Allerdings muss man leider sagen, dass man weder mit Ihrem Antrag noch mit einigen Debattenbeiträgen, die bisher schon gekommen sind, eine Lösung schaffen wird. Das Problem der fehlenden Unterbringungseinrichtungen besteht ja weiterhin.
Sie sagen, dass wir eine Analyse brauchen, ob die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes die Kommunen tatsächlich entlasten würde. Ich meine, eine Analyse brauchen wir nicht. Denn wir wissen längst, dass die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Überführung der Flüchtlinge ins SGB II die Kommunen entlasten würde. Deshalb schließt sich ja auch der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen dieser Forderung an und sagt, dass wir die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes brauchen, weil es nicht nur für die Flüchtlinge gut ist, sondern auch die Kommunen dann von über 50 % der Kosten entlastet würden. Deshalb kümmert sich ja auch die Landesregierung darum und trägt diese Forderung nach Berlin. Ich würde mir wünschen, dass sich auch andere Fraktionen dieser Forderung anschließen.
Dann fordern Sie eine Bestandsaufnahme aller Flüchtlingsunterkünfte in allen 396 Kommunen. Da frage ich mich: Wer soll das eigentlich machen? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium, aber auch in der Bezirksregierung Arnsberg sind ja heute eigentlich schon von den Kapazitäten her überlastet. Ich meine, dass wir diese personellen Kapazitäten in andere Bereiche stecken sollten und nicht in Analysen von Situationen, die wir eigentlich schon kennen, auch aus der kommunalen Debatte heraus. Wir wissen alle, wie es vor Ort aussieht.
Richtig finden wir Ihre Forderung, dass die Kommunen mehr für eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen tun sollten, dass man die Kommunen davon überzeugen sollte, sowohl aus integrationspolitischen Gesichtspunkten als auch natürlich aus finanziellen Gesichtspunkten heraus.
Damit komme ich zum nächsten Punkt. Aus unserer Sicht muss nicht mehr überprüft werden, ob es tatsächlich günstiger ist, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Das wissen wir eigentlich schon. Das wissen wir auch aus den Diskussionen vor Ort. Es liegen ja bereits Berechnungen von einigen nordrhein-westfälischen Städten vor.
Dass die Landesregierung, aber auch wir als Abgeordnete mit den verschiedenen Organisationen und mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch stehen, halte ich eigentlich für selbstverständlich. Die Gespräche finden auch schon statt. Insofern brauchen wir diese Aufforderung aus Ihrem Antrag nicht.
Was die medizinische Versorgung angeht – das hatte ich auch schon beim letzten flüchtlingspolitischen Tagesordnungspunkt, den wir heute diskutiert haben, angesprochen –, können wir uns sehr gut vorstellen, dass man mit einem Härtefonds die Gemeinden entlasten könnte. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir so eine medizinische Versorgung und einen entsprechenden Härtefonds im Land umsetzen können.
Mein Fazit dieser Debatte ist: Wir sind uns einig, dass wir diese Debatten führen müssen. Wir führen sie ja vor allen Dingen auch in den Kommunen. Wir führen sie auch regelmäßig im Innenausschuss, wo wir immer wieder die aktuellen Zahlen über die Belegungen der Landeseinrichtungen bekommen.
Wir wollen diesen Antrag gerne ausführlich und konstruktiv im Ausschuss diskutieren. Er enthält ja tatsächlich wichtige Punkte. Aber zu der eigentlichen Lösung des Problems wird leider auch dieser Antrag nicht viel beitragen. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ja in dieser Woche über diese Thematik hier schon ausgiebig gesprochen. Das ist gut, wichtig und richtig. Auch weiterhin stimmt die Tonalität, was ich sehr begrüße.
Es sind wie bei vielen Anträgen der Piraten gute Aspekte dabei, aber zum Teil auch Formulierungen, die wir für nicht so gut halten. Das können wir im Ausschuss aber in Ruhe diskutieren.
