Protocol of the Session on September 10, 2014

Vorschlag, der keine erkennbaren Funktionen hat,

der weder innovativ ist, noch die Komponenten irgendwie intelligent zusammenbringt. Er hat Tausende Konstruktionsfehler: Lkw dürfen mautfrei durch Dörfer brettern, während Pkw die Citymaut zahlen. Fahrzeuge zwischen 3,5 t und 7,5 t bezahlen gar nichts. Dieselfahrzeuge zahlen mehr. Das alles ist total unausgegoren.

Dass inländische Bürgerinnen und Bürger damit nicht mehr belastet werden, endet spätestens dann, wenn sie in Belgien, in den Niederlanden oder in Dänemark zahlen müssen. Außerdem ist jeder KfzSteuer-Euro für die Verwaltung diese Bürokratiemonsters ein Euro, der garantiert nicht in die Verkehrsinfrastruktur fließt.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Gleich mehrere Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, die Dobrindt-Maut würde selbst für den Betreiber zum Minusgeschäft: weniger Einnahmen statt mehr. Das kenne ich doch aus dem Bundeskoalitionsvertrag: Aus 5 Milliarden € zusätzlich für die Infrastruktur werden, wenn man nachrechnet, 1,7 Milliarden € weniger.

Ich komme mit einem Appell an Minister Groschek zum Schluss: Ich möchte nicht, dass Sie wie Sigmar Gabriel abwarten, bis die CDU die Maut auseinandernimmt. Ich möchte nicht, dass wir abwarten, bis die EU die Mautpläne kippt. Ich möchte, dass alle Bundesländer die zahlreichen Konstruktionsfehler aufdecken, auf den Tisch legen und wir gemeinsam in Deutschland die Dobrindt-Maut ihrer Unzulänglichkeit wegen implodieren lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Bayer. – Nun spricht zu uns der Landesverkehrsminister, Herr Groschek.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Bayer, schau‘n mer mal. Grundsätzlich ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn Verkehrspolitik in diesem Haus auch zur Chefsache wird, aber manchmal ist das eher ein Surfen auf der Welle denn „Chef“ und „Sache“.

Herr Laschet, bei Ihnen fällt mir Folgendes ein: Die Bundesregierung hat die Mittel für Lärmschutz verdoppelt; das ist richtig. Es war Ihr Steckenpferd, das CSU-Steckenpferd, das Sie am Halfter in den Berliner Stall geführt haben. Das war kein sozialdemokratisches Steckenpferd. Deshalb ist der Mist, den dieses Pferd im Stall hinterlässt, Ihrer und nicht unserer.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und Mi- nisterpräsidentin Hannelore Kraft – Zurufe von der CDU)

Bei Herrn Lindner hat man gesehen: Investition in Bildung zahlt sich aus. Warum? Weil Herr Lindner die Investition in Schmid Mobility hier jedenfalls über weite Strecken in Sachkenntnis umgesetzt hat, was das Zahlenwerk und die Finanzierungsgrundlagen angeht.

(Heiterkeit und Beifall von Reiner Breuer [SPD])

Da sollten wir jetzt weitermachen.

(Beifall von Reiner Breuer [SPD])

Deutschland ist wach geworden. Vor zehn Jahren war die gleiche Erkenntnis vorhanden, aber niemand hat sie zur Kenntnis genommen. Das war so ein Schubladenpolster. Erst die neuen Gutachten – Daehre und Bodewig – haben zusammen mit der Leverkusener Brücke – das war in Wirklichkeit der Pisa-Schock in Spannbeton – dazu geführt, dass die Öffentlichkeit und die öffentliche Meinung mobilisiert wurden und die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik auf der Hitparade der Politik weiter oben gelandet ist. – So weit, so gut.

Jetzt haben wir mit Daehre und Bodewig so etwas wie ein Kursbuch, einen Fahrplan, wie es eigentlich sein müsste, um Straße, Schiene, Wasserstraße zu ertüchtigen. Die Große Koalition hat keinen ganz großen Wurf hingekriegt, aber immerhin einen ersten Schritt: Statt 7,5 für ein Jahr 5 für vier Jahre.

Und Dobrindt hat eines geschafft: die Wende zum Besseren beim Denken. Er hat nämlich mit aufgegriffen und mit durchgesetzt, dass künftig mehr als zwei Drittel aller Bundesverkehrsinvestitionen in den Erhalt und nicht in den Neubau fließen. Er lernt am schlechten Beispiel Ramsauers, der einen Schuldenberg von 1,5 Milliarden € hinterlassen hat, weil er begonnene Baustellen nicht durchfinanziert hatte, sodass Dobrindt jetzt mit nicht vorhandenem Geld diesen Schuldenberg in Beton abtragen muss. Das ist unter Dobrindt besser als unter Ramsauer.

