Protocol of the Session on January 30, 2015

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hegemann, ich ge

he nicht länger darauf ein. Ich glaube, das lohnt sich nicht. Aber ich will noch einmal daran erinnern, dass wir hier vor ungefähr zwei Jahren ein sehr gutes rotgrünes Verfassungsschutzgesetz gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Da haben wir uns als Grüne sehr eindeutig positioniert. Ich sage es Ihnen auch ganz ehrlich. Mir wäre es lieber, wir bräuchten keinen Verfassungsschutz, keinen Nachrichtendienst. Aber angesichts der Bedrohungslagen, die wir nicht nur durch den Salafismus, sondern auch durch den Rechtsextremismus haben, ist dieser notwendig. Dazu hat sich meine Fraktion ja auch sehr eindeutig positioniert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will noch einmal sagen, dass uns der schreckliche Anschlag von Paris am 7. Januar 2015, glaube ich, alle schockiert hat, alle erschüttert hat. In Bezug auf den Salafismus, auf die Ideologie, finde ich, hat das noch einmal zwei Dinge sehr deutlich gemacht.

Zum einen ist deutlich geworden, wie menschenverachtend diese Ideologie ist und dass antisemitischer Hass eine Rolle spielt in dieser Ideologie, was die Geiselnahme in dem koscheren Supermarkt angeht. Wir reden hier einfach von einer Menschenverachtung des Salafismus, der gewaltbereit und verfassungsfeindlich geprägt ist.

Dieser Salafismus ist aber auch demokratiefeindlich. Es war ein Anschlag auf die Meinungs- und auf die Pressefreiheit und damit letztendlich auch auf zentrale Grundrechte in unserer Demokratie.

Ich finde es einfach großartig, dass es so starke Signale aus der Zivilgesellschaft gegeben hat, aber auch am Mittwoch hier im Plenum, indem wir gemeinsam gesagt haben, wir lassen uns davon nicht einschüchtern, aber wir stellen Musliminnen und Muslime auch nicht unter Generalverdacht. Ich bin froh darüber, dass wir so eine starke demokratische Gesellschaft haben, die das eben nicht zulässt, was Terroristen wollen, nämlich dass wir uns einschüchtern lassen, sondern dass wir hier stehen für die Demokratie, für Meinungs- und für Pressefreiheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was man aber schon sagen muss, ist: Wir haben nach Paris eine Veränderung in der Sicherheitslage. Das haben auch die Diskussionen in der offenen PKG-Sitzung, die ja übrigens erst möglich geworden ist durch unser neues Verfassungsschutzgesetz, gezeigt. In der offenen PKG-Sitzung in der letzten Woche und auch im Innenausschuss ist in den Diskussionen, finde ich, sehr deutlich geworden, was sich in der Sicherheitslage nach Paris verändert hat. Zum einen besteht die Gefahr, dass es möglicherweise Nachahmungstäter gibt. Zum anderen besteht die Gefahr, dass potenzielle Täter noch einmal festgestellt haben, wie einfach es ist, einen Anschlag zu begehen, und wie einfach es ist, eine Gesellschaft zu erschüttern und zu erschrecken.

Deshalb finde ich es richtig, darauf zu reagieren. Wir als Grüne haben gesagt, dass wir keine voreiligen, reflexhaften, unverhältnismäßigen Sicherheitsverschärfungen haben wollen. Nein. Es muss aber Personal geben in den Sicherheitsbehörden, um den Vollzug der schon vorhandenen Instrumente durchführen zu können. Deshalb finde ich es richtig, dass wir sagen: Wir stocken das Personal bei den nordrhein-westfälischen Behörden, beim Verfassungsschutz und auch bei der Polizei auf. Beim Verfassungsschutz haben wir das mit dem letzten Haushalt schon getan mit 29 Stellen. Wir legen noch einmal 25 drauf. Auch bei der Polizei wird es 360 neue Polizeibeamtinnen und -beamte geben. Das finde ich sehr gerechtfertigt angesichts der aktuellen Situation.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will den Piraten aber insofern Recht geben, dass Prävention natürlich eine wichtige Säule in der Bekämpfung des gewaltbereiten, des verfassungsfeindlichen Neosalafismus sein muss. Aber, noch einmal: Ich finde den Mix aus Repression und Prävention wichtig. Ich meine, es kann nicht das eine ohne das andere geben.