Ich bin an Ihrer Seite, wenn Sie sagen, dass Sie, soweit es irgendwie möglich ist, eine dezentrale Unterbringung hinbekommen möchten. Ich meine übrigens, dass das nicht nur eine Sache des Landes, sondern auch eine Sache innerhalb der Kommunen ist. Ich werbe bei uns in Bonn auch dafür. Wenn Sie eine Anzahl von 800 bis 900 Asylbewerbern haben und diese mit 200 bis 250 in einem Stadtteil konzentrieren, der sowieso schon problembelastet ist, ist das alles sehr schwierig. Dann gibt es auch Akzeptanzprobleme.
Wenn man aber beispielsweise wie bei uns in Bonn 33 Wahlkreise hat und jeder für 30 bis 40 verantwortlich ist – bei einer zusätzlichen zentralen Einrichtung für den Fall, dass besonders viele kommen –, ist das meines Erachtens ein guter und gangbarer Weg. Wir müssen schauen, wie wir das überall in den Kommunen etablieren.
Ich sage aber auch: Das geht nicht von heute auf Morgen. Das wird auch nicht überall sofort funktionieren. Deswegen halte ich es für unrealistisch, wenn in der Überschrift schon gesagt wird: „Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten, Schulen und Turnhallen verhindern“. Natürlich wollen wir die Menschen nicht in Zelten und nach Möglichkeit nicht in Turnhallen unterbringen. Aber wenn wir Ausnahmesituationen wie im Moment haben – Gott sei Dank haben wir vielleicht eine Chance, dass uns nicht noch Flüchtlingstrecks aus der Ukraine erreichen – und wenn wir sehen, was da sehr plötzlich kommt, muss ich sagen: Ich bin froh, wenn ich geeignete Schulen habe, um dort Flüchtlinge vernünftig für eine Übergangszeit unterzubringen. Mir ist es wichtig, dass wir vor allem Menschenleben retten und dass wir das vernünftig auf den Weg bringen können.
Dass wir vom Grundsatz her möglichst dezentral verteilen wollen – auch gerade wir als Liberale –, das habe ich an dieser Stelle deutlich gemacht. Alles Weitere beraten wir im Ausschuss. – Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige wenige Sätze zur Aufnahmesituation in Nordrhein-Westfalen sagen, was sowohl die Kommunen als auch das Land betrifft.
Herr Stamp, ich würde Formulierungen wie „Notsituation“ oder Ähnliches auf jeden Fall vermeiden. Denn das suggeriert, dass dieses Land und die Kommunen nicht in der Lage seien, mit dieser Zahl von Flüchtlingen, die aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen insbesondere im Irak und Syrien nicht nur nach Deutschland, sondern auch in andere europäische Länder strömen, umzugehen und dieses Problem zu lösen. Damit würden wir sozusagen Flüchtlingspolitik parteiübergreifend in Frage stellen.
Ich gebe gerne zu: Wir haben eine wirklich schwierige Situation. Obwohl Kommunen und Land die Kapazitäten in den letzten drei Jahren deutlich erhöht haben, ist gerade der Anstieg in den letzten zwei bis drei Monaten und vermutlich der, der noch vor dem Winter vor uns liegt, so, dass unsere Kapazitäten nicht ausreichen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass sich dieses logistische Problem – nur das ist es – in den nächsten Wochen sehr viel besser darstellen wird, weil alle Beteiligten mit Hochdruck daran arbeiten, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.
Das, Herr Herrmann, trifft zum Teil auf ganz banale Probleme, dass in Einrichtungen, die gern zitiert werden – nach dem Motto: Was ist denn mit den leergezogenen Kasernen? –, etwa der Brandschutz oder eine ausreichende Kanalisation nicht vorhanden ist oder andere Gründe dagegen sprechen, kurzfristig ohne größere Maßnahmen eine solche Einrichtung nutzen zu können.
Ich sage ganz deutlich: Niemand kann zurzeit guten Gewissens ausschließen, dass wir auf Behelfskapazitäten zurückgreifen müssen. In zehn Städten – das habe ich heute der Presse entnommen – in Deutschland gibt es wohl inzwischen Unterbringungen in Zelten. Aber alle sagen unisono: Das darf nur vorübergehend der Fall sein, um einer aktuellen Drucksituation zu begegnen, aber das kann keinesfalls eine langfristige Lösung sein.
Das ist nicht nur Semantik, Herr Stamp, sondern ich glaube, dass Botschaften aus dem politischen Raum sehr genau aufgenommen und analysiert werden.