Ich finde, wir müssen heute einen Punkt abräumen, der die Menschen immer wieder irritiert: dass beim Thema „Maut“ offensichtlich mehr gemauschelt als Klartext gesprochen wird. Herr Bayer, versuchen wir mal darzustellen, worum es eigentlich geht.

Wir müssen die Lkw-Maut verbreitern und vertiefen; denn nur das ist verursachergerecht. Man kann dem Chef von Hermes Deutschland nur zustimmen, der in der „Welt am Sonntag“ sagte: Erstens bin ich dagegen, dass Retouren kostenlos sind, also der Verkehr kostenlos Schäden verursachen kann. Und zweitens bin ich grundsätzlich dafür, dass Schäden durch den beseitigt werden, der sie verursacht hat. – Übersetzt heißt das: Natürlich müssen die Lkws und nicht die Pkws bemautet werden. Polo und Porsche machen die Brücken nicht kaputt, sondern die Lkw-Verkehre. Klare Sache!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- nisterpräsidentin Hannelore Kraft)

Herr Dobrindt ist kein Dummkopf. Er weiß, dass die vorgeschlagene Maut maximal 200 Millionen € netto bringt. Warum macht er das dann? Als Generalsekretär hat er diese Nummer geritten, weil man in Bayern damit Landtagswahlen trotz Verwandtschaftsaffäre gewinnen kann;

(Zurufe von der CDU)

denn die Bayern ärgern sich über die Maut in Österreich. Damit kriegt man jeden Bayern hinterm Ofen hervor. Das haben wir bei der Landtagswahl erlebt.

In Deutschland ist das anders. In Deutschland hat die Mautdiskussion eine andere, türöffnende Funktion.

(Beifall von der SPD – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Den Rest von Deutschland meinst du!)

Ja, ich meine jetzt national. Regional – Stammtisch, national – andere Funktion. Dies ist in Teilen schon angesprochen worden.

Wir erheben in Wirklichkeit ja keine Ausländermaut. Das ist eine Chimäre, die durch die Presselandschaft getrieben wird. Wir erheben eine allgemeine Maut für Deutsche und alle anderen, die unsere Autobahnen und Straßen benutzen. Das Versprechen ist nur: Sie bleibt für die Deutschen kostenlos.

Ich empfehle da einfach, an die Erfahrung als Vater oder Mutter bei einer Autoreise zu denken. Die Kinder sitzen hinten im Kindersitz und fragen ständig: Wie lange denn? Wie lange denn? – Genauso kann man Dobrindt und andere fragen: Wie lange wird das denn für Deutsche kostenlos sein? Es glaubt kein Mensch, dass das eine Wahlperiode überdauert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb ist die Pkw-Maut der Einstieg in eine ganz andere Finanzierungsstruktur in Deutschland. In Wirklichkeit streiten wir anhand dieses Popanzes darüber, ob staatliche Verantwortung für Infrastruktur erhalten bleibt oder ob Infrastruktur privatisiert wird. Ich finde, wir in Nordrhein-Westfalen haben mit unserer Erfahrung mit „Privat vor Staat“ als Holzweg eine ganz besondere Verantwortung in dieser Diskussion.

(Beifall von der SPD)

Jetzt muss man auseinanderhalten, worüber auch in Berlin nachgedacht wird. Schäuble denkt weiter. Warum denkt er weiter? Weil er nicht daran denkt, mit einer staatlichen Gesellschaft privates Geld einzusammeln. Solche Hinweise gibt es von Gabriel und anderen. Es gibt einen Vorschlag der Grünen aus dem Bundestag, eine staatliche Gesellschaft zu gründen und diese privates Kapital einwerben zu lassen. Schäuble denkt aber vielmehr daran, dass ganze Anteile des Bundesautobahnnetzes privatisiert oder für 30 Jahre verleast werden. Das wäre

also eine Versteigerung der Autobahnnetze analog der damaligen Versteigerung der Mobilfunklizenzen.

Zahlen soll das dann natürlich der Nutzer, also auch der deutsche Autofahrer-Michel. Dem wird dann gesagt: Wir können doch nichts dafür! Das ist der böse Private, der jetzt die Maut erhebt! Unverschämt! – Wir verabschieden dann hier wieder Resolutionen und empören uns. Und der Angeschmierte ist der Autofahrer.

Deshalb müssen wir uns ehrlich machen. Was brauchen wir jetzt? Wir brauchen eine verbreiterte und vertiefte Lkw-Maut. Wir brauchen mehr Steuergeld. Das wäre da, wenn der Bund die Mauteinnahmen, die er kassiert, gefälligst eins zu eins in die Refinanzierung der Verkehrsinfrastruktur geben würde.

