Eines will ich auch sagen: Ja, wir bekennen uns dazu, dass wir Vermögende und besonders Reiche mehr beteiligen wollen. Wir wollen Steuereinnahmen zum Beispiel zum Schuldenabbau einsetzen. Wir haben auf der Bundesebene ein Konzept vorgelegt, um die Vermögen zum Abbau der Kosten der Finanzkrise einzusetzen. Wir wollen die Vermögensteuer aber auch als vernünftige Einnahmequelle der Länder. Denn was wäre die Alternative?
Ich sage Ihnen ganz klar, was unsere Priorität ist. Unsere Priorität ist, eine Zukunft für unsere Kinder zu schaffen, und nicht, Vermögende zu schonen. Wir entscheiden uns auch eher dafür, die Gebühren für Studierende abzuschaffen, als Vermögende zu schonen, die sich Steuerzahlungen sehr gut leisten können. Damit werden wir auch weitermachen.
Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Als nächster Redner spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Schulz. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besucher? Naja, es gibt noch welche im Stream. Liebe Zuschauer zu Hause! Ich habe ein dickes Buch dabei – das ist hoffentlich nur einmal, nämlich heute, der Fall –,
das ist der Armuts- und Reichtumsbericht 2012. Ich höre etwas von mehr Steuern, die wir brauchen, um Symptome zu bekämpfen. Nichts anderes ist es nämlich, wenn man sagt: Wir wollen die Vermögensteuer wiederhaben. – Genauso falsch, einfach zu sagen, dass wir sie haben wollen, ist es aber möglicherweise, zu sagen: Wir wollen sie nicht haben.
Ich hörte eben vom Kollegen Krückel: Die Vermögensteuer führt zu einer Substanzvernichtung. – Genau das soll laut Bundesverfassungsgericht nicht sein. Der Vermögensstamm muss geschützt bleiben. Wer also das Bundesverfassungsgerichtsurteil richtig liest und es im Rahmen der Steuergesetzgebung anwendet, wird selbstverständlich den Vermögensstamm unangetastet lassen, wird dafür zu sorgen haben, dass keine Substanzvernichtung stattfindet.
Das ist meines Erachtens der ganz entscheidende Punkt, der letztendlich dazu führen kann, dass wir vonseiten der Piraten dem Entschließungsantrag der FDP leider nicht folgen können – wenngleich er natürlich erst einmal zur Beratung in die Ausschüsse geht –, und zwar aus folgendem Grunde:
Die Basis der Piratenpartei hat im April – also noch deutlich vor der Wahl – in Dortmund ein Positionspapier verabschiedet, in dem es heißt: Wir sind durchaus für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, aber einer Vermögensteuer 2.0. Das heißt nichts anderes, als dass wir hier nicht isoliert eine Einnahmeart des Staates kreieren dürfen, sondern eine Vermögensteuer durchaus befürworten, aber dann im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses und vor dem Hintergrund eines neuen,
Wir dürfen eines nicht vergessen: All diejenigen, die heute sagen, dass sie eine Vermögensteuer wollen bzw. dass sie keine wollen, waren in der Zwischenzeit auf der Bundesebene mit in der Regierungsverantwortung. 1995 bzw. 1996, als die Vermögensteuer einschlummerte, das heißt, als sie vor dem Hintergrund des verfassungsgerichtlichen Urteils aufgegeben wurde, war es Schwarz-Gelb. Danach war es Rot-Grün, die heute sagen, sie wollten die Vermögensteuer unbedingt wiederhaben, aber auch nichts gemacht haben.
Nun beraten wir heute im Landtag zusammen darüber, was auf der Bundesebene bisher versäumt worden ist, und denken darüber nach, ob wir eine Initiative wollen oder nicht.
Vor dem Hintergrund unserer Beschlusslage auf dem Landesparteitag im April in Dortmund vermissen wir Piraten ein gesamtsteuerliches Reformkonzept, welches es ermöglicht, unter Berücksichtigung der Sozialbindung von Eigentum und Einnahmen, von Kapital und Einkünften ein gerechtes Steuersystem zu schaffen, welches die Klein-KleinNummer – Vermögensteuer ja oder nein – vermeidet. Dieses Konzept muss dafür sorgen, dass wir in einem Armuts- und Reichtumsbericht entweder andere Zahlen haben oder dass die Einnahmen aus einer neuen bzw. wiedereingeführten Vermögensteuer für die sogenannten Armen – man muss natürlich gucken, wo das anfängt und wo es aufhört – und insbesondere für den Bildungsbereich urbar gemacht werden, also Einnahmen, die aus der Sozialbindung von allen Vermögens- und Einkunftsarten im Inland generiert werden können.
