Sie fordern uns auf, mal den Koalitionsvertrag zu lesen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle gerne sagen, dass wir den durchaus gelesen haben. Wir haben aber auch Ihren Antrag gelesen. Und darin ist ein Satz – da werden Sie sich jetzt wundern –, der das, was ich gerade beschrieben habe, noch einmal auf den Punkt bringt. Ich glaube, wir würden Ihnen da sogar zustimmen. Ich weiß nicht, ob der Verkehrsminister oder die Frau Ministerpräsidentin das schon gelesen haben. Da steht nämlich, dass die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsprobleme nur auf Bundesebene gelöst werden können. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist doch die Bankrotterklärung Ihrer Politik. Sie wissen nicht mehr, wie Sie das machen sollen.
(Jochen Ott [SPD]: Das ist doch lächerlich! Sie haben gar keine Ahnung von der Ver- kehrsfinanzierung! Kommen Sie mal in den Verkehrsausschuss!)
Ja, genau, das ist lächerlich, Herr Kollege! Auf Bundesebene müssen Sie das lösen, weil Sie hier keine Kompetenz haben.
Ich komme jetzt zu dem Punkt, dass Sie gesagt haben, ich würde hier Quatsch reden. Wenn Sie das meinen, werde ich Ihnen das mal darlegen.
Aber das, worüber wir im Moment diskutieren, das, was vom Bundesverkehrsministerium vorgelegt wurde, nämlich die Pläne einer allgemeinen ausnahmslosen Infrastrukturabgabe zur Nutzung des deutschen öffentlichen Straßennetzes, ist für uns kein überzeugendes Konzept. Es ist eine falsche Lösung, und – das ist auch der Kern der Debatte, die wir hier angestoßen haben – es ist zudem Gift für ganze Regionen in Deutschland und insbesondere für uns in Nordrhein-Westfalen. Vor allem ist noch völlig offen, ob durch diese Mautpläne überhaupt ausreichend Mittel für Verkehrsinvestitionen zusammenkommen.
Unsere niederländischen Nachbarn haben dafür einen Spruch: Het soup ist de kool niet ward. – Die Brühe ist den Kohl nicht wert. Das sagen unsere niederländischen Nachbarn zu einem solchen Konzept, dessen großer Aufwand für den Ertrag viel zu hoch ausfällt. Es ist also das erste, das gesichert sein muss. Für eine Handvoll Euro lohnt sich der angekündigte bürokratische Aufwand in keiner Form.
Meine Damen und Herren, doch unsere Sorgen gehen weiter. Wir haben sie formuliert, und es hat auch etwas genutzt. Eine allgemeine Infrastrukturabgabe, die die besonderen Situationen unserer Grenzregionen und Euregios nicht berücksichtigt,
ist nach Auffassung der CDU-Fraktion regional-, wirtschafts-, verkehrs- und auch europapolitisch eine erhebliche Belastung. Ich war schon verwundert, dass Sie die Begriffe in den Mund genommen haben, die mich in dieser Sommerpause sehr aufgeregt haben. Deswegen ist es kein Sommertheater, das hier gespielt wird, es ist keine Folklore, sondern es ist richtig und wichtig, dass hier die Interessen der Grenzregion artikuliert werden.
Hören Sie zu. Ich möchte Ihnen einmal an ein paar Zahlen die Sorgen der Menschen belegen. Die Industrie- und Handelskammer hat es grob ausgerechnet. Für die Region Aachen bedeutet es allein im Einzelhandel einen Umsatz von über 300 Millionen € jährlich durch belgische und niederländische Kunden. Das bedeutet im Tourismus 2,5 Millionen niederländische und belgische Tagesgäste, die in
die Aachener Region kommen und durchschnittlich 25 € ausgeben. Das heißt, dass dieser Region über 60 Millionen € jährlich an Kaufkraft fehlen. Es ist nicht nur in Aachen so, sondern an der ganzen Grenze. Das müssen Sie doch in Ihrer Argumentation berücksichtigen. Aber kein Wort dazu. Sie nutzen das, um noch einmal die grundlegende Diskussion über den Haushalt zu führen, anstatt sich der Sorgen und Nöte der Menschen anzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der „kleine Grenzverkehr“ ist eben nicht nur ein geflügeltes Wort, sondern er ist für die Regionen eine Lebensader. Hier wieder Hürden in Form von Plaketten aufzubauen, das konterkariert unserer Ansicht nach sämtliche Bemühungen der letzten Jahre, das Leben in den grenzübergreifenden Regionen zu erleichtern.
Dabei haben wir die Probleme des Arbeits- und Ausbildungsmarkts vereinfacht, wir haben Bürokratieabbau betrieben, wir haben die Vereinfachung der Besteuerung gemacht. Wir wollten das Europa der Regionen, und zwar parteiübergreifend. Mit dieser Maßnahme, die so geplant ist, konterkarieren wir alles, was wir eingeführt haben.
