Protocol of the Session on October 1, 2014

zung des Schuldenstaates – Erfolgsmodell Schuldenbremse nicht aufweichen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/6861

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion Herrn Kollegen Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die haushaltspolitische Ausgangslage in Nordrhein-Westfalen ist bekanntlich dramatisch. Bereits heute haben wir einen Schuldenberg von über 140 Milliarden €. Der Finanzminister rechnet damit, dass dieser trotz Bestbedingungen weiter wächst. – Ich sehe ihn zwar leider gerade nicht bei der Debatte, aber vielleicht kann man ihm das noch mal in Erinnerung rufen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie wissen doch, dass er nicht da ist!)

Deshalb ist die Schuldenbremse mit einem Neuverschuldungsstopp 2020 so wichtig und sind alle Bestrebungen zu bekämpfen, diese aufzuweichen.

Was wir stattdessen brauchen, sind rechtlich verbindliche Sanktionen, die dafür sorgen, dass die Nullverschuldungsvorgabe des Grundgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen eben nicht zu unverbindlichen Preisempfehlungen verkommt.

Wir haben dies bei zahlreichen Verfassungsgerichtsverfahren in der letzten Zeit erlebt. Die Münsteraner Verfassungswächter stellen regelmäßig die Verfassungswidrigkeit des Landeshaushalts fest, und der Finanzminister bedankt sich danach freundlich für die Anregungen. Einer Landesregierung, die verfassungswidrige Beamtenbesoldungen exekutiert, darf man nicht trauen, dass sie die Schuldenbremse ohne Tricksereien akzeptiert.

Ministerpräsidentin Kraft spricht im Zusammenhang mit dem Neuverschuldungsverbot auch gerne herablassend – so erst in den letzten Tagen – in nordrhein-westfälischen Medien von einem Fetisch und offenbart damit ihre Haltung zur Haushaltskonsolidierung. Die Folgen dieses nachlässigen Umganges mit dem Steuergeld der Bürger sind täglich zu besichtigen.

Es ist ein Sündenfall, wenn Bundesfinanzminister Schäuble nun die Nullverschuldung im Poker um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen leichtfertig auf dem Verhandlungsaltar opfern will.

Andere Bundesländer haben dann auch spontan deutlich ihre Ablehnung signalisiert, beispielsweise Hessens Finanzminister Thomas Schäfer und Bayerns Finanzminister Markus Söder. Und selbst – man höre und staune! – der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, hat das zurückgewiesen.

Warum kommt bloß aus NRW hier kein Dementi? Warum kommt kein Statement, keine Haltung, dass unser Land den Ehrgeiz hat, als größtes in ganz Deutschland die Probleme auch im Rahmen der heutigen Rechtsordnung zu lösen?

Der Schäuble-Vorschlag würde der Ländergemeinschaft auch nach dem Jahr 2020 noch einen Schuldenrahmen – nach heutigem Stand der Berechnung, abgeleitet vom Brutto-Inlandsprodukt – von 4,2 Milliarden € erlauben. Anteilig wären dies für Nordrhein-Westfallen nach heutigem Stand rund 800 Millionen €. Das ist fast genau die Finanzierungslücke, die unser Finanzminister in seinem sogenannten Nachhaltigkeitsbericht unter Normalbedingungen der Haushaltsentwicklung als Lücke für das Jahr 2020 prognostiziert.

Einen Abgesang auf das Neuverschuldungsverbot darf es also auf keinen Fall geben, nur weil dies bequemer ist, als die eigenen Hausaufgaben zu erledigen.

Die Konzeptlosigkeit und Mangelverwaltung in der Haushaltspolitik offenbart die gegenwärtige pauschale Haushaltssperre, die die Absage an jede begründete planvolle Schwerpunktsetzung ist und die konzeptionelle Gestaltung durch das Zufallsprinzip bereits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen ersetzt.

Die neuen Gedankenspiele zur Lockerung der Schuldenbremse sind daher Gift für nachhaltig gesunde Staatsfinanzen. Wenn in Zeiten höchster Steuereinnahmen und künstlich niedriger Zinsen der Ausstieg aus der Schuldenpolitik in unserem Land nicht gelingt, dann, meine Damen und Herren, wird er niemals gelingen.

