Protocol of the Session on December 4, 2014

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Wegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Kommen wir direkt zu dem Punkt, der uns Piraten im Einzelplan 15 der stärkste Dorn im Auge ist.

In Kapitel 15 044 Titelgruppe 62 geht es um die Altenpflegeseminare. Darin sind die Altenpflegeseminare mit 280 € pro Monat angegeben bzw. berechnet. Spätestens seit der Anhörung müssten auch Sie wissen, dass mit diesen 280 € nicht die Qualität zu erreichen ist, die notwendig wäre, um eine vernünftige Ausbildung für die Altenpflegerinnen und Altenpfleger zu garantieren.

Alle Sachverständigen waren sich darin einig, dass die minimal notwendige Ausbildungsqualität nur mit mindestens 360 € pro Monat zu gewährleisten ist. Dazu muss man anmerken: Mit diesen 360 € – das sagen auch alle Experten – ist nicht einmal die Qualität zu erreichen, die vom Land irgendwann einmal als Strukturqualität festgelegt worden ist und die dann ausgesetzt wurde. Nein, das ist wirklich das Minimum, von dem die Schulen meinen, dass sie es brauchen, und von dem die Experten meinen, dass es unter diesem Grenzwert nicht geht.

Ein fairer Ansatz – würde man die Aussagen der Experten wirklich ernst nehmen und würde man sich wirklich um die Altenpflege kümmern wollen – läge bei 540 €. Diese Summe will ja gar niemand fordern; bleiben wir einmal bei den 360 €. Das würde dann im Haushalt 633.600 € mehr ausmachen.

Wenn Sie, Frau Ministerin Steffens, ehrlich sagen würden: „Liebe Altenpflegerinnen und Altenpfleger, es tut mir leid, aber mehr Geld ist derzeit nicht drin“, – ich glaube Ihnen nicht, dass Sie es nicht wissen, und ich glaube Ihnen auch nicht, dass Sie wirklich davon ausgehen, diese 280 € würden ausreichen –, dann könnte ich mir vielleicht sogar noch vorstellen, dass man Ihren Ausführungen aufgrund von Sachzwängen folgen könnte. Aber wenn diese 280 € als „der absolut große Durchbruch“ und als die wahnsinnige Unterstützung für die Altenpflegeausbildung verkauft werden, kann man dem auf gar keinen Fall mehr folgen.

(Ministerin Barbara Steffens: Pflichtleistung!)

Allein dieser Punkt – Kapitel 15 044 Titelgruppe 62 – reicht völlig aus, um dem Einzelplan 15 nicht zustimmen zu können, ihn sogar ablehnen zu müssen.

Ich möchte noch auf zwei weitere Punkte eingehen, derentwegen wir diesem Einzelplan so auch nicht zustimmen können.

Da ist zunächst das Thema „Masernimpfung“. Durch den Antrag der FDP-Fraktion sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, dass hier etwas nicht stimmt und dass die Impfrate viel zu niedrig ist, um den Herdenschutz in Nordrhein-Westfalen zu gewährleisten.

In diesem Jahr wurden 80.000 € für Aufklärungskampagnen ausgegeben. Ich lasse es einmal dahingestellt, ob diese 80.000 € ausreichend waren oder nicht.

Nur: In diesem Haushalt – so ist es zumindest im Berichterstattergespräch gesagt worden – sind dafür überhaupt keine Ausgaben mehr geplant. Das passt nicht mit den Informationen zusammen, die hier jetzt im Landtag vorliegen. Insofern sollte man sich unserer Meinung nach noch einmal ganz stark überlegen, ob man das nicht ändern möchte,

(Günter Garbrecht [SPD]: Dann stellt doch einen Haushaltsantrag dazu!)

zumal gerade Sie sagen, dass Sie auf Aufklärung setzen, weil Sie das Ganze nur freiwillig machen. Da bin ich bei Ihnen. Die Impfung geht nur freiwillig, und daher sollten wir so vorgehen.

