Protocol of the Session on September 10, 2014

Änderungsblatt verdeutlicht. Die nationalsozialistischen Maßnahmen waren unwirksam. Wir halten den Bestandsschutz angesichts der Bedeutung der Kirchen und des Judentums für die Geschichte und die Kultur des Landes, für die Grundlegung der Verfassung und für die Gegenwart für eine Selbstverständlichkeit.

Dass sich die Piraten herausgezogen haben, ist schade. In ihrem Änderungsantrag möchten sie die Anerkennung von Gemeinschaften ohne den

Nachweis, wen sie eigentlich repräsentieren. Natürlich muss niemand seine religiöse Überzeugung offenbaren. Wenn jemand aber möchte, dass seine Gemeinschaft einen anerkannten Status erhalten soll, dann müssen die Vertreter nicht nur Zahlen nennen, sondern sie auch belegen. Ich zitiere aus der Anhörung:

„Der Staat muss wissen: Wer gehört wozu, und wer spricht für wen? Denn nur so kann er die mit dem Körperschaftsstatus verbundene Kooperationsbeziehung eingehen. Nur so kann etwa das Steuerrecht rechtsstaatlich ausgeübt werden.“

So hat Prof. Dr. Heinig es formuliert. Wenn eine solche Körperschaft ihre Mitglieder zu Religionsgemeinschaftssteuern heranzieht, muss es möglich sein, dass jemand auch sagen kann, dass er nicht Mitglied ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens haben wir hier ein gutes Gesetz für ein plurales und an Religionsgemeinschaften reiches Land vorliegen. Ich denke, dass wir diese breite Unterstützung bekommen werden. Es ist schade, wenn eine Fraktion nicht mitmacht. – Ich danke. Ich danke auch herzlich für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bas.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! NRW ist mit seinen rund 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ein buntes und vielfältiges Land. Neben dem Blick auf die verschiedenen kulturellen und nationalen Hintergründe seiner Menschen lohnt sich auch ein Blick auf die Vielfalt von Religion und Weltanschauung.

Wie wir gerade gehört haben, gab es eine Studie der Universität Bochum, bei der sich herausgestellt hat, dass in unserem Bundesland rund 228 verschiedene religiöse Strömungen beheimatet sind, die sich wiederum in über 8.000 Gemeinden abbilden. Dabei zählen sich fast drei Viertel der Menschen einer der vielen Religionsgemeinschaften zu

gehörig, während ein Viertel wiederum keiner Religionsgemeinschaft angehört.

Das Ihnen vorliegende Gesetz zur Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften reagiert auf diese Glaubensvielfalt in NRW. Das Gesetz geht hier besonders auf den künftigen Status von religiösen Minderheiten in unserem Land ein, zu dem bisher recht unterschiedliche Handhabungen bekannt sind. So bekam die Jüdische Kultusgemeinde die Verleihung der Körperschaftsrechte mittels Verwaltungsakt, während andere Religionsgemeinschaften diese Rechte über ein Gesetz verliehen bekommen haben. Mit dem neuen Körperschaftsstatusgesetz schaffen wir jetzt aber notwendige Vereinheitlichungen.

Das Gesetz schafft aber auch erstmals Transparenz und Verlässlichkeit für alle religiösen Minderheiten in NRW. Es führt aus, welcher Voraussetzungen es bedarf, um den Körperschaftsstatus verliehen zu bekommen. Es führt aber auch aus, was zur Aberkennung des Körperschaftsstatus führen kann.

Hiermit wird die Verleihung des Körperschaftsstatus durch Rechtsverordnung der neue Standard. Dazu gehört auch die Beteiligung des Landtags an diesem Prozess.

Sie sehen, dass wir fast ein Jahr seit der Einbringung des ersten Entwurfs zum Körperschaftsstatusgesetz beraten haben und dazu im März dieses Jahres eine sehr ausführliche Anhörung mit mehreren Experten durchgeführt haben. Dass das Gesetz bis Ende 2021 auf seine Wirksamkeit überprüft werden soll, ist zu begrüßen.

