Protocol of the Session on December 4, 2014

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Viel wichtiger ist dabei – das hätte vielleicht in einem flankierenden Antrag genannt werden können, wird aber in diesem Antrag völlig außer Sicht gelassen – nach den Gründen der Radikalisierung zu suchen, diese in den Fokus zu rücken und dafür nach Lösungen zu suchen.

Die zunehmende Radikalisierung von jungen Muslimen – zuletzt ungefähr 1.800 in NRW; ich erspare Ihnen dazu den Vergleich mit dem rechtsradikalen Lager – ist ein Ausdruck von gescheiterter Integrationspolitik und der Perspektivlosigkeit dieser jungen Menschen. Das sage nicht nur ich, sondern das sagen auch renommierte Islamwissenschaftler. Es fehlt nämlich an Jugendzentren, an interkulturell geschultem Personal in den Einrichtungen, die es gibt.

Die hilflose Ankündigung der Ausweitung eines Aussteigerprogramms für Jugendliche, die in den Bereich des Salafismus abdriften, ist hierbei auch keine Lösung.

Über die Aussagen dieser Islamwissenschaftler muss man sich aber nicht wundern, denn eines muss man bedenken – wir haben vorhin darüber geredet –: Solange die Integration beim Haushalt am Katzentisch sitzt, können wir an dieser Stelle nichts verändern.

Zuletzt zum Antrag – vielleicht ahnen Sie es schon –: Ich empfehle meiner Fraktion, den Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Schneider das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Punkt kann ich mich dem CDUAntrag vollkommen anschließen: Wir alle miteinander haben allen Grund dazu, den vielen gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen, die sich für die angemessene Aufnahme der Flüchtlinge in unserem Land einsetzen, herzlich zu danken.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

In diesen Dank schließe ich ganz ausdrücklich auch die vielen aktiven Moscheegemeinden ein, die sich nach Kräften in diesem Feld engagieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Davon konnte ich mich in den letzten Wochen bei unterschiedlichen Anlässen selbst überzeugen.

Damit sind schon die Punkte erreicht, in denen ich dem CDU-Antrag nicht folgen kann. In ihrem Antrag wird der Eindruck erweckt, als müsse man die Muslime im Lande und ihre Organisationen erst zur Mitwirkung aufrufen. Dies ist grob irreführend, und Sie sollten es eigentlich besser wissen.

(Zuruf von der CDU)

Die zahlreichen Menschen muslimischen, aber auch alevitischen Glaubens leisten tagtäglich einen wertvollen Beitrag zur Aufnahme und Begleitung von Flüchtlingen. Mit ihrem vielfältigen Engagement wirken sie vielerorts mit an einer Willkommenskultur, in der sich auch die Neuankömmlinge islamischen oder alevitischen Glaubens unterstützt und aufgehoben fühlen.

Dies gilt im Übrigen auch für die jesidischen Organisationen. Ein Großteil dieser Hilfe geschieht jedoch ohne mediale Inszenierung und findet deshalb auch nicht immer die verdiente öffentliche Aufmerksam

keit. Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass im Moment mediale Inszenierungen die Integrationsdebatte erheblich mitprägen. Ich will nicht näher darauf eingehen. Dies ist nicht der Stil der Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie von der CDU geben aber noch einen drauf; denn Sie thematisieren die Bedenken gegenüber einigen Hilfsorganisationen aus dem islamischen Spektrum, und Sie erwecken den Eindruck, als müsse die Landesregierung erst auf deren Bedenklichkeit hingewiesen werden. Dies ist nicht notwendig und liegt überhaupt nicht im Interesse des Landes. Das Land weiß sehr wohl, inwieweit auch muslimische Wohlfahrtsorganisationen verfassungs

rechtlich bedenklich sind. Das Land und die Einrichtungen, die das Land hierfür vorhält, gehen diesen Dingen nach.

Ich will Ihnen noch einmal sagen, dass für das Verbot islamischer Vereine in erster Linie das Bundesinnenministerium zuständig ist, weil der Wirkungskreis dieser Vereine weit über ein einziges Bundesland hinausgeht. Natürlich beteiligt sich NRW an solchen administrativen Maßnahmen im Wege der Sammlung von Informationen und Erkenntnissen. Daran wird sich auch nichts ändern.