(Beifall von der FDP)

Es wäre daher verantwortungslos, die mühsam vereinbarte Schuldenbremse nun wieder zu lockern. Was wir in Nordrhein-Westfalen brauchen, ist genau das Gegenteil. Nur vier von 16 Bundesländern haben bislang keine rechtlichen Normen zur Konkretisierung der Schuldenbremse des Grundgesetzes verankert oder befinden sich gerade im Beratungsprozess – und eines dieser vier Bundesländer ist Nordrhein-Westfalen.

Es ist insbesondere der jungen Generation zu wünschen, dass ein harter Schuldenstopp mit klaren Sanktionen im Rahmen der Verfassungskommission jetzt auch Einzug in die Landesverfassung hält. Ohne einen unausweichlichen Zwang zur Haushaltskonsolidierung wird sich diese Landesregierung

weiterhin vor den notwendigen Entscheidungen zur strukturellen Modernisierung unseres Landes drücken. Der rasante Ausgabenanstieg des Landes ist das eigentliche Zukunftsproblem Nordrhein

Westfalens. Ohne sinkende Zinsaufwendungen wäre die Lage im Übrigen noch dramatischer. Dieser Umstand wird aber auf kaltem Wege über die Enteignung des ehrlichen Sparers teuer bezahlt.

Nordrhein-Westfalen hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem und will dem Steuerzahler nach der erfolgten Grunderwerbsteuererhöhung durch die Fortsetzung der kalten Progression sowie die Steuererhöhung durch die Soli-Verlängerung auch zukünftig mächtig in die Tasche greifen. Genau das darf nicht passieren. NRW muss bei seinen Haushaltssünden endlich die rot-grüne Laterne abgeben. Setzen wir heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein klares Zeichen für verbindliche Zielmarken und Regeln beim Verschuldungsabbau! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die SPD-Fraktion hat das Wort nun Herr Kollege Zimkeit.

Lieber Kollege Witzel, Sie haben gleich den Einstieg auf dem entsprechenden Niveau der Debatte gefunden. Sie wissen genau, dass der Finanzminister entschuldigt ist und durch Herrn Duin vertreten wird. Ich könnte jetzt genauso gut danach fragen, wo Ihr Fraktionsvorsitzender bei dem für Sie ja so wichtigen Thema ist. Ihre Äußerung spiegelt das Niveau Ihrer Auseinandersetzung mit diesem Thema wider.

(Beifall von der SPD)

Sie haben gesagt, draußen sei zu besichtigen, was mit dem Geld dieses Landes passiere, und das sei alles sehr schlimm. Dazu möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Sie haben vollkommen recht. Gehen Sie raus und besichtigen Sie, wie wir mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Kinder, mehr Geld für Inklusion und mehr Geld für Kommunen ausgeben! Das sind vernünftige Investitionen in diesem Land, die Sie draußen besichtigen können. Insofern sollten Sie sich diese Mühe einmal machen.

Eigentlich hatte ich die Hoffnung, dass Sie in Ihrer Debatte ein Stück weiter gekommen sind und hier heute nicht wieder nur die bekannten Textbausteine vortragen. Wenn man aber Ihren Antrag liest, findet man dort im ersten Satz:

„Sowohl der Bund als auch die Länder sind bezüglich der Einhaltung der Schuldenbremse grundsätzlich auf einem guten Weg …“

Hört, hört! – Sie ergänzen:

„… auch wenn die konkreten Anstrengungen in einzelnen Bundesländern wie in NordrheinWestfalen noch erkennbar verstärkt werden müssen.“

Ja, wir haben immer gesagt: Es muss noch verstärkte Anstrengungen zur Erreichung dieses Ziels geben. – Dass auch Sie jetzt einsehen, dass die Länder und insbesondere Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg sind, ist eine hervorragende Erkenntnis. Willkommen im Klub! Bisher haben Sie das immer bestritten.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Leider folgen Sie den Erkenntnissen aus Ihrem eigenen Antrag nicht, sondern wiederholen die altbekannten Vorwürfe, die dadurch nicht richtiger werden.