Ein anderes Problem, vor dem Sie meiner Meinung nach die Augen ein wenig verschließen und das Sie nicht richtig wahrhaben wollen, sind die MRSA- bzw. MRSE-Infektionen in diesem Land.

Herr Kollege Wegner, entschuldigen Sie. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Maaßen?

Ja, natürlich.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Vielen Dank, Herr Wegner. – Ich möchte auf die Altenpflegeausbildung zurückkommen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir gerade mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf diese schulische Ausbildung sichern und nicht mehr als freiwillige Leistung des MGEPA definieren? Wir nehmen sie ins Gesetz auf, sodass auch ein Rechtsanspruch darauf besteht. In diesem Sinne ist es schon ein Fortschritt; denn dann steht das Schulgeld nicht bei jeder Haushaltsdiskussion erneut zur Disposition.

Vielen Dank für die Frage. – Natürlich bin ich bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man sich hierhin stellen und ganz ehrlich sagen würde, dass man weiß, dass diese 280 € nicht ausreichen, dass derzeit aber nicht mehr vom Finanzminister zu bekommen ist, dann könnte ich mich dazu durchringen, meiner Fraktion

zu empfehlen, diesem Gesetz genau aus dem Grunde, den Sie gerade beschrieben haben, zuzustimmen. Allerdings gilt dies nicht, wenn hier gesagt wird, dass diese 280 € ausreichend sind. Darin liegt die Differenz zwischen der Regierung und uns.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN – Inge Howe [SPD]: Das sagt doch gar keiner!)

Ich war gerade auf die MRSA- bzw. MRSEInfektionen in Nordrhein-Westfalen zu sprechen gekommen. Fakt ist, dass die Anzahl der Patienten, die an multiresistenten Keimen erkranken, steigt. Ebenso ist Fakt, dass die Anzahl der Patienten, die an multiresistenten Keimen sterben, steigt. Allerdings ist jeglicher Versuch unsererseits, mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen und weitere Zahlen dazu zu erfahren, bei Ihnen auf taube Ohren gestoßen.

Es geht eigentlich darum, dass die Hygienemaßnahmen und das Screening erweitert werden. Allerdings bezweifeln wir, dass dies mit der 1 Million € aus der Titelgruppe 85 zu erreichen ist. Denn dieser Betrag hat schon in der Vergangenheit nicht ausgereicht, und wenn Sie weiterhin sagen, damit sei alles getan, dann wird es auch für die Zukunft nicht ausreichen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich meiner Fraktion ganz klar empfehlen muss, den Einzelplan 15 abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich jetzt auf den Haushalt und ein Stück weit auf die Details eingehen. Allerdings haben Sie, Herr Preuß, die Aussprache damit eröffnet, dass Sie im Grunde genommen klar und deutlich gesagt haben, dass Sie eine Bilanzdebatte mit der Haushaltsberatung verknüpfen wollen. Das greife ich gerne auf und werde Ihre „Fakt ist“-Einlassungen den wirklichen Fakten gegenüberstellen.

Fakt ist, Herr Preuß, dass das Land – ebenso wie alle anderen Bundesländer – keinen Sicherstellungsauftrag für den ambulanten Bereich hat. Einen solchen Auftrag hätte ich in Teilen gerne. Wir haben uns als Land Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene intensiv eingebracht und gefordert, dass diese beiden Bereiche – nämlich der Krankenhausbereich, für den ich die Planungskompetenz, die Zuständigkeit und die Verantwortung habe, und der ambulante Bereich – in Zukunft zusammen planbar sind.

Es wäre gerade im ländlichen Raum- also gerade da, wo die Probleme bestehen – richtig und vernünftig, wenn das Land, die Krankenhäuser und die Ärzteschaft nicht nebeneinander den ambulanten Sektor planen würden. Denn genau dann könnte man anhand der Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen vor Ort die entsprechenden Strukturen schaffen.

