Protocol of the Session on October 1, 2014

Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen möchte ich mich heute Morgen auch gar nicht weiter mit diesem Antrag zur Aktuellen Stunde auseinandersetzen, sondern viel lieber morgen über den interessanteren Ansatz der CDU diskutieren. Dabei werden wir zwar auch nicht einer Meinung sein, aber darüber lohnt es sich zu reden – über diesen Antrag zur Aktuellen Stunde hingegen leider nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Piratenfraktion spricht Frau Kollegin Pieper.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher! Zunächst möchte ich noch einmal darauf eingehen, worüber wir hier eigentlich sprechen – Herr Kaiser hatte es gerade schon angedeutet –: Wir sprechen meines Wissens zum ersten Mal über ein Gutachten, das einem Verband in Auftrag gegeben wird.

Die Tatsache, dass diesem Gutachten eine dermaßen hohe Bedeutung zugemessen wird, wird Herrn Dr. Rösner und den VBE sicher freuen. Ich hätte es aber wesentlich besser gefunden, wenn man mit Herrn Dr. Rösner im Ausschuss darüber diskutiert und gesprochen hätte, anstatt hier Reden darüber zu schwingen.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Als etwas anderes als Panikmache kann ich Ihr ständiges Gerede von der leistungslosen Schule nicht mehr bezeichnen. Immer wieder gibt es Anträge, die implizieren, dass das Gymnasium abgeschafft werden solle oder dass keine Leistung mehr an unseren Schulen erbracht werde. Man muss doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Nordrhein-Westfalen zentrale Prüfungen gibt, die für alle Schulen gelten. Insofern kann ich überhaupt nicht verstehen, was Sie damit meinen, wenn Sie sagen, dass es nicht die gleichen Leistungsanforderungen an allen Schulen gebe. Bei zentralen Prüfungen muss jeder Schüler die gleiche Leistung erbringen.

Wenn man individuelle Förderung ernst meint, wenn man sich für bessere Bildungschancen einsetzen möchte, was Sie vorgeblich tun, dann muss doch unstrittig sein, dass es zunächst einmal darum geht, dass viel zu viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Unsere größten Anstrengungen müssen daher der Verbesserung der Förderung dienen, um die Zahl der Abgänger ohne Abschluss erheblich zu mindern.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass in diesem Zusammenhang Leistungsansprüche gesenkt werden müssten, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Weder die zehn Forderungen des VBE noch das Gutachten von Herrn Dr. Rösner behandeln dieses Thema.

Einen anderen Aspekt ignorieren Sie ebenfalls beständig: Die Leistungen, die die Schulen erbringen, sind unterschiedlich. Es ist eine große Leistung von Schulen, alle Schülerinnen und Schüler bei der Verwirklichung ihrer Bildungschancen angemessen zu unterstützen. Daher ist es kein Privileg, die Schulen des gemeinsamen Lernens besser zu unterstützen. Das entspricht gerade einmal der notwendigen Ausstattung, um diesem Bildungsauftrag nachzukommen.

Weiterhin befürchten Sie, dass Privatschulinitiativen in sozialistischer Manier der Garaus gemacht wird. Auch ich bin überzeugt, dass private Ersatzschulen gute Arbeit in NRW leisten. Denn sie ergänzen das Angebot der öffentlichen Schulen, und genau dafür sind sie da. Im Schulgesetz steht, sie ergänzen und bereichern das öffentliche Schulsystem. Dort steht nicht, sie ersetzen das öffentliche Schulsystem. Um es zu ergänzen, müssen wir zunächst das öffentliche Schulsystem aufrechterhalten und in der Fläche sichern.

