Protocol of the Session on October 2, 2014

Der Bericht über die aktuelle Situation in den Einrichtungen aus dem letzten Innenausschuss am 18. September wurde schon erwähnt. Den hatten wir bestellt; ich muss das leider noch mal betonen. Vor genau zwei Wochen also hatten Herr Jäger und seine Beamten den Auftrag, die aktuelle Situation aufzuarbeiten. Von den jetzt bekanntgewordenen Zuständen ist im Bericht und in den Erklärungen im Ausschuss aber kein Wort zu finden. Im Gegenteil: In der Sitzung und im Bericht wurde lediglich stark beschwichtigt, sämtliche Kritik vom Tisch gewischt. Nun ist offensichtlich, dass die Opposition belogen wurde oder das Ministerium völlig ahnungslos war. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Wir werden das auf jeden Fall aufklären müssen.

Dass die Kritik, das System der Aufnahme sei kollabiert, von Ihnen, Herr Jäger, in der Sitzung harsch zurückgewiesen wurde, ist umso krasser, weil damals sogar Busse mit Flüchtlingen unangemeldet und unversorgt nach Hessen in die dortige Aufnahme verschleppt wurden. Das haben wir damals angesprochen, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, welches andere Wort man nehmen sollte als „kollabiert“. Sie hätten spätestens da handeln müssen, Herr Jäger. Das haben Sie nicht getan.

Im Übrigen haben wir vor zwei Wochen ebenfalls vorgeschlagen, dass sich der Innenausschuss ein eigenes Bild von den Aufnahmeeinrichtungen macht. Das wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Vor zwei Wochen!

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Unglaublich! – Weitere Zurufe von den PIRATEN: Aha! Oho!)

Wir müssen also festhalten: Die Opposition war falsch oder gar nicht informiert. Die Landesregierung und Abgeordnete von SPD und Grünen beschwichtigen und beschönigen die Situation immer wieder.

Ich finde all das sehr bemerkenswert, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass nach dem Zusammenbruch der Landesaufnahme in Dortmund vor anderthalb Jahren, im Herbst 2012, eine Riesenprojektgruppe eingerichtet wurde.

Im Mai dieses Jahres hat sie einen Projektbericht zur Unterbringung von Asylbewerbern in NRWEinrichtungen vorgelegt. Im Bericht steht nichts über Sicherheitsüberprüfungen oder mehr Aufsicht und Kontrolle. Aber es wird angekündigt, Aufnahmeeinrichtungen stärker als bisher in privatwirtschaftliche Hände zu geben, um die Aufnahme effizienter und wirtschaftlicher zu organisieren. Die Projektgruppe selbst gibt dazu zu bedenken, dass der Bericht eine administrative Handschrift trägt und die Perspektive von Flüchtlingen unterbelichtet erscheint. – Was für ein Hohn!

Wir erwarten, nein: wir verlangen, dass der Bericht gemeinsam mit Experten aus der Flüchtlingsarbeit komplett überarbeitet wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Projektgruppe hat für den Bericht übrigens ein ganzes Jahr gebraucht. In der Zeit haben sich die Flüchtlingszahlen nahezu verdoppelt. Für eine Verbesserung des Systems ist aber nichts passiert; man hat nur an dem Bericht gearbeitet.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Scheindebat- te!)

Ist das vorausschauende Politik? Ich denke nicht.

Nun ist die Landesregierung auch noch in einen Misshandlungsskandal in den Aufnahmeeinrichtungen verwickelt. Solche Dinge stellt man sich nicht mal in Albträumen vor.

Die Vorfälle haben international für Schlagzeilen gesorgt. Burbach ist nun weltweit in einem Atemzug mit Guantanamo und Abu Ghraib genannt. So etwas haben auch wir uns niemals vorstellen können.

Die Betroffenheit der Landesregierung ist wohl durchaus glaubhaft. Doch wenn man darüber nachdenkt, fragt man sich: Sind diese Taten wirklich so unvorstellbar gewesen, dass niemand so etwas in einem Land hätte erwarten können, in dem ständig über angebliche Belastungen geredet wird, die durch Flüchtlinge entstehen, wo Asylsuchende immer noch weitgehenden Restriktionen ausgesetzt sind und wo einer großen Gruppe von Verfolgten per Beschluss pauschal der Flüchtlingsstatus aberkannt wird, indem die Herkunftsländer wider besseres Wissen als sicher erklärt werden?

Jetzt bräuchte es ein starkes Zeichen, damit dieser Makel der Fremdenfeindlichkeit nicht an uns haften bleibt.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber eben noch präsentierte Herr Minister Jäger seinen untauglichen Sieben-Punkte-Plan. Keiner der Punkte ist funktional geeignet, die Lage für die Flüchtlinge zu verbessern.

Es soll den Betreibern zukünftig untersagt werden, Subunternehmen für Security zu engagieren, Personal ohne Sachkundeprüfung und polizeiliches

Führungszeugnis einzustellen. Eine obligatorische Sicherheitsprüfung durch Polizei sowie Verfassungsschutz soll nun erfolgen. – Ich bin übrigens gespannt, auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen soll.

Das soll der Plan sein? Wo bleibt das strukturelle Konzept?