Ich hätte es gut gefunden, wenn wir uns wirklich mal mit den Vorschlägen von Herrn Schäuble, die Sie ja zum Anlass für den Antrag genommen, dann aber in Ihrer Rede nicht mehr erwähnt haben, auseinandergesetzt hätten. In einem sind wir uns nämlich einig: Wir lehnen diese Vorschläge ab. Die Hintergründe sind jedoch ganz andere.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben hier jetzt wieder die Heiligsprechung der Schuldenbremse betrieben und diese zur Lösung aller Probleme erklärt, die es in diesem Land gibt. Sie verschweigen aber, dass, wenn die Einnahmesituation nicht vernünftig geregelt wird, die Schuldenbremse in unserem Land zu einer Bildungs- und Infrastrukturstrukturbremse wird, zu einer Bremse für soziale und wirtschaftliche Entwicklung, die wir verhindern müssen.

(Ralf Witzel [FDP]: Ausgabenexplosion!)

Nicht die Finanzlage ist das Alleinseligmachende, sondern die Gesamtbetrachtung der Entwicklung.

Wir dürfen dieses Land auch nicht kaputtsparen. Genau darin liegt die Problematik des SchäubleVorschlags. Denn es geht ihm gar nicht darum, den Ländern zu helfen und zusätzliche Handlungsspielräume zu eröffnen. Ihm geht es ausschließlich darum, seine Finanzlage zu verbessern. Es geht ihm um Folgendes: Die Mittel für den Soli, von dem die Bürgerinnen und Bürger ja glauben, damit den Aufbau Ost zu finanzieren, werden in Wirklichkeit schon zu 50 % – mit steigender Tendenz – für die Finanzierung des Haushalts von Herrn Schäuble verwendet.

(Ralf Witzel [FDP]: Dann schaffen wir ihn doch gemeinsam ab!)

Dieses Geld zu behalten, darum geht es. – Ein bisschen lauter, dann verstehe ich die Zwischenrufe auch.

(Ralf Witzel [FDP]: Dann schaffen wir den So- li doch gemeinsam ab, Herr Zimkeit!)

Nein, wir schaffen ihn eben nicht ab. Darum geht es.

(Christof Rasche [FDP]: Lieber verdoppeln!)

Das ist der Vorschlag, den wir für vollkommen falsch halten. Wir glauben nämlich, dass die Mittel des Solis genutzt werden müssen, um die Länder nach ihrem Bedarf und nicht wie heute nach Himmelsrichtung zu unterstützen. Es sollten also diejenigen Länder unterstützt werden, die besondere Bedarfe haben und besondere Lasten tragen.

Deswegen sind wir dafür, diese Mittel in einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen zu verwenden. Schließen Sie sich dem doch einfach an! Das ist im Interesse unseres Landes, und das ist im Interesse der Städte unseres Landes. Hier könnten Sie einmal einen Beitrag leisten, etwas für NRW zu tun. Darum geht es Ihnen aber gar nicht. Ihnen geht es um das Heiligtum der Schuldenbremse als politisches Kampfinstrument und nicht darum, in diesem Land und für dieses Land weiterzukommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin sehr gespannt auf die Beiträge der CDU. Die Verteidigung von Herrn Schäuble müssen Sie dann übernehmen, Herr Optendrenk.

Die entscheidende Frage ist jedoch, ob wir in diesen Diskussionen gemeinsam dafür eintreten können, die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen zu vertreten, und ob wir dafür sorgen, dass über den Soli und eine Neuverteilung der Mittel in diesem Land neue Finanzspielräume eröffnet werden. Hier bin ich sehr gespannt, ob sich die Opposition an den Interessen des Landes oder an ihren eigenen parteipolitischen Interessen orientiert.

Wir müssen Ihren Antrag leider ablehnen. Wir stimmen nicht zu, dass die Schuldenbremse – wie Sie es beschreiben – alle Probleme dieses Landes löst, und wir sehen in Ihrem Antrag keinen Beitrag, die Interessen dieses Landes gegenüber dem Bund sinnvoll zu vertreten. – Herzlichen Dank.