Ganz besonders möchte ich dabei die Beteiligung der Vertreter unter anderem der muslimischen Organisationen hervorheben, die mehrere Stellungnahmen zum Gesetzentwurf eingebracht haben und deren konstruktive Ergänzungsvorschläge in die Beratungen eingeflossen sind. Schließlich sind die muslimischen Religionsgemeinschaften nicht nur die größte religiöse Minderheit in unserem Land, sie werden wahrscheinlich auch unter den Ersten sein, die sich nach dem gerade laufenden Prozess der Anerkennung als Religionsgemeinschaft um die Verleihung der Körperschaftsrechte bemühen werden.

Dadurch, dass wir diesen Prozess transparent gestalten und auch hier im Landtag darüber sprechen, senden wir nebenbei ein Signal für die Vielfalt in unserem Land aus. Letztendlich sind die dann anerkannten neuen Partner unter den Religionsgemeinschaften ein guter Weg, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und um der Radikalisierung an den Rändern die rote Karte zu zeigen.

Nur kurz zu den Einwänden der Piratenfraktion bezüglich der Mitgliederzahl der Religionsgemeinschaften: Hier setze ich darauf, dass der Nachweis der Mitgliedschaft in geeigneter und für alle zufrie

denstellenden Form erfolgen wird. Dass Sie nicht mehr mit auf dem Antrag stehen, ist bedauerlich. Den Änderungsantrag der Piratenfraktion werden wir aber auch hier ablehnen.

Insgesamt kann ich von der Grünenfraktion aus die Zustimmung zu diesem Gesetz empfehlen und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bas. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Namen der FDP-Fraktion möchte ich dafür danken, dass es uns gelungen ist, das sensible und bedeutsame Thema der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religionsgemeinschaften weitestgehend einvernehmlich zu gestalten. Das Ergebnis ist der vorliegende Gesetzentwurf nebst Änderungsantrag von vier Fraktionen.

Meine Damen und Herren, Körperschaftsrechte geben Religionsgemeinschaften institutionelle Sicherheit und ermöglichen zugleich die Ausübung hoheitlicher Kompetenzen. Der letztgenannte Aspekt verlangt deshalb auch, dass Religionsgemeinschaften über ein hohes Maß an Stabilität, Mitgliederstärke und Dauerhaftigkeit verfügen. Zugleich muss sichergestellt werden, dass sie auf dem Boden unserer Verfassung und Rechtsordnung wurzeln, sich also nicht über diese Rechtsordnung und Verfassung stellen oder sie sogar bekämpfen.

Das vorgelegte Gesetz stellt uns die Instrumentarien zur Überprüfung der Einhaltung dieser Voraussetzungen zur Verfügung. Es orientiert sich an der langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ergänzt und präzisiert diese dort, wo es erforderlich ist. Der Änderungsantrag ergänzt die ursprünglichen Formulierungen um einige wenige technische Details.

Unser Bundesland beschreitet damit Neuland. Wir sind das erste Bundesland, das ein Parlamentsgesetz über die Verleihung von Körperschaftsrechten an Religionsgemeinschaften erlässt, und das ist gut.

Rechtsdogmatisch wäre es aus unserer Sicht allerdings konsequenter gewesen, die Verleihung der Körperschaftsrechte durch einen Verwaltungsakt anstelle einer Rechtsverordnung zu vollziehen. Die Rechtsverordnung stellt ein Gesetz der Exekutive dar, also eine abstrakte Regelung für eine Vielzahl von Fällen. Körperschaftsrechte werden jedoch im Einzelfall, gerade an die individuell sie beantragende Religionsgemeinschaft verliehen. Überdies ist das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht unbedingt auf Klagen im Zusam