Ich komme zum Schluss.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Es ist unglaublich, dass diese Prüfungen bisher nicht gemacht wurden. Gerade in diesem sensiblen Bereich hätte niemals passieren dürfen, dass dort solche Kriminellen, Nazis oder Gewalttäter eingesetzt werden. Frau Düker, Sie haben darüber bisher offensichtlich nicht nachgedacht. Das ist traurig. Da sie zu einer Regierungspartei gehören, ist das, wie ich finde, sogar ein Skandal. Und ob der Verfassungsschutz nun die geeignetste Stelle ist, Nazis auszusortieren, sei mal dahingestellt.

Herr Jäger, Sie haben es aber immer noch nicht verstanden. Es ist einfach per se unglaublich und völlig inakzeptabel, dass es bisher so war und anscheinend weiter möglich sein soll, dass sich Wachleute neben der Essensausgabe aufstellen, dass Wachleute in Uniform auf dem Gelände herumrennen und Menschen einschüchtern, dass Wachleute neben den Leitern oder Mitarbeitern der Betreiber stehen, während Flüchtlinge ihr Anliegen vorbringen.

Die Menschen, die hier Schutz suchen, suchen diesen nicht einfach so. Sie haben meist traumatische Erfahrungen gerade mit Personen in Uniform hinter sich. Diese Menschen brauchen kein Gefängnis. Dass man so etwas überhaupt diskutieren muss, macht mich einfach sprachlos.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte.

Ich komme zum Schluss, ja. – Wir brauchen Einrichtungen, die Menschen auffangen und ihnen Versorgung garantieren. Das Gefühl der Schutzlosigkeit muss ihnen genommen werden.

Stattdessen haben Sie ein System der Abschreckung etabliert, bei dem es anscheinend normal ist, Menschen, die nichts getan haben, mit Zäunen und Wachleuten weit draußen einzusperren. Das ist einfach widerlich. Und dass Ihr Sieben-Punkte-Plan daran nichts ändern wird, potenziert die Schande ins Unermessliche.

Herr Minister Jäger, wir fordern Sie auf, eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme im Land zu machen, damit wir baldmöglichst wieder menschenwürdige Zustände in den Unterbringungen

haben und das Wort „Willkommenskultur“ nicht nur eine Prospektüberschrift bleibt. Vorschläge dazu haben wir bereits genug geliefert.

Ein letztes Wort zu unserem Eilantrag: Alle Forderungen, die hier erhoben wurden, stehen darin. Ich erwarte Ihre Zustimmung dazu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Jäger zu Wort gemeldet.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gerade von meiner Fraktionskollegin aus Essen, Frau Britta Altenkamp, darüber informiert worden, dass, Herr Kufen, CDU und SPD erfreulicherweise jetzt gemeinsam in Essen eine solche Landesaufnahmeeinrichtung planen und auch politisch betreiben wollen. Bei dem Zitat, das ich vorhin angeführt habe, handelt es sich also um ein älteres, das nicht mehr der Aktualität entspricht. – Dafür, Herr Kufen, herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Jäger. – Als nächster Redner spricht für die CDUFraktion Herr Fraktionsvorsitzender Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man nach dieser Debatte noch mal irgendwie hätte beweisen wollen, was für ein menschlicher Typ man ist, dann durch die letzten beiden Auftritte des Innenministers.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist eine bodenlose Unverschämtheit, in dieser Debatte, wo es um Ihr Versagen geht, einen Kollegen wie Thomas Kufen, der wie kein anderer in Integrations- und Flüchtlingsfragen engagiert ist, vor diesem Landtag so bloßzustellen! Und dann kommen Sie nur mit der läppischen Bemerkung: Nein, war doch nicht so. Er ist heute engagiert in dieser Frage. – Sie haben sich zu entschuldigen, Herr Minister! Treten Sie hier an dieses Pult!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die ganze Methodik dieses Menschen ist doch... Jetzt wird der Bürgermeister in Burbach dazu gebracht, gemeinsame Erklärungen gegen die „Süddeutsche Zeitung“ abzugeben. Sie, Herr Staatssekretär, haben ihn gestern auch noch angerufen und haben ihm gesagt: Sagen Sie bloß nichts, was auf Organisationsversagen hinweist! – Mein Gott, kümmern Sie sich um die Sicherheitsdienste und nicht um Leute, die sich wie dieser Bürgermeister engagieren und helfen wollen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Einschüchterung, bedrohen, CDU beschimpfen und jetzt so tun, als wenn der Bundesinnenminister Ihre Ratschläge brauchte! Die anderen 15 Innenminister in Deutschland machen das besser als Sie! Sie haben die nicht zu belehren!

(Beifall von der CDU und der FDP)

„Wir stehen an der Spitze der Bewegung! Wir in Nordrhein-Westfalen haben die besten Vorschriften! Wir sind Vorbild, die anderen werden folgen! Ich als Vorsitzender der Innenministerkonferenz werde die jetzt dazu bringen, dass die mal so gut werden wie wir!“

Mein Gott! Wenigstens an einem Tag mal einen Hauch Demut!

(Beifall von der CDU und der FDP – Verein- zelt Beifall von den PIRATEN)

Das, was Sie machen, ist doch eine Selbstkarikatur. Das passt gar nicht zu diesem ernsten Teil.

(Zurufe von der SPD)