Das versagt uns der Bund jedoch. Der Bund hat zwar in der letzten Legislaturperiode das gemeinsame Ländergremium nach § 90a SGB V geschaffen, das wir auch intensiv nutzen, aber wir haben nicht die Möglichkeit, verbindlich durchzuplanen. Dass Sie sich also hierhin stellen und sagen, die Ministerin müsse das tun, was sie eigentlich tun wolle, was der Bund sie aber nicht machen lasse, ist schon ziemlich schräg.

Der zweite Punkt ist, dass Sie hier beim Haushalt des Gesundheitsministeriums über Wissenschaft und Studienplätze reden. Das gehört zu einem anderen Einzelplan. Frau Kollegin Schulze hat die Zahl der Studienplätze um 10 % aufgestockt, und gerade Ihr Gesundheitsminister im Bund, Herr Gröhe, hat Nordrhein-Westfalen als beispielhaft hinsichtlich der Studienplatzzahlen genannt. Insofern muss man schon sehen, wo wir überhaupt stehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Problem ist nicht die Zahl der Studienplätze, sondern das Problem ist, wo die Studentinnen und Studenten nach ihrem Abschluss hingehen. Deswegen wollten wir von Nordrhein-Westfalen, dass es zu einer Stärkung des allgemeinmedizinischen Bereiches kommt, dass es ein Pflichtquartal oder tertial gibt. Das haben uns gerade die anderen CDU-Länder auf Bundesebene versagt. Also gilt auch da: Wir wollten, aber wir durften nicht. – Daher bitte ich Sie, sich diesbezüglich mit Ihren Kollegen aus den Ländern auseinanderzusetzen.

Zum Hausärzteprogramm. Ja, wir machen das. Wir haben noch viele andere Bausteine, mit denen wir versuchen, zumindest die Defizite in der Struktur so weit wie möglich zu kompensieren; ich könnte Ihnen einige Beispiele nennen. Das Hausärzteprogramm ist allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn ein Arzt oder eine Ärztin wird sich nicht nur wegen einer einmaligen Investitionssumme niederlassen. Dafür bedarf es mehr. Es bedarf beispielsweise neuer Konzepte mit den Kommunen vor Ort. Da ist aber nicht das Land in der Pflicht. Vielmehr müssen der Bund, das Land und die Kommunen gemeinsam handeln. Und was wir machen können, tun wir.

Noch einmal: Wir machen auch viele andere Sachen. Ich bin gerne bereit, in Ihre Fraktion zu kommen, falls Sie nicht die Möglichkeit haben, sich die vielen Projekte im Land anzuschauen, mit denen wir gemeinsam mit den Ärzten versuchen, zum Beispiel die Versorgung in Altenpflegeeinrichtungen zu verbessern oder die Übergänge vom Krankenhaus in

den ambulanten Bereich zu vereinfachen. Sie sehen: Es gibt hier sehr viele Punkte, wo wir aktiv sind.

Wenn Sie im Gesundheitsbereich bilanzieren, dann bitte ich Sie, sich ehrlich mit dem auseinanderzusetzen, wofür wir die Verantwortung haben. Nordrhein-Westfalen ist mit dem Krankenhausplan NRW das erste Bundesland, das Strukturqualität geplant hat, damit die Menschen nicht vor einem Gebäude stehen, auf dem zwar „Krankenhaus“ dran steht, worin sie aber nicht die Qualität im Hinblick auf Ärztinnen und Ärzte vorfinden, die sie für ihre Versorgung brauchen.

Wir haben Qualitätskriterien in der Strukturplanung implementiert – dafür werden wir bundesweit gelobt –, ebenso die Konsequenzen des Bettenabbaus. Damit stehen wir auf Platz eins in der Krankenhausplanung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ebenso stehen wir auf Platz eins in der Palliativ- und Hospizversorgung, wozu Bundesgesundheitsminister Gröhe gerade ein Konzept für alle Bundesländer geschrieben hat. Was ist der Maßstab? – Der Maßstab ist die Qualität und die Versorgung in Nordrhein-Westfalen. Auch da würde ich mir wünschen, dass das anerkannt wird und dass Sie unser Land gesundheits- und pflegepolitisch nicht

schlechtreden, sondern dass Sie mit den Pfunden, die wir haben, wuchern. Denn Nordrhein-Westfalen steht in diesen Bereichen auf Platz eins.