Darüber hinaus befürchten Sie die Aushebelung des Elternwillens. Legen wir dazu doch einmal Ihre Pressemitteilung von Freitag neben die des VBE. Darin haben Sie die große Keule geschwungen und geschrieben, man lege die Axt ans Gymnasium. Sie schreiben:

„Insbesondere dem ländlichen Raum sollen statt eines vielfältigen Schulangebots und Wahlmöglichkeiten für Eltern integrierte Schulformen als Einbahnstraße übergestülpt werden.“

Herr Beckmann dagegen sagt:

„Der Elternwille nach wohnortnahen Schulen des längeren gemeinsamen Lernens muss beachtet werden.“

Dazu kann man nur sagen: Es haben wohl nicht alle Eltern die gleichen Wünsche. Deshalb ist es richtig – das ist bereits mehrfach gesagt worden –, die interkommunale Schulentwicklung voranzutreiben. Das wird nicht ganz einfach sein. Wir wissen, dass Kommunen oft miteinander im Streit liegen und versuchen, für sich das Beste herauszuholen, aber das scheint mir der einzige Weg zu sein, um tatsächlich ein Angebot für alle Schüler vor Ort zu sichern.

Ich verstehe diese Aktuelle Stunde nicht. Denn genau diese Aspekte, die das Gymnasium betreffen, wurden schon in ganz vielen Veranstaltungen zumindest andiskutiert, wie zum Beispiel gestern in der Bildungskonferenz.

Schule befindet sich im Wandel. Die Strukturen haben sich geändert. Schulen des längeren gemeinsamen Lernens etablieren sich. Die Anzahl der Haupt- und Realschulen sinkt. Ja, das ist so. Das hat zum einen mit dem sich wandelnden Wahlverhalten der Eltern zu tun, zum anderen aber auch mit der demografischen Entwicklung. Dazu gehören auch die Gymnasien.

Gymnasien sind unbestritten ein wichtiger Teil unserer Schullandschaft. Gerade ist gesagt worden, dass eine Mehrzahl der Eltern diese Schulform wünscht. Das kann aber nicht heißen, dass sich das Gymnasium wie eine einsame Insel in unserer Schullandschaft bewegt. Vielmehr ist es ein Baustein eines gut abgestimmten Systems, und dazu gehören auch Änderungen und innovative Ideen für das Gymnasium.

Was sagt das Gutachten eigentlich im Hinblick auf das Gymnasium? – Darin wird unter anderem gefordert, dass ein Gymnasium in eine Gesamtschule umgewandelt werden könne, wenn es in der Kommune keine Schulangebote für alle Schüler gebe. Die erste Frage in diesem Zusammenhang ist doch: Wie viele Schulen kann das überhaupt betreffen? Das sind doch Einzelfälle. Es geht doch nicht darum, das Gymnasium in Gänze abzuschaffen.

Im Gutachten werden sie ausgewiesen. Darin werden fünf Kommunen genannt. Die Frage, die Sie sich in diesem Zusammenhang auch stellen müssen, ist: Was ist denn die Alternative? Darauf müssen Sie auch Antworten geben. Sie sprechen in Ihrem Antrag von fair und leistungsgerecht. Ist es fair und leistungsgerecht, wenn ein Gymnasium in einer Kommune nur diejenigen Kinder aufnimmt, die es aufnehmen möchte, und der Rest sehen kann, wo er bleibt? Ist das fair und leistungsgerecht?

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Wir brauchen ein Schulangebot für alle Schüler. Das ist besonders im ländlichen Bereich ein Problem. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden immer mehr junge Familien von dort wegziehen. Dann haben wir diesen Teufelskreis, dass es immer weniger Kinder und somit auch kein Schulangebot geben wird. Ich glaube, wir alle stehen in der Verantwortung, Lösungen zu finden, damit jeder Schüler in Wohnortnähe zur Schule gehen kann.

Insgesamt komme ich bezüglich des Gutachtens zu einem völlig anderen Ergebnis als die FDP-Fraktion. Tatsächlich nennt das Gutachten eine Reihe von Problemen, die wichtig sind und die wir lösen müssen. Abschulungen sind sicherlich ein Problem, und zwar nicht nur für den betroffenen Schüler, sondern vor allem auch für die aufnehmenden Schulen. Dass das Gymnasium am Ende der Sekundstufe I den mittleren Schulabschluss nicht vergeben kann, ist ein weiteres Problem. Der Gutachter und auch der VBE haben hierzu und zu anderen Punkten Vorschläge gemacht. Ich würde mir wünschen, dass

wir, statt hier Reden zu schwingen, mit Herrn Dr. Rösner darüber diskutieren und gemeinsam an Lösungen arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die Debatte hat gezeigt, dass vier Fraktionen in diesem Hause bei unterschiedlichen Nuancen in Zeiten des demografischen Wandels konstruktiv-pragmatisch an der Gestaltung der Schulentwicklung in Nordrhein

Westfalen arbeiten wollen. Eine Fraktion will dies nicht. Eine Fraktion hat sich nach wie vor ideologisch aufgestellt, meine Damen und Herren. Das ist hier deutlich geworden.