Wir könnten, Herr Finanzminister, durchaus auch dafür Sorge tragen, dass eine insgesamt zu betrachtende und zu beachtende Steuergerechtigkeit dazu führt, dass wir keine Steuer-CDs in der Schweiz mehr ankaufen können. Dadurch kämen wir unter Umständen sowohl bei kleineren und mittleren als auch bei großen Vermögen zu einer gewissen Art von Steuervernunft und vor allen Dingen auch zu einer vermehrten Steuerehrlichkeit. Ich glaube, Steuerehrlichkeit würde uns alle dazu führen, uns nicht darüber zu streiten, ob wir eine Vermögensteuer brauchen und einführen sollten oder nicht.
Ich bin gespannt darauf, wie wir im Ausschuss damit umgehen, auch mit einer Initiative, die ich im Moment noch nicht sehe, jedenfalls nicht im Land Nordrhein-Westfalen, wie wir damit vor dem Hintergrund eines Gesamtkonzepts umgehen, welches wir vielleicht auch von NRW aus entwickeln könnten, um dann damit auf die Bundesebene, in den Bundesrat zu gehen. Das setzt allerdings voraus, dass nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern dass alle Bundesländer und alle Bürger dieses Landes mit im Boot sind. Das wiederum setzt voraus, dass
die Beteiligung aller Bürger unseres Landes gewährleistet ist. Wenn wir hierfür einen Impuls aus NRW heraus setzen können, dann sind auch wir Piraten dafür. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht nun der Finanzminister, Herr Dr. WalterBorjans. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was für ein Klima möchte ich, Herr Witzel? Ich möchte kein Klima, das wir im Moment in den Krisenstaaten dieses Kontinents haben, in denen die öffentlichen Haushalte enorm in den Keller gegangen sind und in denen sich die Großverdiener aus dem Staub machen, wenn es darum geht, ihre Länder wieder in eine zahlungs- und in eine organisationsfähige Einheit zu verwandeln.
In Deutschland ist der öffentliche Haushalt in den letzten zehn Jahren tief ins Minus geraten, und zwar nicht allein der nordrhein-westfälische, sondern die öffentlichen Haushalte insgesamt. In der gleichen Zeit ist das private Geldvermögen von
3,2 Billionen € auf 4,9 Billionen € und das Immobilien- und Sachvermögen in einer ähnlichen Größenordnung gestiegen, sodass bis heute 10 Billionen bis 12 Billionen € privates Vermögen angehäuft worden sind.
Das ist auch möglich geworden, weil dieser Staat die Voraussetzungen dafür bietet, weil er Bildungsqualität anbietet, weil er Infrastruktur anbietet und weil er – das ist für Vermögende nicht ganz unwichtig – ein hohes Maß an öffentlicher Sicherheit bietet. Das wiederum hat mit Zusammenhalt zu tun. Den sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Deswegen – das muss man ganz eindeutig sagen – ist es auch im Sinne der Vermögenden und derer, die noch kein Vermögen haben, dies aber erwirtschaften und in der Zukunft sichern wollen, den Staat handlungsfähig zu halten und den Zusammenhalt, den wir haben, zu bewahren.
Es gefällt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht, wenn Herr Krückel von kranken Köpfen redet und andere von gesunden Menschen reden, wenn sie offenbar die richtige Einstellung haben. Aber nehmen wir mal einen Moment lang den, der Ihnen möglicherweise vorschwebt. Dazu kann ich nur sagen: Die FDP fällt mit ihren platten Einstellungen zum Thema „Steuern“ und mit Ihrer Ansicht, in öffentlichen Haushalten nur die Ausgaben zu kürzen, mittlerweile weit
Nicht nur Herr Otto, sondern auch Menschen wie Herr Appel von der Deutschen Post und andere haben erkannt, dass sie sich, wenn große Vermögen nicht an der Finanzierung der Leistungen des Staates teilnehmen, auf Dauer ins eigene Fleisch schneiden.