Meine Damen und Herren, man kann – das möchte ich an der Stelle sagen – natürlich probieren, ein sogenanntes Gerechtigkeitsproblem im Süden der Republik zu schließen, aber dann darf es nicht so sein, dass im Westen, dass bei uns mit dieser angeblichen Gerechtigkeitsproblematik neue Lücken aufgerissen werden. Das müssen wir verhindern. Wir würden uns wünschen, dass Sie unserem Antrag zustimmen.
Ich kann die Sorgen und Nöte der Menschen, die mir in der Grenzregion vorgetragen werden, nur ernst nehmen. Wir werden am Samstag – dazu lade ich jeden herzlich ein – an der Grenze in Herzogenrath und Kerkrade gegen diese Maßnahmen demonstrieren. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir auf den Koalitionsvertrag achten, aber nicht in der Form, wie er die Grenzregion so nachhaltig beeinflusst. Wir wollen nicht mit vier oder fünf Plaketten herumfahren, die uns den Alltag erschweren, nicht nur wenn wir in den Urlaub ans Mittelmeer fahren. Es ist unsere Lebensgrundlage, und es kann nicht sein – wie Herr Minister gesagt hat –, dass eine Benachteiligung der Menschen in den Grenzregionen auftritt, sondern wir wollen unseren europäischen Alltag so weiterleben, wie wir ihn in den letzten Jahren aufgebaut haben.
An der Stelle muss ich erwähnen, dass hier natürlich die Bundesregierung sowie die Landesregierung gefragt sind. Wir sind nicht nur mit den Beneluxstaaten in nachbarschaftlicher Verbundenheit, sondern wir sind auch als Land NordrheinWestfalen in den Staatsvertrag eingetreten. Deshalb
kann ich nur appellieren, dass sich alle verkehrspolitischen maßgebenden Leute über die Grenzen hinaus zusammensetzen und ein Konzept entwickeln, dass über die Grenzen hinweg auch funktioniert. Das ist notwendig für uns, das ist notwendig für einen Wirtschaftsraum in einem Europa der Regionen.
Meine Damen und Herren, ein Zurück zu dem Europa der Zollabgaben und Schlagbäume darf es nicht geben. Eine PkwMaut auf Autobahnen ist – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – vertretbar, wenn die besondere Situation und die besonderen Belange der Grenzregionen in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt werden. Ich bitte Sie daher nachdrücklich: Stimmen Sie unserem Antrag zu und verfallen Sie nicht in die übliche Thematik, den Haushalt und die Probleme von Nordrhein-Westfalen auf die Bundesebene zu schieben, sondern arbeiten Sie mit uns an einer Lösung. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmitz, Sie haben hier eher eine Rede als grenzpolitischer Sprecher gehalten, aber nicht unbedingt zur Sache in der Verkehrspolitik.
Ich werde dennoch auf ein paar Argumente, die Sie angeführt haben, eingehen und deutlich machen, weswegen wir Ihren Antrag ablehnen müssen, und noch einmal für unseren Generalantrag werben, weil Sie sich im Kern nur mit einem ganz kleinen Teilaspekt einer Diskussion befassen, mit der PkwMaut für Ausländer, mit Eckpunkten.
Damit greift Ihr Antrag deutlich zu kurz. Sie betrachten hier einen kleinen Ausschnitt aus einer sehr vielschichtigen Diskussion. Sie verstellen damit den Blick für die wesentlichen Fragen und legen einen
Deswegen – da bin ich mir sicher – wird die Diskussion bald etwas ruhiger geführt werden können. Sie müssen sich einmal die Frage stellen, warum Sie diese ganzen Aspekte, die Sie jetzt hier anbringen, nicht einmal in die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene eingebracht haben.
Wo waren Sie da mit Ihren Argumenten? Warum haben Sie, Herr Laschet, Ihrer Schwesterpartei, Ihrer CSU, nicht einmal gesagt, was Ihre Auffassung zu dem ganzen Thema ist? Die Signale, die Sie heute senden, sollten Sie einmal an Ihre Schwesterpartei CSU senden; da wären sie besser aufgehoben als hier.
Die Sturheit der CSU und von Minister Dobrindt in dieser Frage erinnert ein Stück weit an die Satire „Ein Münchner im Himmel“ – Sie kennen das Stück alle –, in dem Aloisius auf der Wolke „Halleluja“ schreit und die Leute genervt sind. Deswegen wir er dann als Bote des Himmels mit wichtigen göttlichen Eingebungen an die Landesregierung geschickt, aber kommt dort nie an, weil er diesen Brief im Hofbräuhaus vergisst und ihn nicht weiterträgt. Deswegen muss in diesem Brief auch etwas zur Pkw-Maut gestanden haben. Denn viele Dinge sind bei der CSU bis heute nicht angekommen.