Wir haben bereits gestern sehr viel darüber diskutiert, wie wir die Kommunen entlasten können, insbesondere bei den finanziellen Lasten, die mit Flüchtlingen und Asylbewerbern zwangsläufig einhergehen.
Ich sage Ihnen ganz einfach, Herr Herrmann: Das Beste wäre – das haben wir vorhin schon diskutiert – die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, was zur Folge hätte, dass die Kommunen zwar circa 70 % der Unterkunftskosten tragen müssten, aber die gesamten Kosten des Lebensunterhaltes über das SGB II abzurechnen wären. Das wäre ein Beitrag des Bundes, der Kommunen und Länder bisher bei der Bewältigung dieses Problems nahezu – auch finanziell – alleine lässt.
Meine Damen und Herren, wir haben im Frühjahr einen wichtigen Schritt beim Akquirieren zusätzlicher Kapazitäten geschafft. Wir haben den Anreiz dadurch geschaffen, dass Kommunen, die eine Landesaufnahmeeinrichtung betreiben, dies auf ihre lokale Aufnahmequote angerechnet bekommen, und dass das Land für die Unterkunft und für die Verpflegung dieser Menschen in den ersten Wochen auch finanziell eintritt.
Ich glaube, das hat gewirkt. Eine ganze Reihe von Städten erkennt auch, dass sie bereit sein sollten, eine solche Aufnahmeeinrichtung in ihrer Gebietskörperschaft zu unterstützen und zusammen mit uns einzurichten. Mein Haus arbeitet mit Hochdruck daran, eine ganze Reihe dieser Einrichtungen in neuen Städten an neuen Standorten zu realisieren.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6674 – Neudruck – an den Innenausschuss federführend – sowie gemäß einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen auch an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung erfolgt dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung. Wer stimmt diesem Vorgehen zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung des Antrags einstimmig vom Landtag entschieden.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Kern das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Europa ist aktuell wieder in aller Munde. Die neue EUKommission weckt öffentliches Interesse.
Ich will hier aber nicht über Personalien diskutieren, sondern mich auf die Inhalte konzentrieren, die die neue EU-Kommission umsetzen sollte. Es täte der Europapolitik nämlich gut, wenn sie sich nicht nur bei Glühbirnen und Staubsaugern zu Wort meldet, sondern auch bei dem Thema „soziale Union“. Denn hieran entscheidet sich die Zukunft Europas – und nicht bei der Leistungsfähigkeit von Staubsaugern.
Die Menschen sind die Sonntagsreden leid. Sie wollen konkrete Maßnahmen gegen die soziale Krise sehen. Ein zentraler Debattenbeitrag wird dabei jüngst wieder diskutiert, nämlich eine europäische Arbeitslosenversicherung. Sie ist nicht nur ein wirtschaftlich notwendiges Instrument zur Stabilisierung der Eurozone, sondern auch ein Schritt in Richtung eines solidarischen, eines sozialen Europas. Wo
rum geht es dabei? – Eines vorweg: Eine europäische Arbeitslosenversicherung soll die nationalen Sicherungssysteme nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Ich nenne Ihnen drei wichtige Merkmale: Erstens. Sie ist auf kurzfristige Arbeitslosigkeit ausgerichtet. Wir sprechen hierbei von einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Zweitens. Die Voraussetzungen zum Erhalt von EU-Zahlungen müssen klar definiert sein und für alle gleichmäßig gelten. Wird also eine vorher festgelegte Schwelle der kurzfristigen Arbeitslosigkeit überstiegen, greift die europäische Arbeitslosenversicherung automatisch. Somit gibt es keine Dauerprofiteure. Das bedeutet – drittens – auch: Das System muss transparent und ohne politische Einflussnahme ausgestaltet werden.
Kommen wir nun zur Finanzierung. Wir sprechen von einem jährlichen Versicherungsvolumen von rund 55 Milliarden €. Das entspricht nicht einmal 1 % der Wirtschaftsleistung der Eurozone. Dabei ist wichtig, dass diese sozialen Kosten des Euro nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Auch der Faktor Kapital als größter Profiteur der europäischen Freiheiten muss angemessen beteiligt werden.