche Zusammenarbeit in den Wissenschaften. Vor allem die junge Generation muss dazu ermutigt werden, diese Beziehungen weiterhin zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dazu gehört ganz wesentlich auch das fortwährende Bewusstsein über die Bedeutung von Aufarbeitung und Schuld.
Heute, da die letzte Überlebenden-Generation nach und nach von uns geht, ist es umso wichtiger, die Erinnerung über die direkte persönliche Begegnung mit dem Unvorstellbaren aufrechtzuerhalten. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sehen sich weiterhin größten politischen Herausforderungen gegenüber. Diese können nur gemeistert werden, wenn die in Deutschland lebenden Menschen, vor allem aber die junge Generation, ein aufgeklärtes und in Erinnerung verwurzeltes Verhältnis zu Israel und dem jüdischen Glauben haben.
Der 25%ige Anstieg antisemitischer Straftaten in Deutschland im letzten Jahr ist alarmierend und beschämend. Er muss Warnung sein. Er muss Warnung sein auch für teils strukturelle Verfehlungen in unserem Bildungssystem, bei Polizei und Justiz. In einem Land, in dem eine rechtsextreme Terrorzelle jahrelang unbehelligt morden konnte, muss diese Warnung auch gehört werden.
Diese Aspekte der eigenen Verantwortung gilt es ebenfalls herauszustellen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind einen langen und steinigen Weg gegangen, um dort anzukommen, wo sie heute sind – freundschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe, die auch gegenseitige Kritik aushalten. Doch es ist in unserer direkten Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die junge Generation das Erbe der Erinnerung antreten kann. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann in Stellvertretung für Frau Ministerin Schwall-Düren.