(Zurufe von der FDP)

Wie Herr Kaiser bin auch ich verwundert über die Beantragung dieser Aktuellen Stunde

(Marcel Hafke [FDP]: Das kann jede Fraktion beantragen!)

und die Empörung über den vermeintlichen Untergang der Gymnasien. Ich finde, meine Damen und Herren, dieser Antrag und diese Begründung sagen mehr über den Zustand der FDP als über den Zustand der Gymnasien aus,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und ich stelle fest, dass der Zustand der Gymnasien deutlich besser ist. Und das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Gebräu aus Falschbehauptungen und Absurditäten hat mit den Grundlagen der Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen so viel zu tun wie die FDP mit der absoluten Mehrheit. Das ist die Weise, in der Sie sich, meine Damen und Herren von der FDP, hier in der Debatte präsentiert haben.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie haben offensichtlich ein ganz falsches Bild vom Gymnasium. Denn unsere Gymnasien in NordrheinWestfalen sind von ganz eigener hervorragender Qualität und weisen Übergangsquoten von über 40 % auf. Warum meinen Sie, dass das Gymnasium entwertet und geschlossen werden soll? Und vor allem: Warum verlangen Sie das von der Landesregierung? – Herr Hafke, Sie sollten doch wissen, dass in Nordrhein-Westfalen die Kommunen und nicht die Landesregierung über das örtliche Schulangebot entscheiden. So viel sollten Sie doch über die Verfassungsgrundlagen hier bei uns in Nordrhein-Westfalen wissen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie wenig Vertrauen haben Sie in unsere Kommunen? Das wundert mich immer wieder. Die Kommunen gestalten das örtliche Schulangebot.

Der Verband Bildung und Erziehung hat letzte Woche auf seiner Pressekonferenz – schönen Gruß, Herr Beckmann! – zehn Forderungen für die erleichterte Gründung und Weiterführung von Schulen des längeren gemeinsamen Lernens bekannt gegeben; das ist völlig in Ordnung. Der VBE hat dies getan, weil wir als Regierung darüber debattiert und eine Zwischenbilanz „Zwei Jahre Schulkonsens – Wie geht es weiter?“ auf den Tisch gelegt haben. Deswegen betrachtet die Landesregierung dieses Gutachten als einen konstruktiven Impuls – so haben es auch vier Fraktionen hier verstanden – für die Bildungskonferenz und für die Arbeitsgruppe

„Schulstruktur“ in dieser Diskussion.

Ihnen allen ist bekannt, dass es diese Bildungskonferenz seit 2011 gibt und diese regelmäßig tagt. Aus ihr hat sich der Schulkonsens entwickelt. Sie wissen auch, dass alle, die dort am Tisch sitzen, immer zu konstruktiven Vorschlägen und Mitwirkung im Rahmen der Bildungskonferenz herzlich eingeladen sind. Auch die FDP ist herzlich eingeladen.

Meine Damen und Herren, zwei Jahre Schulkonsens bedeuten auch – und das wissen Sie –, dass das Gymnasium in einer sich verändernden Schullandschaft grundsätzlich abgesichert ist. Das steht im Schulkonsens und ist unterschrieben unter anderem von den Partei- und Fraktionsvorsitzenden, die diesen Schulkonsens geschlossen haben. Es steht im Koalitionsvertrag, und auch die Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, dass die Landesregierung ohne Wenn und Aber zum Schulkonsens steht, den wir verabredet haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Gymnasien sind in keiner Weise bedroht. Im Gegenteil: Ständig steigende Übergangszahlen und eine hervorragende Förderung der heterogener werdenden Schülerschaft beweisen ganz offenkundig die Leistungsfähigkeit des Gymnasiums. Meines Erachtens haben die Gymnasien diesen Antrag überhaupt nicht nötig, und verdient haben sie ihn erst recht nicht.