Ich würde auch gar nicht die These für abwegig erklären, dass Repression bei Einzelnen auch zu Radikalisierung führen kann. Ich will gar nicht sagen, dass ich nicht glaube, dass an dieser These etwas dran ist. Nur: Was ist die Konsequenz daraus? Die Konsequenz daraus darf doch nicht sein, dass wir sagen: Es kann eine mögliche Radikalisierung von Einzelnen geben, und deshalb wollen wir nicht, dass die Sicherheitsbehörden weiter observieren. Ich finde, das kann nicht die Konsequenz sein.

Für mich als innenpolitische Sprecherin meiner Fraktion und als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium kann ich auch sagen: Diese Verantwortung möchte ich nicht tragen, dass wir sagen, wir beobachten diese gewaltbereiten Salafisten nicht mehr, sondern wir setzen nur noch auf Prävention.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Das halte ich ein Stück weit auch für naiv und für unverantwortlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie zitieren ja hier aus einer Studie des King‘s College in London. Das ist eine der wenigen Stellen, an denen überhaupt Forschung zu dem Thema betrieben wird, die wichtig ist.

Hier haben wir auch noch einen Ansatzpunkt. In Nordrhein-Westfalen und auch bundesweit gibt es keine Forschung zum Thema „Salafismus“. Wir reden hier eigentlich ständig über ein Phänomen in Deutschland, wissen aber gar nicht, wer eigentlich dahintersteckt. Wir wissen zum Teil aus Befragungen und über die Sicherheitsbehörden, wen sie be

obachten. Deshalb haben wir Anhaltspunkte und können Annahmen treffen. Wir haben aber bisher keine wissenschaftlichen Studien über Radikalisierung, über Motivation, über Ausstiegsgründe. Das, meine ich, müssen wir ändern. Das müssen wir angehen, auch hier in Nordrhein-Westfalen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das haben wir vor zwei Jahren schon einmal beantragt!)

Wir brauchen eigentlich wissenschaftliche Studien.

Wir brauchen aber auch die ganz klassische Prävention, die primäre Prävention – Demokratieerziehung in Schulen beispielsweise –, aber auch sekundäre und tertiäre Prävention. Wir brauchen die „Wegweiser“-Projekte, die wir ja schon in Bochum, Bonn und Düsseldorf haben. Es wird in diesem Jahr noch einmal eine Ausweitung geben. Das finde ich wichtig. Aber auch zum Beispiel das Aussteigerprogramm, das jetzt beim Verfassungsschutz seit dem letzten Halbjahr eingerichtet wird, ist ein wichtiger Bestandteil der tertiären Prävention.

In der schriftlichen Unterrichtung der Landesregierung an den Landtag, ich glaube, im Oktober letzten Jahres, war ja eine ganze Reihe an Maßnahmen aufgeführt, die in der Prävention schon durchgeführt werden. Das ist schon ein erster wichtiger Schritt, dass da aufgeführt ist, was eigentlich in den einzelnen Ressorts passiert.

Ich meine aber auch, dass wir in den einzelnen Ausschüssen stärker in die Diskussion gehen müssen. Das ist nicht nur ein Thema des Innenausschusses oder des Integrationsausschusses, sondern es muss auch Thema des Schulausschusses, des Rechtsausschusses und vieler anderer Ausschüsse hier im Landtag sein. Denn es handelt sich um ein themenübergreifendes Problemfeld, das einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung bedarf.

Das gilt übrigens auch für die Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass Menschen sich radikalisieren oder dieser Szene zuwenden. Auch die Frage, ob Ausgrenzung oder Diskriminierungserfahrungen Auslöser sein können, war ein Punkt. Das ist keine einfache Diskussion. Damit will ich auch auf gar keinen Fall Attentate oder Straftaten rechtfertigen. Wenn man Prävention betreibt, muss man sich aber auch die Ursachen anschauen, sonst funktioniert das Ganze nicht.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas sagen, was mir wichtig ist. Wir können den Salafismus nicht ausschließlich mit Prävention oder Repression bekämpfen, sondern es muss ein Mix aus beidem sein. Ich finde, damit sind wir in NordrheinWestfalen auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern eigentlich schon auf einem guten Weg. Jedenfalls sind andere Bundesländer, soweit ich weiß, in der Präventionsarbeit zum Teil noch nicht so weit. Ich finde, wir sind auf einem guten Weg,

und daran müssen wir weiter arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Schäffer hat es gerade gesagt: Man braucht eine Mixtur aus Repression und Prävention und vor allem ein vernünftiges Gesamtkonzept. Genau das gibt es in Nordrhein-Westfalen leider nicht.

