Protocol of the Session on March 19, 2015

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will Ihnen ganz klar sagen – eigentlich wollte ich gar nicht nach hinten gucken, sondern nach vorne –: 2010 hatten wir einen Paradigmenwechsel in diesem Land. Wir sind nicht mehr von der Schuldfrage ausgegangen, sondern wir haben uns der Probleme der Gemeinden angenommen. Wir haben einen Stärkungspakt aufgelegt, der immerhin 6 Milliarden € in die Kommunen nach Nordrhein-Westfalen spült und dafür sorgt, dass insbesondere die notleidenden Kommunen wieder Investitionstätigkeiten ausüben können.

Was das Paket der Bundesregierung betrifft, so hat die Große Koalition 5 Milliarden € Entlastung pro Jahr versprochen. Da komme ich dann wieder auf den Kollegen Abruszat zurück: Ja, von dem Zitat ist nichts zurückzunehmen, aber die Koalition hat sich auch ganz klar positioniert. In ihrem Entschließungsantrag fordern SPD und Grüne 5 Milliarden € Entlastung für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dass das möglich ist, zeigt ein Blick in den Bundeshaushalt. Die Mütterrente ist angesprochen worden, die Rente mit 63 ist angesprochen worden. Alleine das kostet 10 Milliarden € im Jahr 2015. Jetzt könnte ich noch die Bundeswehr, den ÖPNV-Ausbau und andere Punkte nennen. Ich muss schon sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Als Haushälter blutet mir ein wenig das Herz, dass einerseits das Geld in diese Projekte gepackt wird und andererseits die 5 Milliarden € Entlastung nicht in den Kommunen ankommen.

Jetzt möchte ich zur Verteilungsquote kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie haben bemängelt, dass 1,2 Milliarden € nach Nordrhein-Westfalen kommen, weil nach Einwohnerzahl, nach Kassenkrediten und nach Arbeitslosenzahlen verteilt wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was der Kollege Körfges ausgeführt hat, stimmt. Das ist Solidarität! Das ist zielgerichtetes Finanzieren nach Bedürftigkeit und eben nicht nach Himmelsrichtung!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn jetzt ausgerechnet diejenigen Länder, die Überschüsse in ihren Haushalten haben, die nach Himmelsrichtung gefördert worden sind, darüber herziehen, dass Nordrhein-Westfalen, weil wir bedürftige Städte haben, weil wir die höchsten Kassenkredite haben, 1,2 Milliarden € bekommt, dann finde ich das nicht in Ordnung. Deswegen müssen wir im Bundesrat dafür sorgen, dass das Gesetzgebungsverfahren dort zügig und sachgerecht durchgeführt wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Nordrhein-Westfalen betrifft: Ja, wir werden nach Bedürftigkeit verteilen. Da scheint mir das Gemeindefinanzierungsgesetz ein sehr brauchbarer Schlüssel zu sein. Wir haben ein seit Jahren erprobtes Instrument, das die Finanzkraft der Gemeinden und auch den Bedarf der Gemeinden abbildet. Insofern macht es doch Sinn – in diese Richtung denken wir zumindest –, die Mittel nach der Logik des Gemeindefinanzierungsgesetzes und eben nicht nach dem Stärkungspakt zu verteilen. – Denn es macht keinen Sinn, Herr Kollege Abruszat, das Geld an alle Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zu verteilen, sondern es sollte an die bedürftigen und notleidenden Kommunen gehen. Genauso werden wir es machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Kai Abruszat [FDP])

Herr Kollege Laschet und Herr Kollege Kuper, ich empfehle Ihnen, Ihre zukünftigen Überlandfahrten in die Gemeinden abzusagen; denn dank der Unterstützung des Kollegen Kampeter wissen wir seit heute, dass auch die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Bedürftigkeit sehr wohl etwas mit Arbeitslosenzahlen und auch mit Kassenkrediten zu tun hat. Deswegen ist Ihr Argument seit dem heutigen Tag schlicht falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber etwas anderes war ganz spannend: Der Kollege Laschet hat ja eine ganz besondere Methode, mit der Politik der Landesregierung umzugehen. Auf der einen Seite redet er das Land NordrheinWestfalen schlecht, und auf der anderen Seite guckt er nach Bayern und lobt „Holy Horst“ nach allen Möglichkeiten.

