Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Nächster Redner ist für die Piratenfraktion Herr Kollege Lamla.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf den Tribünen, zu Hause im Stream und später auf YouTube! Nach Monaten, wenn nicht sogar nach Jahren des Wartens und vielen vielversprechenden Zwischenmeldungen ist das Kulturfördergesetz endlich da.
Einmalig ist es in Deutschland, so hört man es immer wieder von der Regierungsbank und aus den rot-grünen Fraktionen schallen. – Ja, es ist einmalig, einmalig kraftlos. So sinnvoll die gesetzliche Absicherung und Definition der Kunst- und Kulturlandschaft ist, so schwach ist dieser Regierungsentwurf. Denn über den vielen gutgemeinten Worten – Herr Prof. Sternberg hat das schon umfangreich ausgeführt – steht der Haushaltsvorbehalt. Wir entnehmen der Einleitung – zwecks besserer Verständlichkeit ohne all die Füllwörter –: Dieses Gesetz begründet keine Ansprüche auf Landesförderung – Punkt.
An dieser Stelle könnte ich meine Rede beenden, denn mich deucht, hier wirft ein verfassungsrechtlicher Hirnfurz seine dunklen Schatten, sprich: die Schuldenbremse, auf die Kunst- und Kulturlandschaft in NRW voraus.
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, sich einer Begrifflichkeit zu befleißigen, die dem parlamentarischen Comment und dem Thema „Kultur“ entspricht?
Ja, Herr Präsident. Ich möchte korrigieren: eine verfassungsrechtliche Flatulenz namens Schuldenbremse.
Aber nicht nur die Frage der Finanzierung prüft den politischen und gesellschaftlichen Stellenwert der Künste und Kultur in NRW. Es sind auch internationale Bedrohungen vorhanden, zum Beispiel die durch das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP oder die durch das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA. Just heute wurden
knapp 1.600 Seiten geheimer CETA-Dokumente auf netzpolitik.org veröffentlicht. Die in CETA enthaltenen Bestimmungen – besonders im Bereich des Urheberrechts – sind nicht nur problematisch, sie sind auch besorgniserregend und werden, sofern sie umgesetzt werden, auch für uns in NRW relevant.
Meine Damen und Herren, Kunst setzt eines voraus: die Kreativität des Einzelnen. An dieser Stelle frage ich mich, wie es um die Kreativität in unserem Land bestellt ist. Edward Snowden hat uns nicht zuletzt gezeigt, welches Ausmaß die systematische Überwachung der Menschen in unserem Land hat.
Ich muss mich zwangsläufig fragen: Wie sieht die freie Entfaltung der Menschen in einer vollständig überwachten Gesellschaft aus? Wie wird Kreativität freigesetzt, wenn die Kreativen ständig mit der berühmten Schere im Kopf leben und befürchten müssen, dass ihr künstlerisches Werk oder eine künstlerische Äußerung dazu führen kann, politisch geächtet zu werden? Wenn wir uns als Parlament über ein Gesetz zur Förderung und Entwicklung von Kunst und Kultur unterhalten, dann sollten wir auch darüber reden, welche Rahmenbedingungen wir setzen, damit dies in Zukunft überhaupt noch möglich ist.
Mit diesen Worten möchte ich meine Rede beenden. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Frau Ministerin Schäfer zu Wort gemeldet.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich nutze die restliche Redezeit, um Sie alle noch mal zum Dialog einzuladen. Ich kann zwar verstehen, dass die Oppositionsparteien sich durchaus kritisch gegenüber der Regierung und den regierungstragenden Fraktionen äußern, aber es beruhigt mich etwas, dass dieses Gesetzesvorhaben in der kulturpolitischen Szene, in der kulturfachlichen Szene überwiegend begrüßt wird.
Herr Prof. Sternberg, wir hätten uns natürlich alle noch mehr wünschen können. Aber allein der Prozess, der die Entstehung dieses Kulturfördergesetzes begleitet hat, war ein Wert an sich. Ich weiß nicht, wie Sie es wahrgenommen haben: Es ist im Lande an verschiedenen Stellen, an verschiedenen Orten eine Diskussion über die Kultur entstanden, die auch weitergehen wird und die sehr wertvoll ist, weil sie den Fokus auf den wichtigen Bereich Kunst und Kultur in unserem Land gelenkt hat. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie das gemeinsam mit uns weitertragen würden, denn es hilft der Kunst und der Kultur.
Frau Schmitz, Sie haben gesagt, dass man die Zweckfreiheit der Kunst nicht im Gesetz wiederfindet. Dazu möchte ich eine Anmerkung machen. Die Freiheit der Kunst ist in unserem Grundgesetz verankert. Aber man muss sich sehr wohl Gedanken darüber machen, dass das ein praktisch nicht zu definierender Rechtsbegriff ist. Deswegen haben wir auch keine Legaldefinition des Begriffes „Kunst“ in das Gesetz aufgenommen.