(Beifall von der SPD)

Damit wäre viel gewonnen, mindestens 2,3 Millionen €.

Weil nicht nur die normalen Bürgerinnen und Bürger die Nase von diesen ganzen Mauscheleien voll haben, sondern auch die Fachöffentlichkeit und die betroffenen Verbandsvertreter, brauchen wir dringend einen nationalen Infrastrukturgipfel von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Kommunen sind genauso die Gekniffenen wie viele Länder. Sie sind überfordert, ihre Infrastruktur – wenn die brücken- oder tunnelintensiv ist – allein auf Vordermann zu bringen, geschweige denn die Bundesinfrastruktur.

Die Rezepte liegen auf dem Tisch. Die Finanzierung ist bei Bodewig und Daehre dargestellt. Wir brauchen zwei Prinzipien, mit denen viel Dummheit aus der Verkehrspolitik ausgetrieben werden könnte:

Das erste Prinzip ist überjährige Finanzierung. Dann wäre das Dezemberfieber nicht mehr das Ebola der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Überjährigkeit!

Beim zweiten Prinzip geht es um das Stichwort „verkehrsträgerübergreifende Finanzierung“. Das machen wir ja hier in Nordrhein-Westfalen. Wir sagen: Wir brauchen den Ausbau der A3 auf dem Teilstück Köln-Mülheim/Leverkusen. Parallel brauchen wir den RRX, weil nur der hilft, Stau auf der A3 zu vermeiden. Und wir brauchen in Ballungsräumen künftig mehr denn je einen leistungsfähigen Radverkehr als Infrastruktur, um auch dadurch Berufspendler aufzunehmen.

Es ist also überfällig, verkehrsträgerübergreifend zu denken und zu handeln. Wir dürfen nicht mehr in Sparten denken, sondern wir müssen Mobilität organisieren. Das jedenfalls ist unser Anliegen. Dafür werbe ich. Und wenn es der Bund nicht macht, werden wir in Nordrhein-Westfalen einen solchen Infrastrukturgipfel veranstalten. Das ist eine Zusage, an der Sie mich messen können.

Ich komme zum zweiten Bereich. Wir müssen unbedingt erreichen, dass die Regionalisierungsmittel

als Finanzierungsinstrument für den schienengebundenen Verkehr vor die Klammer gezogen werden, also gesondert behandelt werden. Da gibt es seit zwei Jahrzehnten eine strukturelle Benachteiligung Nordrhein-Westfalens. Die müssen wir losgelöst von der Mautfinanzierung für die Schiene korrigieren.

Ich habe eine letzte Bitte: Schließen Sie als Parlamentarier doch zusammen mit den Parlamentarierkolleginnen und -kollegen des Bundes einen Pakt der Vernunft und sorgen dafür, dass es einmal eine Wahlperiode lang keine individuellen Ortsumfahrungswünsche gibt. Das wäre ein echter Gewinn für die wirklich wichtigen Projekte der Verkehrsinfrastruktur.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Nun spricht für die CDUFraktion Kollege Schmitz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte hat gezeigt, worum es Ihnen von den regierungstragenden Fraktionen geht. Wenn Sie unseren Antrag – oder nur die Überschrift – gelesen hätten, dann wäre Ihnen klar geworden, dass Regionen in ganz NordrheinWestfalen von dieser Mautdiskussion betroffen sind. Es geht also nicht um eine generelle Diskussion, wie man Verkehrsinfrastruktur besser finanzieren bzw. mit mehr Geld ausstatten kann. Ich kann Ihnen genau sagen, woran das liegt: Ihnen steht – das haben wir gestern gehört – das Wasser bis zum Hals. Sie nutzen diese Diskussion, um Ihren Haushalt besser mit Geld versorgen zu können. An der Problematik, an den Sorgen und Nöten den Menschen in den Grenzregionen – lieber Herr Ott, das sage ich auch Ihnen – geht diese Diskussion aber vollkommen vorbei.

(Beifall von der CDU)

Sie fordern uns auf, mal den Koalitionsvertrag zu lesen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle gerne sagen, dass wir den durchaus gelesen haben. Wir haben aber auch Ihren Antrag gelesen. Und darin ist ein Satz – da werden Sie sich jetzt wundern –, der das, was ich gerade beschrieben habe, noch einmal auf den Punkt bringt. Ich glaube, wir würden Ihnen da sogar zustimmen. Ich weiß nicht, ob der Verkehrsminister oder die Frau Ministerpräsidentin das schon gelesen haben. Da steht nämlich, dass die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsprobleme nur auf Bundesebene gelöst werden können. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist doch die Bankrotterklärung Ihrer Politik. Sie wissen nicht mehr, wie Sie das machen sollen.