Natürlich sind das Superreiche. Wir reden ja auch von einer Vermögensteuer, die so, wie sie im Moment angedacht ist – es geht hier ja um einen Arbeitsentwurf, der zwischen vier Ländern diskutiert wird, die ihn in Auftrag gegeben haben –, in Nordrhein-Westfalen 30.000 Privatpersonen betreffen würde. Wir reden hier also sicher nicht davon, dass die breite Bevölkerung, dass der Handwerkshaushalt hiervon betroffen wäre.
Das vermischen Sie immer mit der Aussage: Ihr macht das doch nur, weil ihr die Konsolidierung nicht könnt oder nicht wollt. – Konsolidierung hat erst einmal etwas mit „solide“ zu tun. Es geht darum, dass sich Einnahmen und Ausgaben so entwickeln, dass sich die Schere zwischen beiden schließt. Die wirklich platte Einstellung, man bekäme nur mit zurückgeschnittenen Ausgaben einen staatlichen Haushalt hin, der hinterher noch in der Lage ist, Vermögende und Nichtvermögende zu schützen, den Zusammenhalt zu wahren und eine Infrastruktur anzubieten, damit wir auf einem Niveau weitermachen können, auf dem der Wirtschaftsstandort Deutschland und Nordrhein-Westfalen zurzeit arbeiten, ist eine schiere Illusion. Das wissen die Menschen auch.
Dem muss ich entgegnen: Ja, was denn sonst? Es gab ein oder zwei Jahre, in denen die Steuereinnahmen zurückgegangen sind, weil wir eine weltweite, nationale oder regionale Krise hatten. Das aber ist nicht der Normalfall. Der Normallfall ist in jedem Haushalt, in jedem Unternehmen und in jedem Staat, dass eine Wirtschaft wächst und damit die Einnahmen wachsen, allerdings auch die Preise und Ausgaben steigen.
Wenn sie aber keine Rekorde von einem Jahr zum anderen verzeichnen können, kommen Sie mit Ihrem Haushalt auf Dauer nicht klar. Wenn das Geld nicht ausreicht, ist das doch kein Zeichen dafür, dass damit falsch umgegangen wird, sondern man
muss sich fragen: Was sind die Leistungserwartungen an diesen Staat? Wie sind die Finanzierungsmöglichkeiten?
Ich kenne genügend Großvermögende, die als erste auf der Matte stehen, wenn die Straßen nicht in Ordnung sind, die Brücken marode oder sie um ihre persönliche Sicherheit fürchten. Das sind für mich Dinge, die zusammengehören, wenn man wirklich solide konsolidiert.
Herr Krückel und Herr Laumann, Sie beide haben mir heute bewiesen, dass Sie 3.600 durch 100 teilen können und dabei auf 36 kommen, indem Sie einmal ein Jahr lang eine Reduktion von 100 Millionen ausrechnen und die Frage anschließen: Wie will er von den 3,6 Milliarden herunterkommen? – Dafür braucht er 36 Jahre. Das ist toll und wunderbar. Aber eine mittelfristige Finanzplanung können Sie offensichtlich nicht lesen, weil dort nämlich steht, dass es nicht Jahr für Jahr um 100 Millionen € geht, sondern dass wir 2020 einen ausgeglichenen Haushalt anpeilen. Das, was wir bis jetzt planen, führt in diese Richtung.
Das sind alles Punkte, weshalb wir es für richtig halten, dass die Vermögensteuer – die ist im Übrigen nicht abgeschafft und muss deshalb nicht wieder eingeführt werden, sondern schlicht und ergreifend wiederbelebt, aber nach der Maßgabe dessen, was das Verfassungsgericht uns mit auf den Weg gegeben hat – so ausgestaltet werden muss, dass sie nicht die Solidität unserer mittelständischen und kleinen Unternehmen gefährdet. Daran arbeiten wir. Das werden wir vorlegen.
Vielen Dank, Herr Minister. Wir sind damit am Schluss der Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung:
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/818 federführend an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ich darf Sie fragen, wer dieser Überweisung zustimmt? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.