Ich will zum Bereich der Pflege übergehen. Auch da kann ich Ihre Einlassungen nicht verstehen. Bundesweit haben die Länder schon in der letzten Legislaturperiode versucht, sich mit dem Bundesministerium auf 10 % mehr Pflegeausbildungsplätze zu verständigen. Wir haben es in Nordrhein-Westfalen in diesem Etat geschafft, von 32 Millionen € in 2010 auf jetzt auf 64 Millionen € aufzustocken. Das ist ein gigantischer Kraftakt. Damit haben wir von 9.271 Plätzen für Fachkräfte auf 17.350 Plätze in 2015 aufgestockt.

Wir haben unsere Hausaufgaben nicht nur bezüglich der 10 % gemeistert, sondern wir haben mit der Umlage und dem Kraftakt, die Schulplätze zu finanzieren, bundesweit vorbildlich viele Ausbildungsplätze geschaffen, und zwar nicht nur für die Menschen, die heute Pflege benötigen. Vielmehr sind das die Pflegeausbildungsplätze für Sie, für mich, für unsere Generation, wenn wir einmal in dieses Alter kommen. Denn diejenigen, die heute ausgebildet werden, werden irgendwann bei uns am Bett stehen. Diese Verantwortung haben wir jetzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen finde ich, dass wir diese Umlage, diesen Kraftakt, den wir geschafft haben, auch gemeinsam verkaufen müssen. Die anderen Bundesländer machen es bereits. Die Bayern und andere Länder la

den unsere Mitarbeiter aus dem Ministerium ein, weil sie diese Umlage von uns übernehmen wollen; denn es ist das einzige System, mit dem wir zukunftsfest in die Strukturen gehen.

Auch unser Pflegegesetz, unser GEPA, das Sie ja mitgetragen haben, ist einer der wesentlichen Bausteine, der uns nach vorne bringen wird. NordrheinWestfalen ist das erste Land, das die Investitionen so geregelt hat, dass alte Menschen nicht weiter Spekulationsobjekte sein können. Sie können es im Internet nachsehen: Nach wie vor bekommen Sie in anderen Bundesländern auf ein Pflegeheim, in dem Menschen leben, die versorgt werden müssen, 10 % Rendite angeboten. Sie wissen, wer es zahlt: Das zahlen die Menschen, die hilflos und pflegebedürftig sind. Das geht in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Auch da sind wir auf Platz eins.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie kommen dann mit Dingen wie der Schlaganfallversorgung, oder Sie stellen Anträge, die zwar in der Intention richtig sind – nämlich eine bessere Versorgung vorzuhalten –, bei denen aber manchmal Ihr Weg nicht der richtige ist, und wo wir einen anderen Weg gewählt haben. In NordrheinWestfalen haben wir gesagt: Wir wollen nur da eine andere Versorgung bei Rehaeinrichtungen haben, wo beide – das Krankenhaus und die Rehaeinrichtung – miteinander kooperieren; wir wollen die Übergänge nicht an neuen Schnittstellen.

Dann würde ich mir wünschen, dass Sie den Dialog suchen. Denn Ihre Erfahrungen, Ihre Blickrichtung von vor Ort würde ich ja gerne mit einbeziehen, aber nicht in der Konfrontation, sondern im Dialog über die Konzepte von Anfang an. Ich kann Ihnen das nicht oft genug anbieten. Ich komme gerne auch in Ihre Fraktion. Ich führe gerne auch mit Ihnen die Auseinandersetzung. Denn es geht um unser aller Versorgung als Patienten und Patientinnen in diesem Land und später als Pflegebedürftige. Da sind wir gemeinsam in der Pflicht.