(Armin Laschet [CDU]: Und Kretschmann! Kretschmann lobe ich auch!)

Das habe ich nicht so oft gelesen. Ich habe in letzter Zeit nur gelesen, was Sie über Herrn Seehofer aus Bayern gesagt haben. Die „Bild“-Zeitung Düsseldorf schreibt beispielsweise über Herrn Laschet: „Laschet ledert wieder“ und darunter der O-Ton Laschet: „Man hört von morgens bis abends den bayerischen Ministerpräsidenten …,

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

aber das Industrie- und Energieland … hat weder Stimme noch Gesicht in der Bundeshauptstadt.“

(Armin Laschet [CDU]: Stimmt! – Zurufe von der CDU: So ist es!)

Hören Sie mal zu. In der „Westdeutschen Zeitung“ findet sich sogar das Laschet-Zitat: „Frau Kraft findet in Berlin nicht statt.“ So geht das bei Ihnen, Herr Laschet, tagein, tagaus, Woche für Woche: Laschet ledert wieder, NRW ist schlecht, und Seehofer ist super.

(Armin Laschet [CDU]: Seehofer ist laut!)

Das ist Politik – wir hatten es vorhin schon – aus der Gebetsmühle, eine Opposition der Einfallslosigkeit, kein spannender politischer Entwurf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Aber wir haben die Zeitung auch weitergelesen. Als „Crazy Horst“ am gleichen Tag für Herrn Laschet stattfand, da fand man sehr positive Nachrichten für Nordrhein-Westfalen in Sachen kommunaler Finanzfonds, über den wir heute diskutieren, und zu dem Plan der Bundesregierung, Nordrhein

Westfalen mit 1,2 Milliarden € zusätzlich zu entlasten. Am 7. März, dem Tag, von dem Sie offensichtlich nichts mitbekommen haben, fand man im „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Überschrift: „NRW-Städte profitieren …“. Der „Tagesspiegel“ führte für den gleichen Tag aus:

Gute Nachrichten für die NRW-Kommunen. Das ist auf die Haltung der rot-grünen Koalition in Düsseldorf zurückzuführen und auf das Engagement der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die in Berlin zugegen sind.

Ja, genau, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Zusammenhang. Die Landesregierung kämpft gemeinsam mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen für die Interes

sen Nordrhein-Westfalens in Berlin, und die CDU bleibt zu Hause.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In der Pressemitteilung der CDU-Fraktion vom 10. März lesen wir Interessantes. Da führt Herr Laschet aus, dass mit dem Investitionsfonds etwas Wichtiges für Nordrhein-Westfalen passiert ist. – Als die Messe schon gelesen war, Herr Kollege Laschet, da wachen Sie auf, loben sich selbst und die Bundesregierung für Dinge, die Sie am 7. März noch gar nicht festgestellt hatten. „Dank der CDUgeführten Bundesregierung“, steht dort, „erhalten die finanzschwachen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Unterstützung … Dafür haben wir gemeinsam mit den Kollegen der Landesgruppe im Deutschen Bundestag gekämpft.“ Herr Kuper hat das anscheinend nicht mitbekommen.

(André Kuper [CDU]: Doch!)

Herr Kollege Laschet, das, was Sie hier als Siegerpose verkaufen, ist doch eher eine Siegerposse. Jemand, der Ministerpräsident dieses Landes werden möchte, der sollte nicht aus der Zeitung erfahren, wofür sich die Landesregierung einsetzt. Er sollte aufhören, einem Horst Seehofer aus dem verfilzten „Intrigantenstadl“ der CSU hinterherzulaufen. Das sind keine Vorbilder für Nordrhein-Westfalen. Diese Landesregierung kämpft für die Interessen der Kommunen in Berlin und nicht der Kollege Laschet, der, glaube ich …

(Serap Güler [CDU]: Das tun sie selbst!)