menhang mit Rechtsnormen ausgelegt. Es ist vielmehr in Wissenschaft und Praxis heftig umstritten, inwiefern ein Verwaltungsgericht überhaupt die Verpflichtung zum Erlass einer Rechtsnorm aussprechen kann. Im Hinblick auf Verwaltungsakte erscheint dies hingegen gänzlich unproblematisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, rechtsdogmatische Fragen sind für meine Fraktion jedoch kein Grund, dem im Übrigen gelungenen Gesetzentwurf die Zustimmung zu verweigern. Wir hätten es lediglich begrüßt, wenn die Verleihung der Körperschaftsrechte anders geregelt worden wäre. Aber es existiert ja eine Evaluierungsklausel, die zwar für rechtsdogmatische Fragen auf den ersten Blick nicht unbedingt sachgerecht erscheint – man wird Rechtsfragen schlechterdings nicht evaluieren können –, aber sie erlaubt immerhin, Probleme im Zusammenhang mit der Verleihungsform zu erkennen. Wenn wir dann im Wege der Evaluierung feststellen, dass hier ein Nachbesserungsbedarf besteht, dann kann das Gesetz in diesem Punkt ja nachträglich geändert werden.

Das gilt im Übrigen auch mit Blick auf die von den Piraten noch geforderten Änderungen, wobei ich Ihnen zurufen möchte: Die Vorschrift über die Landesbeteiligung ist nicht verfassungswidrig. Sie kann vielmehr verfassungskonform auch so ausgelegt werden, dass der Landtag zustimmen muss, wenn eine Religionsgemeinschaft die übrigen Voraussetzungen der Verleihung erfüllt. Sie führen hier also ein Scheingefecht. Es ist sehr bedauerlich, dass Sie nur vor diesem Hintergrund aus dem Konsens aller Fraktionen ausgeschieden sind. Im Ausschuss haben Sie sich noch enthalten. Wie Sie heute abstimmen, bleibt dann abzuwarten. Aber als Antragsteller von dem Antrag wieder zurückzutreten, fand ich schon mehr als merkwürdig. Ich wollte aber nicht nickelig sein, das auch durch das entsprechende Abstimmungsverhalten zum Ausdruck zu bringen.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss stellen wir auch klar, dass sich der Erwerb der Körperschaftsrechte als positives Vehikel erfolgreicher Integration darstellen kann, insbesondere wenn es gelingt, auch den zahlreichen islamischen Glaubensgemeinschaften einen Zugang zur körperschaftlichen Verfassung zu eröffnen. Insofern bin ich guten Mutes, dass uns mit dem heutigen Gesetzesbeschluss ein großer Fortschritt im Religionsverfassungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen gelungen ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Marsching.

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zu

schauer hier auf der Tribüne und zu Hause! Frau Kollegin Freimuth, weil Sie es gerade angesprochen haben, antworte ich direkt darauf: Wir haben intern noch relativ lange über den Gedanken geredet, der in unserer Fraktion vorherrschte, ob man nicht von dem Antrag zurücktreten sollte. Wir haben leider erst am letzten Dienstag endgültig darüber abstimmen können, ob wir den Gesetzentwurf noch mittragen oder nicht. Da ist die Abstimmung negativ ausgefallen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Die Enthaltung im Ausschuss hat durchaus widergespiegelt, dass wir noch im internen Streit waren. Dass wir jetzt runtergehen, ist Ausdruck dessen, dass wir uns am Ende innerhalb der Fraktion darauf geeinigt haben, dass wir den Gesetzentwurf nicht mehr mittragen wollen. Das zu dieser Geschichte.

Wir haben bis zuletzt tatsächlich konstruktiv an dem Gesetzentwurf zusammengearbeitet. Das möchte ich betonen und fand ich sehr erbauend, weil es einmal eine neue Erfahrung für mich war. Das ist in vielen anderen Bereichen nicht passiert.

Der Vorteil der letzten Rede ist, ich muss nicht mehr erklären, worum es im Ganzen geht. Ich kann also ein bisschen Zeit sparen. Vieles von dem, was wir besprochen haben, ist tatsächlich umgesetzt worden, auch in den letzten Änderungen der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses.