Aber – das ist mir ganz wichtig zu sagen – an allen Stellen im Gesetz gibt es die Möglichkeit des Experimentellen. Das heißt, der Freiheit der Kunst ist durch dieses Gesetz keinerlei Schranke auferlegt. Das würden wir auch niemals tun; das habe ich immer deutlich gemacht. Das ist mir ein Herzensanliegen.
Im Übrigen hat das Gesetz eine Verbindlichkeit, und alles, was dieses Gesetz begleitet, ist finanziell hinterlegt. Es gibt einen verlässlicheren Rahmen als vorher. Zumindest mir wird berichtet, dass das Gesetz sehr positiv aufgenommen wird, auch was die Vereinfachung der Förderinstrumente angeht. Die gibt es in der Tat, und das ist in diesem Gesetz auch nachlesbar. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6637 an den Ausschuss für Kultur und Medien – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Abgeordneten Herrmann sehr gerne das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal, im Stream und natürlich auch nachher auf YouTube – oder wo auch immer diese Aufzeichnungen verwertet werden! Wir haben uns schon gestern und heute Morgen über die katastrophale Situation rund um die Flüchtlingsaufnahme in Nordrhein-Westfalen ausgetauscht. Einige Unterschiede zwischen unseren Vorschlägen, damit umzugehen, und denen der FDP und der Landesregierung habe ich dabei schon ausgeführt.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir wollen die Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme entlasten, und wir wollen, dass die Perspektive der Flüchtlinge viel mehr Berücksichtigung findet, als das derzeit der Fall ist. Der Schutz der hilfesuchenden Menschen muss im Vordergrund stehen. Wir müssen in der Asylpolitik weg vom Gedanken der Abschreckung, und zwar auf allen Ebenen: in der Kommune, im Land und im Bund.
Mit den vermutlich mehr als 40.000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen zu erwarten sind, und den voraussichtlich weiter steigenden Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 werden wir nur fertig, wenn es endlich ein tragfähiges und nachhaltiges Konzept zur Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden gibt, das auch den Anforderungen des Grundrechts auf Asyl entspricht.
Unser heutiger Antrag „Keine Zeltstädte in NRW“ steht daher auch im Zusammenhang mit unserer Forderung nach einer Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme in Nordrhein-Westfalen: hin zu einer
Denn die Lage in Nordrhein-Westfalen ist nicht erst seit gestern dramatisch. Dabei sehen wir die Anstrengungen, die die Landesregierung zurzeit unternimmt, um Notplätze zu errichten, durchaus.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch einmal sehr herzlich bedanken bei allen Mitarbeitern und Ehrenamtlern, die sich zurzeit in den Unterbringungseinrichtungen um die Nöte der Flüchtlinge kümmern. Diese Menschen verausgaben sich, um den Menschen in Not in diesem Chaos irgendwie zu helfen.
Ich muss aber leider auch sagen, dass Flüchtlinge schon seit Jahren oft nur stiefmütterlich und notdürftig versorgt werden. Containerdörfer, Hotelunterbringungen, Notunterkünfte in Schulen und stillgelegten Schrottimmobilien gibt es nicht erst seit heute. Städte mit menschenwürdigen Unterbringungskonzepten wie Münster, Köln, Wuppertal, Lünen und Leverkusen bilden doch immer noch die Ausnahme. Es hätte daher längst Vorgaben der Landesregierung für die Unterbringung geben müssen – Konnexität hin oder her. Ich sagte es schon gestern: Menschenwürde ist kein Deutschen-Recht.
Für die nahe Zukunft sehe ich wiederum schwarz, denn der Winter steht vor der Tür, und wenn schon ein paar Fälle von Masern das System zum Kollabieren bringen, sind Zeltstädte möglicherweise nicht auszuschließen. Die Wirkung wäre aber fatal, weil dadurch Ressentiments in der Bevölkerung geschürt würden. Wir müssen aber unbedingt verhindern, dass sich Ereignisse wie die in Rostock, Mölln und Solingen wiederholen.
Der Eindruck einer nicht beherrschbaren Flüchtlingswelle – die ja überhaupt nicht da ist – sollte nicht künstlich herbeigeführt werden. Deshalb fordern wir eine Bestandsaufnahme. So etwas haben andere Bundesländer übrigens schon gemacht: um sich ein Bild von den Möglichkeiten zu verschaffen und genau zu wissen, wo die Probleme liegen.
Ich habe hier einen Beispielbericht aus SchleswigHolstein. Dort war man sich bewusst, dass die Probleme durch die steigenden Flüchtlingszahlen im Land zunehmen werden, und man wollte dort vorbereitet sein. Der Bericht wurde durch eine gemeinsame Initiative des Parlaments eingefordert, und es wird im Parlament auch regelmäßig Bericht erstattet. So etwas scheint in anderen Bundesländern möglich zu sein.