Protocol of the Session on October 1, 2014

Es macht – auch für diese Landesregierung – Sinn, das mal genauer zu untersuchen. Nichts gegen Ersatzschulen. Sie sind sicherlich an vielen Stellen ein willkommenes Angebot. Wenn es aber um den Ersatz für ein öffentliches Schulsystem geht, muss das überprüft werden. Dann macht es auch Sinn, sich das wirtschaftlich anzusehen. Wir wissen alle: Bei Ersatzschulgründungen werden die Schulträgerkosten auf das Land verlagert. Deshalb kann man sich überlegen, dass es doch Sinn macht, auch staatliche zweizügige Sekundarschulen zu unterstützen.

Sicher muss man auch andere Punkte aus dem VBE-Gutachten, zum Beispiel Einpendler, im Einzelnen diskutieren. Da bringt es wenig, pauschal Ja oder Nein zu sagen. Es sind aber gute Impulse vorhanden.

Der Stein des Anstoßes für die FDP war der Punkt 5, weil es in drei Kommunen in NordrheinWestfalen als weiterführendes Angebot nur ein Gymnasium gibt. Deshalb, Frau Gebauer, sind wir als CDU – weil wir für Gymnasien und weil wir insbesondere für die Standards sind, die die Gymnasien erreichen –, dafür, dass man fragt: Werden in den Orten, wo die einzige weiterführende Schule ein Gymnasium ist, die gymnasialen Standards so erreicht, wie das für Studierfähigkeit erforderlich ist? Das muss man sich tabufrei angucken dürfen. Dies ist nicht der Generalangriff auf das Gymnasium, der an anderer Stelle vorbereitet wird. Das ist eine andere Nummer. Wir werden uns das aber genau angucken müssen.

Wenn man sich das im Einzelnen ansieht, wird erkennbar, dass ein Schulträger schon grundsätzlich die Verantwortung hat, dafür zu sorgen, dass für alle Schülerinnen und Schüler des Ortes ein Angebot gemacht wird. Und dazu dienen diese Vorschläge ganz gut.

Also: Welchen Vorschlag macht man? – Der Landesregierung kann man empfehlen – seitens der CDU machen wir das –, dass sie gut beraten ist, die Vorschläge des VBE zur Gründung von zweizügigen Sekundarschulen umzusetzen, weil es vernünftig und auch wirtschaftlich ist.

Der FDP kann man sagen: Der Kampf ums Gymnasium ist sinnvoll. Es geht aber darum, sich mit den relevanten Fakten und Studien zu befassen.

(Beifall von der CDU)

Deshalb macht es Sinn, sich dem Antrag zur Qualitätssicherung der Gymnasien anzuschließen und ihn zu unterstützen, so, wie Dr. Hachen dies im nächsten Redebeitrag für die CDU-Fraktion unterstreichen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP verkennt einmal mehr die Realitäten in diesem Land. Die Gymnasien in diesem Land haben sich längst auf einen Reformweg begeben und befinden sich landesweit in einem Öffnungsprozess.

Landesweit gehen fast 42 % der Schülerinnen nach der Grundschule in ein Gymnasium; in manchen Kommunen sind es sogar 60 % und darüber. Dabei hat sich an der Feststellung, wie sich zeigt, nichts geändert, dass das Gymnasium eine erfolgreiche Schulform ist, die auch längst schon auf die veränderte Schülerschaft reagiert hat. Sie haben doch mit dem Landesprogramm „Komm mit! – Sitzenbleiben reduzieren“, das Sie aufgelegt haben, gezeigt, dass das gerade bei den Gymnasien gefruchtet hat. Wir haben 100 Gymnasien, die sich in dem Inklusionsprozess hineinbegeben haben. Das wollen Sie alles einfach nicht wahrnehmen, Frau Gebauer.

Aber wer diesen Antrag aufmerksam liest, der stellt fest, was die FDP eigentlich will. Sagen Sie es doch bitte! Reden Sie doch Tacheles in der Sache! Sagen Sie uns, dass Sie die Zugänge zum Gymnasium beschränken wollen! Das steht doch hinter diesem Ansatz. Das ist doch ganz deutlich. – Aha, Frau Gebauer nickt. Halten wir das für das Protokoll fest!

Welche Instrumente sollen es denn sein: Übergangsempfehlungen wieder verbindlich machen, oder wollen Sie die bayerische Methode mit bestimmten Notendurchschnitten? – Das wird RotGrün nicht mitmachen. Sie bremsen den Elternwillen mit Ihren antiquierten Bildungsvorstellungen in Nordrhein-Westfalen nicht aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie sich in der Aktuellen Stunde auf das VBE-Gutachten beziehen, sollten Sie, sofern Sie es sich angeschaut haben, eigentlich wahrgenommen haben, dass selbst in Bayern trotz der restriktiven Maßnahmen die Übergangsquoten weit gestiegen sind, ja fast so groß sind wie in NordrheinWestfalen, nämlich auf 40,5 % im Durchschnitt. In Nordrhein-Westfalen sind es 41,8 %. Aber die FDP versucht, den gelben Zaun um die Gymnasien zu ziehen. Das wird nicht klappen.