Aber zwei Dinge sind uns trotzdem noch wichtig und die sind uns so wichtig, dass wir den Gesetzentwurf nicht mittragen können.

Erster Punkt. Herr Prof. Sternberg hat gerade gesagt: Wer Mitglied in einer Religionsgemeinschaft ist, das muss klar sein. Wenn Sie mit diesem Argument kommen, muss ich Ihnen sagen: Es ist jetzt auch nicht klar, zum Beispiel namentlich bei den jüdischen Gemeinden, wer Mitglied ist. Das ist auch gut so. Denn Mitglied in einer Religionsgemeinschaft zu sein, ist eines der privatesten Daten, die man haben kann.

Für uns ist es extrem wichtig, dass wir nicht darauf vertrauen – Herr Kollege Bas hat es gerade gesagt –, dass die geeignete Form schon geeignet sein wird, sondern, dass wenn wir so etwas ins Gesetz hineinschreiben, es entweder klar ausformuliert ist oder nur die Anzahl der Mitglieder nachgewiesen werden muss – denn auch das muss in geeigneter Form geschehen – und nicht jedes Mitglied einzeln. Da ist das Missbrauchspotenzial viel zu hoch.

Der zweite Punkt ist der verfassungsrechtliche Anspruch von Religionsgemeinschaften auf den Körperschaftsstatus. Nach § 140 Grundgesetz in Verbindung mit § 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung – diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, wissen, wovon ich rede – ist nun einmal dieser Anspruch vorhanden, und der lässt sich nicht wegdiskutieren.

Dann hinzugehen und diesen Vorbehalt des Landtags in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben, fanden wir von Anfang an schwierig. Wir haben das angesprochen und haben gesagt: Okay, liebe Leute, dann lasst uns das so machen, aber lasst uns dann bitte die Evaluationsfrist heruntersetzen. Lasst es uns Ende 2017 evaluieren. Dann können wir den Gesetzentwurf mittragen. Das geht dann schnell genug. Das ist leider nicht umgesetzt worden. Stattdessen ist das Datum geändert worden. Sei es drum.

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass das Heruntergehen der Piratenfraktion von diesem Antrag nicht negativ ausgelegt werden soll, kein negatives Signal in Richtung Religionsgemeinschaften ist und auch nicht in Richtung derer, die den Körperschaftsstatus demnächst haben wollen, sondern wir wirklich Bedenken haben, dass wir uns zu diesem Thema nicht erst im Jahr „Zweitausendirgendwann“ zusammensetzen,

sondern es relativ schnell dazu kommen wird, dass sich Weltanschauungsgemeinschaften um einen Körperschaftsstatus bemühen werden. Den werden wir dann hier im Landtag ablehnen. Dann werden wir leider vor der Frage stehen, wie wir uns vor dem Verfassungsgericht verhalten und wir werden uns zu dem Thema leider hier wiedersehen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen

Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut so und lang gepflegte Tradition hier im Hause, dass grundsätzliche religionspolitische Fragestellungen und Themen hier in einem parteiübergreifenden, aber auch in einem gesellschaftsübergreifenden Konsens geregelt und diskutiert werden.

Insofern finde ich es auch bedauerlich, dass die Piratenfraktion auf der Zielgeraden noch von der Antragstellung ausgestiegen ist. Denn es ist ein guter Gesetzentwurf hier vorgelegt worden. Das hat schon die Sachverständigenanhörung ergeben. Die intensiven Beratungen im Ausschuss mit den daraus folgenden Änderungsanträgen zeigen, glaube ich, dass man hier sehr intensiv, sehr konsensual diskutiert hat. Allein schon aus diesem Grunde kann Ihnen die Landesregierung nur empfehlen, diesem nunmehr vorliegenden Entwurf mit den Änderungsanträgen zuzustimmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)