Auch die dritte Forderung Ihres Antrages zielt mehr auf einen Effekt, als dass sie eine neue Idee wäre. Bereits in der letzten Sitzung des Integrationsausschusses hatte ich angekündigt, dass auf die Tagesordnung des nächsten Plenums bei unserem „dialog forum islam“ auch das Thema „Hilfen für Flüchtlinge“ gesetzt werde, und das habe ich getan.

(Zuruf von Serap Güler [CDU])

Sie müssen schon lauter schreien. Ich empfehle Stimmübungen.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich wird diese Tagesordnung nicht einseitig festgelegt, sondern in voller Übereinstimmung mit den beteiligten Spitzenverbänden der Muslime, weil wir hier auf Augenhöhe vorgehen.

Herr Minister

Schneider, Entschuldigung. Ihre Einlassung hat Frau Güler dazu veranlasst, sich zu einer Zwischenfrage zu melden. Möchten Sie sie zulassen?

Bitte schön. Ich hätte es fast überhört, aber gut.

Herr Minister, erst einmal danke ich Ihnen, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ihnen ist – genauso wie allen anderen hier im

Raum – bekannt, dass dieser Punkt einer der 15 Punkte war, die wir in den Flüchtlingsgipfel mit eingebracht haben. Daraufhin haben Sie tatsächlich in der letzten Ausschusssitzung gesagt, dass das ein Thema im „dialog forum islam“ sein wird. Es ist kein neues Thema. Wir haben den Antrag zwar heute hier im Plenum, aber das war schon unter den 15 Punkten. Ist Ihnen das bekannt oder nicht?

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Ich habe doch gefragt. „Ist Ihnen das bekannt oder nicht?“ ist eine Frage.

Frau Kollegin, das Dialogform tagt, was das Plenum anbelangt, dreimal im Jahr. Dies war die erste Möglichkeit, dieses Thema auf die Tagesordnung zu nehmen.

Im Übrigen streite ich mich mit Ihnen nicht über drei Kalendertage, sondern über den Inhalt. Ich glaube, der sollte im Vordergrund stehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben also beim letzten DFI das Thema „Flüchtlinge“ besprochen, und wir sind auch zu konkreten Ergebnissen gekommen.

Ihre Redezeit.

Wir werden gemeinsam mit dem Ministerium des Innern einen runden Tisch einberufen, um nochmals sehr konkret zu diskutieren, welche Möglichkeiten Zivilgesellschaft und muslimische Verbände bei der Betreuung von Flüchtlingen haben. Ich denke, im Moment werden sinnvolle Vorarbeiten geleistet, die dringend erforderlich sind, um hier zu Erfolgen zu kommen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Unterscheiden Sie bitte nicht zwischen Jäger und Schneider. Das mag ja bei den Berufen sinnvoll sein, aber nicht in der Politik in diesem Hause.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir stimmen hier vollkommen überein. Lassen Sie diese Spielereien und versuchen Sie nicht, hier irgendwelche Disharmonien in der Regierung zu setzen. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine weitere Bemerkung. Im Dialogforum haben alle Verbände der Muslime nochmals in aller Form alle rassistischen und antisemitischen Aktivitäten und die organisatorischen Träger dieser Aktivitäten massiv kritisiert und darauf hingewiesen, dass sie mit diesen Kräften nichts gemein haben. Ich war

dankbar für diese Äußerung, die geeignet ist, allen Widersprüchlichkeiten, die da herumgeistern, zu begegnen.

Ein Letztes. Ich denke, wir haben angesichts von 1,5 Millionen Muslimen, die unter uns leben, die Pflicht, dafür zu sorgen, dass nicht aufgrund einiger extremistischer Organisationen und der Aktivitäten der Mörderbanden des IS eine ganze Weltregion diskreditiert wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das dürfen wir in Nordrhein-Westfalen nicht zulassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Herr Minister Schneider hat seine Redezeit um 2 Minuten 39 Sekunden überzogen. Diese Zeit bekommen die Fraktionen, die sowieso größtenteils noch Redezeit haben, selbstverständlich obendrauf. Deshalb frage ich, ob aus den Fraktionen noch jemand das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 5.