Aber auch in anderer Hinsicht entlarvt sich dieser Antrag doch selbst. Der Begriff der individuellen Förderung, Frau Gebauer, ist Ihnen vollkommen abhandengekommen. Dieser zentrale Begriff kommt in Ihrem Antrag nicht einmal vor. Ihre Maxime heißt also: Lernen im Gleichschritt für wenige Auserwählte! – Damit sind Sie die Einzigen, in diesem Haus, die noch die Fiktion der Homogenität von Lerngruppen aufrechterhalten. Herzlichen Glückwunsch zu

diesem Alleinstellungsmerkmal! Das ist aus dem letzten Jahrhundert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von Yvonne Gebauer [FDP])

Ich hatte persönlich die große Freude, Hildegard Hamm-Brücher, die Grande Dame der Liberalen, als es die Liberalen im Wortsinn noch gab, kennenlernen zu dürfen.

(Zurufe von der FDP: Oh, oh! – Weitere Zuru- fe von der FDP)

Sie hat mich tief beeindruckt, gerade auch in ihrer Klarheit in der bildungspolitischen Haltung und Überzeugung.

(Weitere Zurufe von der FDP)

Ja, das tut Ihnen weh. Wissen Sie, was Hildegard Hamm-Brücher gesagt hat?

Sie hat gesagt:

„Eine demokratische Leistungsgesellschaft kann gewiß nicht dadurch kaputtgehen, dass mehr Menschen bessere Bildungsmöglichkeiten und damit bessere Lebenschancen erhalten.“

Schauen Sie sich dagegen den Antrag zu dieser Aktuellen Stunde an!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hildegard Hamm-Brücher ist auch Mitbegründerin der Theodor-Heuss-Stiftung, die 2003 ihren Preis an Andreas Schleicher, den PISA-Koordinator, verliehen hat, weil er dazu beigetragen hat, eine breite und anhaltende öffentliche Debatte über Bildung und Erziehung und notwendige Veränderungen anzustoßen.

In der Begründung heißt es – ich zitiere –:

„Jahrzehntelange Verkrustungen und Defizite im deutschen Bildungssystem können nur durch langfristige Strategien korrigiert werden, und dies bedeutet insbesondere für Deutschland, dass tiefgreifende Reformen notwendig sind, um die durch PISA angemahnte ausgewogene Verteilung von Bildungschancen zu erreichen.“

Dass Sie nichts mehr mit der Theodor-HeussStiftung gemein haben, ist mir auch klar. Das ist eine ganz andere Linie. Das sind nicht mehr die Liberalen von 2003.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Sie mit Ihrem Antrag hier und heute präsentieren, ist das Gegenteil von Liberalität. Das ist enge Geisteshaltung durch Abschotten und das Hochziehen von Mauern in der Gesellschaft. Diese FDP in NRW ist ganz die rückwärtsgewandte FDP – hoffnungslos aus der Zeit gefallen. Es ist weiter der Klientel-Liberalismus der Marke „Lindner“, der hier zelebriert wird.

(Zurufe von der FDP: Wie bitte!?)

Hildegard Hamm-Brücher hat es schon 1993 in der „ZEIT“ wunderbar formuliert:

Das Verlustgefühl begleitet mich durch mein Alter. Ich habe leider Gottes die Hoffnung aufgeben müssen, die FDP könne als Markenzeichen für eine wirklich liberale Konzeption in der Bildungspolitik dienen.

(Zurufe von der FDP)

Und wenn es eines Belegs für dieses Zitat bedurft hätte, dann muss man diesen Antrag zu dieser Aktuellen Stunde heute danebenhalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie sich aber anschauen wollen, welche Wege heute die Gymnasien gehen, dann nehmen Sie das VBE-Gutachten zur Hand, dann schauen Sie sich die aktuelle Zeitschrift der GEW an, die „NDS“. Darin wird nämlich das Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken porträtiert, und Sie sehen, was individuelle Förderung bedeuten kann. Schauen Sie sich dann bitte auch das Gymnasium zum Beispiel in Alsdorf an, das sich der Dalton-Pädagogik verschrieben hat und dafür den Deutschen Schulpreis bekommen hat. Dann wissen Sie, was individuelle Förderung bedeutet. Die nehmen alle Kinder auf ihrem Weg mit. Diesen Gymnasien zu unterstellen, sie arbeiteten leistungsnivellierend, ist eine Unverschämtheit und Frechheit den Menschen gegenüber, die dort in der Schule arbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das Motto des Dalton-Gymnasiums in Alsdorf heißt „Selbstständigkeit, Freiheit, Verantwortung und Kooperation“. Das ist das Dalton-Prinzip, das das Gymnasium Alsdorf zu einem Prinzip des Lernens gemacht hat. Diese Beispiele von Schulentwicklung sollten Sie sich anschauen. Die Gymnasien in Nordrhein-Westfalen sind da bereits auf dem Weg.

Was macht die FDP? – Sie redet von schleichender Entwertung, von Nivellierung der Schulleistung in NRW.

Dieser Antrag zur Aktuellen Stunde – Frau Gebauer, das tut mir leid – ist wieder mal FDP-Vodoo, wie wir es hier häufig erleben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben sich nicht nur 2010 aus der Bildungskonferenz verabschiedet, sondern Sie haben sich insgesamt aus der Schulentwicklung in NordrheinWestfalen verabschiedet.

Hildegard Hamm-Brücher hat im Jahr 2010 zu Recht gesagt:

„Grundsätzlich gilt: In der Bildung muss es Chancengerechtigkeit geben. Deswegen finde ich jeden Schritt weg vom ständisch gegliederten

Bildungswesen hin zu einem offenen System richtig.“

Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen.