Protocol of the Session on September 12, 2014

Ich habe hier einen Beispielbericht aus SchleswigHolstein. Dort war man sich bewusst, dass die Probleme durch die steigenden Flüchtlingszahlen im Land zunehmen werden, und man wollte dort vorbereitet sein. Der Bericht wurde durch eine gemeinsame Initiative des Parlaments eingefordert, und es wird im Parlament auch regelmäßig Bericht erstattet. So etwas scheint in anderen Bundesländern möglich zu sein.

Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Auch nach unserer Ansicht hätten es die Kommunen leichter und die Flüchtlinge tausendmal besser, wenn wir das unsägliche Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen würden. Wir können das als kleinste Oppositionspartei aber nicht alleine tun. Aber Sie,

liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, können eine Bundesratsinitiative dazu starten. Wir unterstützen Sie dabei sehr gerne.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

In der Zwischenzeit wäre aber vielen Kommunen schon damit geholfen, wenn Sie auf eine private und kostengünstige Wohnungsunterbringung setzen würden. Dass wir dies mit unserem neuen Antrag nicht abermals fordern, sondern erst einmal nach Daten und Zahlen verlangen, liegt einzig daran, dass wir auch das nicht alleine durchsetzen können. Es gibt schon einige, die unsere Ansicht teilen, zum Beispiel die Flüchtlingsorganisationen, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen gehören auch dazu und einige Kommunen. Aber wir müssen auch die kommunalen Spitzenverbände und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD mitnehmen. Dafür brauchen wir Zahlen, schwarz auf weiß.

Ich wünsche mir konstruktive Gespräche in den Ausschussberatungen und dass wir baldmöglichst eine Bestandsaufnahme der Unterbringungssituation in Nordrhein-Westfalen haben und damit Bescheid wissen, wo bei weiter steigenden Flüchtlingszahlen Probleme bei der Unterbringung zu erwarten sind, damit wir eines nicht bekommen: Zeltstädte in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Herrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Yetim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, gestern waren wir uns darüber einig, dass wir nicht voraussehen können, welche Krisen und Kriege auf der Welt sich auch bei uns in Nordrhein-Westfalen auswirken, und dass wir mit der Situation, die in der Welt entsteht, beschäftigt sind. Flucht, Vertreibung und Elend auf der Welt sind für uns aber auch Verpflichtung zu helfen.

Die Piraten fordern in ihrem Antrag allerdings Dinge, die die Landesregierung schon lange macht oder die bereits vorhanden sind. Sie wollen eine Bestandsaufnahme, wie die Flüchtlinge in den Kommunen untergebracht sind. – Die gibt es.

Sie wollen, dass sich das Land mit den kommunalen Spitzenverbänden und anderen Akteuren zusammensetzt. – Auch das tut diese Landesregierung; denn Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Landesregierung diejenigen, die ganz nah dran sind, nicht mit an den Tisch nimmt, um mit ihnen über diese Situation zu sprechen.

Sie wollen eine Überprüfung, ob die Unterbringung in Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünften

wirtschaftliche Vorteile für die Kommunen ermöglicht. – In Nordrhein-Westfalen entscheiden die Kommunen in eigener Zuständigkeit über die Unterbringung. Bei der finanziellen Situation der Kommunen werden sich diese, wo es möglich ist, für die Unterbringung in Wohnungen entscheiden. Denn wir wissen, dass die Unterbringung in Wohnungen für die Kommunen weitaus günstiger ist als die Unterbringung in Zeltstädten oder Containern.

Ich kann über das ganz aktuelle Beispiel bei mir in Moers berichten, wo man darüber nachdenkt, entweder ein Containerdorf zu errichten oder einen Neubau hochzuziehen. An der Stelle ist das also eine ganz schwierige Diskussion für die Kommunen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Herrmann?

Herr Herrmann, bitte.

Bitte schön.

Vielen Dank. – Da Sie offensichtlich die Bestandsaufnahme haben: Können Sie mir diese Informationen geben? Die haben wir zwar angefragt, uns wurde aber gesagt, dass es sie nicht gibt. Deswegen haben wir den Antrag gestellt.

Okay. Ich gebe Ihnen gleich die Drucksachennummer. Ich habe sie nicht im Kopf.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wunderbar!)

Das können Sie haben. Es handelt sich um einen Antrag der Linken aus dem Jahr 2011. Ich habe die Drucksachennummer nicht mehr im Kopf, Herr Herrmann. Die bekommen Sie aber.

(Zuruf: Google!)

Google ist auch immer eine gute Alternative.

Wenn Sie davon sprechen, Herr Herrmann, dass die aus der Not heraus zeitweise stattfindende Unterbringung von Flüchtlingen in Containern, Schulen und Zelten eine humanitäre Katastrophe sei, dann, meine ich, verniedlichen Sie die katastrophale Situation, aus der diese Menschen kommen. Eine humanitäre Katastrophe ist für mich der Krieg, ist das Elend, aus dem diese Menschen kommen.

Die Kommunen versuchen, mit diesen Zeltstädten – von denen gibt es zehn Stück in NordrheinWestfalen – aus der Not heraus erst mal eine Unterbringung zu schaffen, die einigermaßen vernünftig ist. Wir sind uns doch einig darüber, dass wir für diese Menschen eine vernünftige Unterbringung

haben müssen. Es gibt vor Ort aber Probleme, diese Menschen unterzubringen. Zudem kann keine Kommune ernsthaft voraussehen, welche Krisen und Kriege noch auf uns zukommen. Von daher können nicht mal so eben Wohnungen bereitgestellt bzw. auf Vorrat gehalten werden. Das übersteigt, glaube ich, alle Möglichkeiten der Kommunen.

Man kann sich also vielleicht darüber beschweren, dass die Städte Zeltstädte aufbauen. Ich will Ihnen an der Stelle aber mal – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus einer heutigen Zeitung kurz die Stellungnahme des Sozialdezernenten aus Duisburg vorlesen:

„Mit der Notunterbringung befindet sich die Stadt in einer bislang ‚nie gekannten Dramatik‘. ‚Vor drei Monaten wurden uns 70 Menschen pro Monat zugewiesen, heute sind es schon 100, bald werden es 130 und mehr sein, jeden Monat neu‘.“

Das zeigt eigentlich ganz deutlich, dass die Kommunen das nicht voraussehen können, aber vor einer Situation stehen, in der sie zunächst einmal dafür sorgen müssen, dass die Menschen überhaupt ein Dach über dem Kopf haben – und das bei den Zeltstädten übergangsweise.

Dass das in Duisburg nicht nötig ist, dafür bin ich dem Duisburger Oberbürgermeister Sören Link sehr dankbar. Auch das kam aber erst, nachdem die Zeltstadt stand.

Deswegen fordere ich an der Stelle alle Akteure, die da irgendwie unterwegs sind, die Wohnungen zur Verfügung haben – das sind insbesondere christliche Gemeinden –, auf, diese nicht erst dann zur Verfügung zu stellen, wenn es schon passiert ist, sondern schon vorher. Auch private Vermieter könnten sagen: Ich habe Wohnungen, die gebe ich der Stadt gerne für die Unterbringung der Flüchtlinge. – Das sollte also schon vorher passieren und nicht erst, wenn die Zeltstadt steht und es in der ganzen Bundesrepublik einen Aufschrei gibt, dass vonseiten der Kommunen menschenunwürdig gehandelt werde. Das tun sie nicht. Ich glaube, dass in den Kommunen – so, wie ich sie kennengelernt habe – die Einsicht besteht – genauso wie bei Ihnen und bei uns auch –, dass wir für die Menschen vernünftige Unterbringungsmöglichkeiten schaffen sollten.

Eine entscheidende Lösung für viele Probleme in diesem Bereich – das hatten wir gestern und heute auch noch mal angesprochen – ist die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Sie haben RotGrün da an Ihrer Seite – ganz sicher. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Güler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht schön, den Antrag der Piraten zu lesen – nicht etwa, weil er schlecht geschrieben, überzogen oder sonst irgendwie daneben wäre. Nein. Er ist deswegen nicht schön, weil er ein Stück weit uns allen – dem Land, den Kommunen, aber in gewisser Weise auch der Landesregierung – den Spiegel vorhält.

Keinem von uns kann diese Konfrontation mit unserer Flüchtlingsrealität gefallen. Ich gebe Herrn Yetim an dieser Stelle recht. Auch ich möchte kein Kommunal-Bashing betreiben. Uns allen ist klar, wenn wir über dieses Thema sprechen, dass sich die Kommunen bemühen und dass man ihnen nicht pauschal vorwerfen darf oder kann, dass sie nicht die nötigen Anstrengungen unternehmen würden, um Menschen würdig unterzubringen.

Ich sehe die Situation vor Ort in Köln und weiß, in welch schwieriger Lage sich diese Kommune befindet. Es ist beileibe nicht einfach, alle der Stadt zugeteilten Flüchtlinge würdig unterzubringen. Oft ist auch die Kölner Notlösung – die Unterbringung in Hotels – alles andere als optimal. Wer sich diese Hotels mal von innen angeschaut hat, weiß, dass ich da nicht von einer Luxusunterbringung spreche.

Dass die Stadt Duisburg nun aber sogar eine Zeltstadt aufgestellt hat, ist für mich unvorstellbar. Ich kann verstehen, dass Länder wie der Libanon oder die Türkei Zeltstädte errichten. Das verstehe ich nicht nur deswegen, weil das Wetter dort besser ist. Vielmehr haben diese Länder Millionen Menschen aufgenommen, die dorthin geflüchtet sind. Das würde jedes Land überfordern. Für das Industrieland Nummer eins allerdings, für das Land, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit am Mittwoch in der Generaldebatte überdeutlich herausgestellt wurde, ist es alles andere als würdig, wenn Kommunen so weit gehen und Flüchtlinge in Zelten unterbringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss andere Wege geben, diejenigen unterzubringen, die Schutz bei uns suchen. Ich freue mich darüber, dass auch Innenminister Jäger gestern hier im Plenum zugestanden hat, dass er diese Art der Unterbringung für nicht menschenwürdig hält. Ich hätte mir allerdings gewünscht, wenn Herr Minister Jäger als SPDParteichef in Duisburg auch verhindert hätte, dass dort überhaupt Zelte stehen, auch wenn es jetzt Gott sei Dank gar nicht dazu kommt, dass in diese Zelte Flüchtlinge einziehen. Aber die hätten da meiner Meinung nach erst gar nicht stehen dürfen.

Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Innenminister Jäger das mit derselben Leidenschaft seinem Oberbürgermeister in Duisburg klargemacht hätte, wie er das einem Oberbürgermeister Sauerland

klargemacht hätte. Vielleicht war der Entschluss des Duisburger Oberbürgermeisters, eine Zeltstadt für Flüchtlinge zu errichten, aber auch nur ein Zeichen an das Land, ein Zeichen, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit dieser Stadt erreicht sind.

In den Ausschussberatungen werden wir über den Forderungskatalog der Antragsteller sprechen können. Manche Forderungen sind meines Erachtens auch durchaus unterstützenswert, beispielsweise die dezentrale Unterbringung.

Ja, Herr Yetim, auch hier haben Sie recht, was die dezentrale Unterbringung betrifft. Das entscheiden die Kommunen selbst, denn bei uns herrscht die kommunale Selbstverwaltung. Das entbindet das Land aber nicht von seiner Verantwortung, den Kommunen dabei zu helfen, dieses Modell vor Ort stärker zu forcieren. Das könnte das Land durchaus tun. Deshalb halte ich diese Forderung auch für unterstützenswert.

Ich freue mich auf die Auseinandersetzung im Ausschuss und hoffe im Sinne der Menschen, die zu uns kommen, dass wir hier gemeinsam das Beste herausholen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Güler. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines ist klar, nämlich dass die Analyse zur Situation der Erstaufnahme durch das Land in weiten Teilen erst einmal richtig ist und man hier nichts schönreden kann, weil die vorgesehenen geregelten Abläufe auch absehbar nicht herstellbar sind und wir zumindest in diesem Winter davon ausgehen müssen, dass wir auf Notunterkünfte zurückgreifen müssen.

Man muss auch sagen, dass der Durchlauf in den Aufnahmeeinrichtungen aufgrund der fehlenden Kapazitäten zu schnell geht, um die ankommenden Flüchtlinge hier angemessen zu beraten und zu klären, ob beispielsweise besondere Schutzbedürftigkeiten vorliegen.

Wir Grünen stimmen auch zu, dass man perspektivisch gesehen das Aufnahmeverfahren neu konzipieren muss oder zumindest darüber diskutieren muss. Vor allem müssen wir die Frage diskutieren, ob wir auch weiterhin eine Zweistufigkeit mit der Erstaufnahme und der sogenannten zentralen Unterbringungseinrichtung brauchen.

Aber – das ist hier in den Debatten auch schon angeklungen – der zentrale Punkt, über den wir heute diskutieren und diskutieren müssen, sind die fehlenden Immobilien, die fehlenden Wohnungen, in denen Menschen anständig und menschenwürdig untergebracht werden können.

Allerdings muss man leider sagen, dass man weder mit Ihrem Antrag noch mit einigen Debattenbeiträgen, die bisher schon gekommen sind, eine Lösung schaffen wird. Das Problem der fehlenden Unterbringungseinrichtungen besteht ja weiterhin.