Denn wenn es angekommen wäre, meine Damen und Herren, hätten Seehofer und Co. vielleicht auch die Einsicht, dass eine Pkw-Maut europarechtlich nicht ganz einfach ist. Selbst wenn es vertretbar wäre, es hat Auswirkungen auch auf die anderen Länder. Wenn dieser Damm erst einmal bricht: Was wird denn dann in Belgien und auch in den Niederlanden passieren? Natürlich werden sie dort Ähnliches für uns einführen.
Es fehlt bei Seehofer und Co. auch die Einsicht, dass diese Pkw-Maut keinen substanziellen Beitrag zur Einnahmeseite leisten wird. Kosten für die Erhebung werden den geringen Einnahmen gegenüberstehen und, wie der Bundesfinanzminister jüngst errechnet hat, möglicherweise auch noch darüber hinausgehen.
Meine Damen und Herren, volkswirtschaftlicher Schaden droht – in der Tat, Herr Schmitz, da haben Sie ein paar Aspekte aufgeführt, die richtig sind. Aber wieso sollten wir uns länger mit diesem unausgereiften Vorschlag des Bundesverkehrsministers beschäftigen? Die Pkw-Maut für Ausländer ist vielleicht geeignet, ein politisches Sommerloch aufzufüllen, aber sie füllt kein einziges Schlagloch in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.
Deswegen lehnen wir auch den Antrag von der FDP ab. Wir springen nicht über jedes verkehrspolitische Stöckchen, Herr Lindner, das Sie uns hinhalten. Wir behalten den Blick für das Wesentliche, und wir werden deshalb unseren Blick noch einmal auf den Generalantrag richten, den wir Ihnen vor der Sommerpause, lange vor dem Theater, das Sie selbst veranstaltet haben, vorgelegt haben. Sie hätten sich ja da einbringen können und mal die Frage beantworten können: Was wollen Sie eigentlich auf Bundesebene erreichen? Wollen Sie da nur APO spielen, oder wie wollen Sie die 7,2 Milliarden € tatsächlich erwirtschaften? Das geht nur mit den Vorschlägen, die eine breite fachliche Öffentlichkeit auch trägt, nämlich die Vorschläge der Daehre-Kommission und Bodewig-Kommission.
Herr Minister Groschek hat hier noch einmal im Detail dargelegt, wo man den Schlüssel ansetzen muss. Wir dürfen nicht den Blick allein auf die Autofahrer richten, sondern insbesondere auf die Lastkraftwagen. In der Tat ist es so, dass das Verursacherprinzip sehr viel stärker zur Geltung gebracht werden muss. Es kann nicht sein, dass Lkws zwischen 3,5 t und 12 t überhaupt nicht zu einer Maut herangezogen werden, obwohl sie maßgeblich dazu beitragen, dass unsere Infrastruktur sehr stark verschlissen wird.
Um ein vernünftiges Erhebungssystem zu erhalten, muss man sich dann Gedanken darüber machen: Wie kommt man an Toll Collect heran? Wie kann man das vernünftig steuern und erheben? Auch da denken Sie offensichtlich weiter an „Privat vor Staat“. Wir nicht! Wir sind der Auffassung, das muss der Staat an sich ziehen, um eine vernünftige neue Struktur herstellen zu können.
Vielleicht kann man sogar Knowhow aus NordrheinWestfalen heranziehen. Wir alle wissen, dass hier ganz in der Nähe Unternehmen tätig sind, die solche Erhebungssysteme haben.
Kurzum, meine Damen und Herren, wir wollen, dass unser Generalantrag noch einmal das Wesentliche hervorbringt. Wir unterstützen damit die Forderungen der Landesregierung, die sie im Bund erhebt, und auch die aller Landesverkehrsminister, sogar teilweise einschließlich des aus Bayern. Sie führen hier Schattengefechte zu einer überflüssigen PkwMaut.
Wir wollen Sie auffordern: Kommen Sie doch der Einladung von Herrn Ott nach und tragen Sie heute unseren Antrag gemeinsam mit! Dann ist für uns aus Nordrhein-Westfalen in Berlin viel bewegt. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben jetzt drei Abstimmungen durchzuführen, erstens über den Antrag von CDU und FDP Drucksache 16/6631. Direkte Abstimmung ist beantragt. Wer stimmt also diesem Antrag zu? – CDU, FDP, Herr Stein (frakti- onslos) und die Fraktion der Piraten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Nach meinem Auge war die Mehrheit gegen den Antrag; er ist abgelehnt.