(Serap Güler [CDU]: Das tun die Kommunen selbst)

Diese Landesregierung setzt sich für eine faire Verteilung der Mittel ein.

Diese Landesregierung hat dafür gesorgt, dass eine Entlastung in Höhe von 1,2 Milliarden € nach Nordrhein-Westfalen kommt. Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Antrag deutlich gemacht, dass wir die 5 Milliarden € Entlastung haben wollen. Immerhin fehlen noch 12 Milliarden € von dem Versprechen aus Berlin. Da, Herr Laschet, sind Sie wieder im Spiel. Klingeln Sie bei Herrn Kampeter und bei Herrn Schäuble an, und sorgen Sie dafür, dass Nordrhein-Westfalen mit weiteren Milliarden Euro entlastet wird! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und daheim! Joho, die

Investitionsoffensive des Bundes ist da! Wir Piraten sagen, diese Investitionsoffensive ist nichts weiter als ein Investitionsplacebo, ein Offensivchen. Man muss schon sehr fest an dieses Placebo glauben, damit es Wirkung entfaltet. Allein uns fehlt der Glaube an solche Art von Fiskalesoterik.

(Beifall von den PIRATEN)

Zunächst einmal: Bevor das Geld nicht wirklich da ist, bevor das Geld nicht gegen irgendwelche Posten verrechnet wurde, so lange glauben wir noch nicht daran, dass die in Aussicht gestellten Mittel auch wirklich fließen. Zu oft haben wir in der Vergangenheit erleben müssen, dass uns volltönende Versprechen aus Berlin erreichten, die bei Licht betrachtet nicht einmal die Halbwertszeit einer Seifenblase hatten. Aus Kuper’schen Raketen werden dann sehr schnell Rohrkrepierer.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Beispiel gefällig? Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin wurden 5 Milliarden € für die Verkehrsinfrastruktur, auf vier Jahre verteilt, versprochen. Das ist zwar deutlich weniger, als nach Einschätzung aller Sachverständigen gebraucht würde, und die Landesverkehrsminister haben vor der Bundestagswahl knapp das Sechsfache – 28,8 Milliarden € – für offensichtliche Investitionslücken in der Verkehrsinfrastruktur gefordert. Aber okay, 5 Milliarden sind mehr als nichts. Da will man nicht gleich meckern.

Es geht also um 1,25 Milliarden pro Jahr. Aber hoppla, die gelten ja nur für die Bundesverkehrswege, während ÖPNV und kommunale Verkehrswege praktisch leer ausgehen, obwohl gerade hier besonders hohe Investitionen fällig sind.

Und weiter: 1,5 Milliarden der 5 Milliarden sind schon längst verplant und können mitnichten als zusätzlich gerechnet werden. Deshalb nahmen die Landesverkehrsminister 3,5 Milliarden € als reale Basis, von denen sie leider netto 1,3 Milliarden € Einnahmeverluste aus der Lkw-Maut abziehen müssen. Blöderweise müssen sie diese Einnahmeausfälle jährlich von der einmaligen Zahlung in Höhe von 3,5 Milliarden € abziehen, sodass unter dem Strich aus plus 5 Milliarden € holterdiepolter minus 1,7 Milliarden € werden. Das nennen wir mal eine nachhaltige Finanzierung. Dobrindt lässt sich dafür gern feiern, und zwar so, als ob das Geld aus der eigenen Tasche oder in die eigene Tasche fließt.

Also: Das Geld muss erst da sein, dann rechnen wir das mal sauber durch, und dann sagen wir, was uns der Bund noch schuldet. Von der Veranlassung, Danke zu sagen, sind wir Anbetracht dieses Placebos Lichtjahre entfernt.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Deutsche Institut für Urbanistik – Difu – hat schon vor sieben Jahren den notwendigen kommunalen Investitionsbedarf auf eine hohe dreistellige

Milliardensumme beziffert. Das ist die Liga, in der die Kommunen inzwischen spielen müssen, weil nicht zuletzt die Steuerpolitik des Bundes sie genau dorthin getrieben hat.