(Beifall von der FDP)

Insofern ist es auch richtig, dass es hier und heute diese Aktuelle Stunde gibt. Das gilt auch für andere Fachbereiche des Ministers, seien es die Flüchtlinge, Ho.Ge.Sa, die Auseinandersetzung mit den antisemitischen Demos im letzten Sommer, die Einbrüche oder die Gewalt in den Fußballstadien. Wir könnten eigentlich permanent Aktuelle Stunden zu diesen Fachbereichen machen. Es fehlt überall an einem vernünftigen Gesamtkonzept. Es wird immer Flickschusterei betrieben, und es wird immer nachgebessert, manchmal panisch, manchmal überhastet. Das ist eigentlich sehr schade. Deswegen wünschen wir uns jetzt eine deutliche Steigerung in 2015, Herr Minister, sonst wird die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen weiterhin ein großes Problem darstellen.

Als wir 2014 beispielweise den Auftritt der „Shariah Police“ in Wuppertal beklagen mussten, haben Sie uns hier ein knallhartes Vorgehen versprochen und gesagt, jeder Einzelne würde durchleuchtet. Sieben Wochen später hatte einer der radikalen Salafisten, der dort beteiligt war, als Mitarbeiter immer noch Zugang zum Sicherheitsbereich des Düsseldorfer Flughafens.

(Zuruf von der FDP: Unfassbar!)

Meine Damen und Herren, das muss man sich noch einmal vor Augen führen: Diese Person hatte gegenüber dem „Stern“ jemanden als seinen Bruder bezeichnet, der sich als Attentäter bereits selbst in die Luft gejagt hat, und hatte immer noch Zugang zum Sicherheitsbereich im Düsseldorfer Flughafen. Ich finde das skandalös. So etwas gibt es, glaube ich, nur in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir erwarten, dass Sie endlich aufwachen und die Terrorabwehr und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger allen anderen Themen voranstellen. Der Schutz vor Anschlägen muss auf Platz 1 der Agenda stehen.

Ich möchte an dieser Stelle aber noch Folgendes erwähnen: Die heutigen Äußerungen der Piraten haben bei mir Fremdschämen ausgelöst. Sich mit den IS-Rückkehrern in einen Stuhlkreis zu setzen, an die Hände zu nehmen und gegenseitig zu versichern, dass man sich lieb hat, ist kein tragfähiges Konzept gegenüber islamistischen Glaubenskriegern.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Meine Güte!)

Meine Damen und Herren, Terrorismusbekämpfung ist kein Ponyhof. Sie fordern hier, sich der gequälten Seelen der IS-Rückkehrer anzunehmen, ohne auch nur anzudeuten, welche Gräueltaten diese gequälten Seelen im Irak und in Syrien wohl verübt haben.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wohl oder tat- sächlich? Wo ist der Beleg?)

Bevor man sich Sorgen um die gequälten Seelen von Dschihadisten macht, sollte man erst einmal an diejenigen denken, die sie gequält haben.

(Beifall von der FDP – Frank Herrmann [PIRATEN]: Am besten alle wegsperren!)

Sie fordern Aufklärungs- und Unterstützungsangebote für Dschihadisten, Sie erwecken den Eindruck, als ginge von den Rückkehrern erst dann eine Gefahr aus – Zitat –, „wenn sie keine Perspektive für einen Platz in der Gesellschaft für sich sehen und ständig von Sicherheitsbehörden überwacht und verfolgt werden“. Nach dieser Logik sollten wir die Rückkehrer dann besser nicht überwachen.

(Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, für die Rückkehrer aus dem Bürgerkriegsgebiet kommt die Prävention zu spät. Wenn Dschihadisten mit den Köpfen ihrer Opfer Fußball gespielt haben, dann ist es zu spät.